Materielle Voraussetzung

Materiell-rechtliche Voraussetzungen, Grundzüge der Planung - Materielle Voraussetzung für eine vereinfachte Änderung oder 25 Ergänzung eines Bebauungsplans ist, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Das Gesetz stellt damit auf ein Kriterium ab, das auch an anderer Stelle verwendet wird. Die hierzu ergangene Rspr. kann auch zur Auslegung von § 13 Abs. 1 herangezogen werden. Allerdings sind die Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens nach §13 Abs. 1 und für eine Befreiung nach §31 Abs. 2 Nr. 2 nicht völlig identisch, da die Befreiung an zusätzliche Voraussetzungen gebunden ist.

Die Grundzüge der Planung für den Bebauungsplan ergeben sich in erster Linie aus dem Flächennutzungsplan. In ihm werden nach der Begriffsbestimmung in §5 Abs. 1 die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinden in den Grundzügen dargestellt. Aus den hier dargestellten Grundzügen ist der Bebauungsplan gemäß §8 Abs. 2 Satz 1 zu entwickeln. Hieraus folgt, dass eine Änderung oder Ergänzung des Bebauungsplans, die die im Flächennutzungsplan vorgegebene Konzeption verlässt und darum auch nicht mehr aus den vorgegebenen Darstellungen des Flächennutzungsplans entwickelt ist, in jedem Falle zugleich die in § 13 Abs. 1 Satz 1 genannten Grundzüge der Planung berührt und darum nicht im vereinfachten Verfahren nach § 13 durchgeführt werden kann. Sie würde schon gegen §8 Abs. 2 Satz 1 verstoßen.

Der Flächennutzungsplan steckt in vielen Fällen nur einen äußeren Rahmen für die Grundzüge der Planung ab. Nicht alle Änderungen oder Ergänzungen eines Bebauungsplans, die sich im Rahmen der Darstellungen des Flächennutzungsplans halten, können im vereinfachten Verfahren nach § 13 zugelassen werden. Häufig enthält der Flächennutzungsplan lediglich ein grobes Raster; in diesem Falle lassen sich aus ihm Bebauungspläne mit sehr unterschiedlicher Konzeption entwickeln. So kann z.B. aus einer Wohnbaufläche sowohl ein reines Wohngebiet für eine aufgelockerte Einfamilienhausbebauung als auch ein Wohngebiet für einen verdichteten Geschoßwohnungsbau entwickelt werden. In diesem Falle hielte sich der Wechsel von einem Bebauungskonzept zum anderen im Zuge einer Planänderung zwar im Rahmen des Flächennutzungsplans, er würde jedoch das Leitbild des bisherigen Bebauungsplans berühren. Ließe man hier ein vereinfachtes Verfahren zu, würden die Interessen der Bürger und der Träger öffentlicher Belange in unvertretbarer Weise verkürzt; außerdem würde die notwendige aufsichtliche Kontrolle ausgeschaltet. Enthält der Flächennutzungsplan nur ein grobes Raster, so ist daher neben seinen Darstellungen auch die Plankonzeption des Bebauungsplans selbst heranzuziehen, um beurteilen zu können, ob die vereinfachte Änderung oder Ergänzung sich innerhalb der Grundzüge der Planung i. S. von § 13 Abs. 1 Satz 1 bewegt. Bei der Ermittlung der Konzeption des Bebauungsplans ist in erster Linie auf die in ihm enthaltenen Festsetzungen abzustellen; erforderlichenfalls ist die Begründung heranzuziehen, da es weitgehend von den Absichten des Satzungsgebers abhängt, welchen Festsetzungen konzeptionelle Bedeutung beizumessen ist. Das BVerwG hat zu den Grundzügen der Planung i. S. von § 125 Abs. 3 folgendes ausgeführt, was auch für § 13 maßgebend ist: Gemeint sind damit Abweichungen, die deshalb von minderem Gewicht sind, weil sie nur den - gleichsam formalen - Festsetzungsinhalt treffen, nicht hingegen auch das, was an Planungskonzeption diese Festsetzung trägt und damit den für sie wesentlichen Gehalt bestimmt... Ob eine Abweichung von in diesem Sinne minderen Gewicht ist, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gekommenen planerischen Wollen. Bezogen auf dieses Wollen darf der Abweichung vom Planinhalt keine derartige Bedeutung zukommen, dass die angestrebte und im Plan zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Die Abweichung muss - soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein - durch das planerische Wollen gedeckt sein; es muss - mit anderen Worten - angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte. Die Konzeption oder das planerische Leitbild des Bebauungsplans ergibt sich aus der Zusammenschau aller Festsetzungen. Maßgebend sind dabei die Festsetzungen im gesamten Geltungsbereich, nicht nur für die von den beabsichtigten Änderungen oder Ergänzungen betroffenen Grundstücke; an den Geltungsbereich angrenzende Flächen brauchen nicht berücksichtigt zu werden. Gibt dagegen der Flächennutzungsplan die städtebauliche Konzeption bereits detailliert vor, so dass für die Bebauungsplanung nur noch ein geringer Entwicklungsspielraum verbleibt, so sind die für § 13 maßgebenden Grundzüge der Planung dem Flächennutzungsplan zu entnehmen. Hier ist davon auszugehen, dass die Gemeinde die städtebauliche Konzeption für den betreffenden Bereich bereits im Flächennutzungsplan darstellen wollte.

