Miete

Zum Sachverhalt: Die Kläger führte bis Sommer 1967 Opernaufführungen durch. Sie hatte von der Beklagten einen Theatersaal gemietet und mit deren Einwilligung ihre Dekorationen in einem von ihr errichteten Hofschuppen untergebracht. Im Mietvertrag ist u. a. vereinbart:

Der Mieter hat die gemieteten Räume usw. in gutem Zustand zu erhalten, sie pfleglich zu behandeln und sie bei Beendigung des Vertrages in gutem Zustand zurückzugeben...

Bei Beendigung des Vertragsverhältnisses muss der Mieter die von ihm gemäß § 1 I, II dieses Vertrages gemieteten oder ihm zur Mitbenutzung überlassenen Räume, Liegenschaften, Anlagen usw. ungezieferfrei, besenrein - auch in allen Nebenräumen - zurückgeben. Die Vermieterin ist berechtigt, diesen Zustand auf Kosten des Mieters ohne Abmahnung herzustellen...

Ab Juli 1967 zahlte die Kläger der Beklagten keine Miete mehr. Die Beklagten kündigte deshalb mit Einschreiben vom 20. 9. 1967 das Mietverhältnis mit sofortiger Wirkung. Mit Schreiben vom 16. 10. 1967 forderte die Beklagten die Kläger u. a. auf, innerhalb einer Frist von einer Woche ihre Sachen zu entfernen, den in § 8 Nr. 1 und § 11 Nr. 2 des Mietvertrages vorausgesetzten Zustand der gemieteten Räume wieder herzustellen. Die Kläger bat um Räumungsaufschub. In der Zeit vom 30. 10. bis zum 1. 11. 1967 ließ die Beklagten den von der Kläger errichteten Schuppen abreißen und die darin untergebrachten Dekorationen auf einer freien Stelle des Hofes lagern. In der Folgezeit konnten sich die Parteien nicht über einen Räumungsaufschub einigen. Am 11. 1. 1968 stellten die Kläger fest, dass ihre Dekorationen unbrauchbar geworden waren.

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten verpflichtet sind, der Kläger wegen der Beschädigung der Dekorationen Schadensersatz zu leisten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückweisung.

Aus den Gründen: Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufsgerichts, die Beklagten haben rechtmäßig gehandelt, als sie den Schuppen habe abbrechen lassen. Nach den Feststellungen des Berufsgerichts hat die Beklagten durch diese Maßnahme vielmehr verbotene Eigenmacht begangen.

Verbotene Eigenmacht kann nur gegen den unmittelbaren Besitzer verübt werden. Das Berufsgericht hat zu der Frage, ob die Kläger bei Abbruch des Schuppens an diesem und den darin befindlichen Gegenständen noch unmittelbaren Besitz hatte, keine Stellung genommen. Nach seinen Feststellungen hatte die Kläger zu dieser Zeit die tatsächliche Gewalt noch nicht verloren. Zwar hatte sie seit Sommer 1967 den Betrieb ihres Unternehmens eingestellt, auch war der Mietvertrag aufgehoben, ihr Geschäftsführer hatte aber noch nach der mit Schreiben vom 16. 10. 1967 erklärten Kündigung vor, den Spielbetrieb fortzusetzen, wozu er die Dekorationen benötigte.

Dass die Beklagten zur Beseitigung des Schuppens und zur Lagerung der Dekorationen im Hof berechtigt gewesen sei, kann nach den Feststellungen des Berufsgerichts nicht angenommen werden.

In der Revisionsinstanz beruft sich die Beklagten ohne Erfolg auf ein Selbsthilferecht nach § 859 BGB. Sie macht geltend, die Kläger habe das Mietobjekt nach Kündigung und Räumungsaufforderung nicht alsbald geräumt und dadurch ihren Besitz an dem zur Mitbenutzung überlassenen Teil des Hofes gestört. Damit können die Beklagten keinen Erfolg haben. Rechte aus verbotener Eigenmacht hat nur der unmittelbare Besitzer. Durch die Beendigung des Mietverhältnisses ohne Aufgabe des unmittelbaren Besitzes durch die Kläger an dem ihr zur Benutzung überlassenen Teil des Hofes ist die Beklagten nicht unmittelbare Besitzerin geworden.

