Masseschulden

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Gläubigerausschussmitglied bei der Begründung von Masseschulden gegenüber einem Dritten wegen Verschuldens bei Vertragsschluss haftet.

Zum Sachverhalt: Am 29. 10. 1971 wurde über das Vermögen des Spediteurs S das Konkursverfahren eröffnet. Unter den Konkursgläubigern befanden sich der Kläger sowie die AOK, deren Vollstreckungsabteilung der Beklagten leitete. Am 2. 12. 1971 wählte die Gläubigerversammlung einen Gläubigerausschuss. Ihm gehörten als Mitglieder der Beklagten und der Angestellte des Kläger W, der als dessen Vertreter an der Versammlung teilgenommen hatte, sowie ein weiterer Beamter der AOK als Ersatzmitglied an. Auf derselben Sitzung beschloss die Versammlung die Fortführung des Geschäfts des Gemeinschuldners und übertrug die weitere Beschlussfassung insoweit dem Gläubigerausschuss. In der Folgezeit kümmerte sich der Beklagten, der sich selbst als federführendes Mitglied des Gläubigerausschusses verstand, regelmäßig um das Geschäft des Gemeinschuldners. Nachdem der Gläubigerausschuss am 28. 3. 1973, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Masseschulden auf etwa 50000 DM angewachsen waren, die Weiterführung der Geschäfte beschlossen hatte, kaufte der Gemeinschuldner am 5. 4. 1973 mit Einwilligung des Konkursverwalters fur seinen Geschäftsbetrieb von dem Kläger gebrauchte Kraftfahrzeuge zum Preis von 47952 DM und am 10. 7. 1973 einen Sattelzug zum Preis von 31000 DM. Der Kläger versprach dabei, bei Erfüllung dieser Verträge seine angemeldete Konkursforderung entsprechend zu ermäßigen. Der Beklagten, der maßgeblichen Anteil am Abschluss dieser Verträge gehabt hatte, erhielt von dem Kläger als Provision einen gebrauchten Pkw Mercedes. Zur Finanzierung der Kaufverträge schlossen der Konkursverwalter und der Gemeinschuldner mit der Warenkreditgesellschaft mbH Darlehensverträge über 55044 DM und 37856 DM ab; der Kläger übernahm gegenüber der Kreditgeberin die Mithaftung, während der Konkursverwalter Wechsel über diese Beträge akzeptierte. Die Fahrzeuge wurden alsdann unter Eigentumsvorbehalt bzw. Sicherungsübereignung zugunsten der Kreditgeberin geliefert und im Betrieb des Gemeinschuldners eingesetzt. Am 3. 1. 1974 beschloss der Gläubigerausschuss, das Geschäft des Gemeinschuldners zu schließen. Entscheidend hierfür war, dass die Außenstände weit niedriger lagen, als sie aufgrund der Angaben des Gemeinschuldners veranschlagt waren, und dass die Konkursmasse trotz guter Umsätze ungeklärte Verluste erlitten hatte. Durch Beschluss vom 12. 9. 1974 stellte das AG das Konkursverfahren wegen Masselosigkeit nach § 204 KO ein. Bis November 1974 wurden die Wechsel in Höhe von insgesamt 24700 DM eingelöst. Mit dem Restbetrag von 68200 DM belastete die Kreditgeberin den Kläger Dieser nahm die Fahrzeuge, deren Restwert er auf 5000 DM veranschlagt, zurück. Wegen der Restforderung von 63200 DM, für die aus der Konkursmasse keine Befriedigung zu erlangen war, nimmt er den Beklagten in Anspruch. Hierzu trägt er vor, der Beklagten sei als Quasi-Geschäftsführer des Gemeinschuldners wegen des Ankaufs von Fahrzeugen an ihn herangetreten und habe ihm wider besseres Wissen vorgespiegelt, die Konkursmasse habe Außenstände von mehr als 90000 DM, während diese tatsächlich allenfalls den Betrag von 40000 DM erreicht hätten. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben habe er - der Kläger - die Kaufverträge abgeschlossen. Da der Beklagten den Gemeinschuldner nicht hinreichend überwacht habe, sei er dafür verantwortlich, dass in der Konkursmasse der Gewinn aus Umsätzen zwischen 400000 DM und 60000 DM gefehlt habe. Schließlich habe er den Konkursverwalter nicht auf die Bedenken gegen die Fortführung der Geschäfte hingewiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufsgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und bezüglich der Höhe das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen. Die Revision des Beklagten führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Aus den Gründen: Der Kläger kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt - weder wegen Verschuldens bei Vertragsschluss noch aus unerlaubter Handlung noch wegen Verletzung der Pflichten eines Gläubigerausschussmitglieds - von dem Beklagten Schadensersatz verlangen.