Die Grundzüge des Bebauungsplans werden berührt, wenn eine Planänderung das der bisherigen Planung zugrunde liegende Leitbild verändert oder zum Verlust des planerischen Grundgedankens führt. Die Grundzüge werden nicht berührt, wenn die Planänderung oder Planergänzung im Umfang nur geringfügig oder nur von geringer Bedeutung ist. Dieses für die vereinfachte Änderung oder Ergänzung des Flächennutzungsplans maßgebende Kriterium nach §13 Abs. 2 kann auch zur Anwendung von §13 Abs. 1 herangezogen werden. Nicht entscheidend ist, ob die Änderung oder Ergänzung für die betroffenen Grundstücke von unerheblicher Bedeutung ist. Auf diese Voraussetzung hat der Gesetzgeber bereits 1979 verzichtet. Die Änderung oder Ergänzung kann also für einzelne Eigentümer auch erheblich sein, wenn dadurch die Grundzüge der Planung nicht berührt werden.

Maßgebend ist die Abweichung der beabsichtigten Änderung oder Ergänzung von den bisher geltenden Festsetzungen. Diese können sich aus dem ursprünglich aufgestellten Plan und den zwischenzeitlich erlassenen Änderungen oder Ergänzungen ergeben. Der abweichenden Auffassung, wonach alle bisherigen Änderungen oder Ergänzungen in ihrer Gesamtheit den bisherigen Festsetzungen gegenüberzustellen sind, ist nicht zu folgen. Sie würde dazu führen, dass nach einer umfassenden Änderung des Bebauungsplans eine vereinfachte Änderung oder Ergänzung zu einem späteren Zeitpunkt stets ausgeschlossen wäre. Damit würde § 13 weitgehend leerlaufen.

Einzelfälle: Die Grundzüge des Bebauungsplans werden berührt, wenn der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplans etwa um ein Fünftel erweitert wird.

- Bei einer Änderung der Nutzungsart werden in der Regel die Grundzüge berührt; §13 ist allenfalls bei einer geringfügigen Verschiebung der Grenze zwischen bereits vorhandenen Gebieten mit unterschiedlicher Nutzung anwendbar, z.B. wenn aus einem ursprünglich festgesetzten allgemeinen Wohngebiet einzelne Grundstücke herausgenommen und einem angrenzenden Mischgebiet angegliedert werden. Eine geringfügige Herabsetzung oder Heraufsetzung des Maßes der baulichen Nutzung berührt die Grundzüge der Planung nicht. Die Grundzüge werden nicht berührt, wenn die überschaubare Grundstücksfläche um einige Meter verschoben wird, um eine Straße zu verbreitern. Die Größe des von den Änderungen bzw. Ergänzungen betroffenen Gebiets kann ein Indiz dafür sein, ob die Grundzüge der Planung berührt werden. Das gleiche gilt für die Zahl der Grundstücke.

- Auswirkungen auf die Nachbarschaft berühren nicht notwendig die Grundzüge der Planung. Die vereinfachte Änderung bzw. Ergänzung darf über den Bereich des betreffenden Grundstücks hinausgehen, da sonst die in § 13 vorgesehene Beteiligung der Nachbarn als Betroffene nicht in Betracht käme; die Verschiebung der seitlichen Baugrenzen wirkt in jedem Falle auf das Nachbargrundstück, sie kann jedoch für die Grundzüge der Planung bedeutungslos sein. Die punktuelle Änderung eines Bebauungsplans an vielen Stellen kann die Grundzüge berühren. Die Veränderung der Grundstückswerte ist ein Indikator für wesentliche Änderungen. Das gleiche gilt, wenn die Planänderung bzw. Planergänzung zu Entschädigungsansprüchen nach §§40ff. führen. Die Festsetzung von Ausnahmen nach § 31 Abs. 1 hält sich in der Regel innerhalb der Grundzüge. Die rückwirkende Inkraftsetzung eines Bebauungsplans nach § 215 Abs.3 Satz2 lässt die Grundzüge der Planung unberührt.

- Die Begünstigung des betroffenen Eigentümers ist ohne Bedeutung. Auch der Fortfall einer Belastung kann die Grundzüge berühren.

- Die Zustimmung der Betroffenen ist kein Indiz dafür, ob die Grundzüge der Planung berührt werden. Die Voraussetzungen für eine vereinfachte Änderung oder Ergänzung 32 eines Bebauungsplans sind in die Form unbestimmter Rechtsbegriffe gekleidet. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, unterliegt daher der vollen rechtlichen Nachprüfung. Ergibt die Prüfung, dass die Voraussetzungen nicht gegeben waren, so ist die vereinfachte Änderung bzw. Ergänzung fehlerhaft. Allerdings kann der Fehler nach §214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 unbeachtlich sein.