Dass die Voraussetzungen für eine Selbsthilfe nach § 229 BGB vorgelegen hätten, nimmt das Berufsgericht nicht an. Es legt aber § 11 Nr. 2 S. 2 des Mietvertrages dahin aus, dass durch diese Bestimmung der Beklagten das Recht eingeräumt worden sei, ohne vorherige Abmahnung den Schuppen abbrechen und die darin untergebrachten Gegenstände auf dem Hof abstellen zu lassen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom Berufsgericht vorgenommene Auslegung mit den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB vereinbar ist oder ob es sich nicht vielmehr in Wirklichkeit um nichts anderes handelt, als um die Begründung des Rechts der Beklagten, nach Vertrags- ende das Mietobjekt gegebenenfalls auf Kosten der Kläger zu reinigen und Ungeziefer beseitigen zu lassen. Offen kann auch bleiben, ob eine Vereinbarung im Mietvertrag, dass dem Vermieter eine künftige Besitzentziehung oder Besitzstörung durch Selbsthilfe gestattet sei, als wirksam angesehen werden kann. Wenn, nämlich bei Eingriff in den Besitz der Wille des Besitzers, eine solche Maßnahme zu gestatten, nicht mehr vorhanden ist, liegt trotz vorheriger Zusage im Vertrag verbotene Eigenmacht vor. Nach den Feststellungen des Berufsgericht war aber die Beklagten bei Abbruch des Schuppens und Auslagerung der Dekorationen am 30. 10. und 1. 11. 1967 mit diesen Maßnahmen nicht einverstanden. Ihr Geschäftsführer, der den Spielbetrieb fortsetzen wollte, hatte nämlich noch kurz vorher auf die Räumungsaufforderung vom 16. 10. 1967 um Gewährung von Räumungsaufschub gebeten.

Die Beklagten, die nach den Feststellungen des Berufsgericht glaubte, zur Durchsetzung ihres Räumungsanspruchs ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe berechtigt zu sein, haftet der Kläger für die Folgen der begangenen verbotenen Eigenmacht nach § 231 BGB. Welche Gründe dafür maßgebend waren, dass die Beklagten ein Selbsthilferecht annahm, ist nicht entscheidend. § 231 BGB bezieht sich sowohl auf Fälle des tatsächlichen als auch solche des rechtlichen Irrtums. Nach dem Zweck der Bestimmung, der darin zu sehen ist, dass derjenige, welcher Selbsthilfe übt, dies auf eigene Gefahr tut, fällt unter sie auch der Irrtum darüber, dass aus Gründen, die nicht in § 229 BGB aufgeführt sind, das Recht besteht, zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegzunehmen, zu zerstören oder zu beschädigen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Beklagten - was bisher nicht festgestellt ist - das Selbsthilferecht überhaupt aus § 11 Nr. 2 S. 2 des Mietvertrages herleitete. Im Rechtsstreit hat sie sich jedenfalls erst in zweiter Instanz auf diese Vertragsklausel berufen.

Das Berufsgericht hat die Vorschrift des § 254 BGB angewendet. Hiergegen bestehen keine Bedenken, obwohl Haftungsgrundlage § 231 BGB ist und diese Vorschrift Verschulden nicht voraussetzt. Wie der Senat in NJW 1977, 1236 WM 1977, 743, ausgeführt hat, kann nämlich mitwirkendes Verschulden auch einer Gefährdungshaftung entgegengesetzt werden. Die Ausführungen des Berufsgericht zu § 254 BGB halten der Nachprüfung aber deshalb nicht stand, weil das Berufsgericht auf der Seite der Beklagten nur die Unterlassung der Benachrichtigung vom Abbruch des Schuppens und das Unterlassen von Überwachungsmaßnahmen berücksichtigt hat, während nunmehr zusätzlich zu beachten ist, dass die Beklagten im Wege unerlaubter Selbsthilfe eine Zwangsräumung durchgeführt hat.