Das Berufsgericht hält einen Anspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss für begründet. Hierzu stellt es fest, der Beklagten habe bei den Vertragsverhandlungen, die zum Ankauf der Fahrzeuge geführt hätten, mitgewirkt, und der Gemeinschuldner habe in seiner Anwesenheit dem Kläger erklärt, die Geschäfte liefen gut. Es sei zwar nicht erwiesen, dass der Beklagten selbst eine bewusst wahrheitswidrige Mitteilung über die Höhe der Außenstände gemacht habe. Er habe jedoch den Kläger darauf hinweisen müssen, dass den Organen des Konkursverfahrens hinreichend gesicherte Erkenntnisse über die Außenstände des Speditionsunternehmens des Gemeinschuldners fehlten. Aufzeichnungen hierüber seien nur von dem Gemeinschuldner und dem Angestellten S gemacht worden; darauf hätten sich der Konkursverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses verlassen, ohne sie zu überprüfen und mit den sonstigen Buchungsunterlagen zu vergleichen. Der Umstand, dass gesicherte Erkenntnisse über die Außenstände, von deren Höhe letztlich abhängig gewesen sei, inwieweit Masseschulden getilgt werden konnten, gefehlt hätten, habe eine Offenbarungspflicht des Beklagten gegenüber dem Kläger ausgelöst. Dieser habe dem Beklagten, der die Vertragsverhandlungen geführt habe, besonderes Vertrauen entgegengebracht. Daher hafte er selbst dem Kläger gegenüber, obwohl Vertragsabschlüsse nicht zu den Aufgaben eines Gläubigerausschussmitglieds gehörten.

Hiergegen wendet sich die Revision zu Recht.

Wie das Berufsgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausführt, kann eine Vertragspartei den Vertreter ihres Gegners dann wegen Verschuldens bei Vertragsschluss auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn der Vertreter als Sachwalter des Vertretenen für sich besonderes Vertrauen in Anspruch genommen und dieses Vertrauen missbraucht hat. Entsprechendes gilt, wenn der Vertreter ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse am Vertragsabschluss hat. Dass der Vertreter dabei Abschlussvollmacht hat, ist nicht unbedingte Voraussetzung einer solchen Vertreterhaftung; es kann vielmehr je nach Sachlage ausreichen, wenn der für den einen Vertragsteil handelnde Vertreter, ohne am Vertragsabschluss selbst unmittelbar mitzuwirken, doch jedenfalls entscheidenden Einfluss auf Zustandekommen, Inhalt und Durchführung des Vertrages nimmt und auf diese Weise das besondere Vertrauen des anderen Vertragsteils erweckt.

Ob entsprechend diesen Grundsätzen der Beklagten als Sachwalter des Konkursverwalters oder des Gemeinschuldners angesehen werden kann, erscheint zumindest zweifelhaft.

Das Berufsgericht lässt es ersichtlich genügen, dass der Kläger dem Beklagten tatsächlich sein Vertrauen geschenkt hat, ohne zugleich darauf abzustellen, ob er ihm sein Vertrauen schenken durfte. Damit aber berücksichtigt das Berufsgericht nicht hinreichend die grundlegenden Voraussetzungen für die Vertrauenshaftung eines Vertreters. Wenn und soweit die Vertrauensperson für den Dritten nicht der Vertragsgegner, sondern der Vertreter oder eine ihm gleichzustellende Person ist, müssen die Pflichten, aus deren Verletzung eine Haftung hergeleitet werden soll, primär solche des Vertreters sein. Daraus ergibt sich, dass derjenige, dem der Vertragsgegner vertraut, im Rahmen seines gesetzlich oder vertraglich umschriebenen Aufgabenbereichs tätig sein muss. Nur wenn dies der Fall ist, verdient das Vertrauen, das der Dritte dem Vertreter entgegenbringt, Schutz und führt zu dessen Haftung.

Die Tätigkeit des Beklagten, aus der der Kläger dessen Inanspruchnahme herleitet, lag jedoch nicht im Aufgabenbereich des Gläubigerausschusses. Dieser hat im Wesentlichen den Konkursverwalter zu unterstützen und zu überwachen. Nicht dagegen gehört zu seinen Aufgaben ein Auftreten nach außen hin, insbesondere nicht das Führen von Vertragsverhandlungen oder gar die Begründung von Masseschulden durch Geschäftsabschlüsse mit Lieferanten.