Mieter eines Hotels

Zur Frage, ob der Mieter eines Hotels die Kündigung des Mietvertrages aus wichtigem Grund darauf stützen kann, dass der Vermieter des Hotels nicht auf den Vermieter des Hotelinventars eingewirkt hat, Mängel des Inventars zu beseitigen.

Zum Sachverhalt: Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks. Er hat dort im Jahre 1970 ein Hotelgebäude errichtet, an das sich ein Supermarkt anschließt. Das Inventar war von einer Brauerei angeschafft worden, mit welcher der Kläger einen Verwaltervertrag abgeschlossen hatte.

Ende 1972 unterzeichnete der Erstbeklagte einen von der Brauerei vorgelegten formularmäßigen Pachtvertragsentwurf. Nach diesem Entwurf, der nur eine vorvertragliche Bindung der Beklagte dokumentieren sollte, gehörte das Inventar mit zum Pachtobjekt. Im Januar 1973 schlossen die Parteien den endgültigen Mietvertrag. Darin heißt es, der Mieter erkenne an, das Mietobjekt einschließlich Zubehör in gutem und gebrauchsfähigem Zustand übernommen zu haben. Im Vertrag ist vereinbart:

über die leihweise überlassenen Einrichtungsgegenstände wird seitens Mieter und der Brauerei eine Vereinbarung getroffen, in der auch die Verpflichtung zur Abnahme der von der Brauerei vertriebenen Biere und alkoholischen Getränke aufgenommen wird.

Die Beklagte rügten im März 1973 erstmalig gegenüber dem Kläger verschiedene Mängel des Hauses und des Inventars, u. a. der Entlüftung und des Kühlraums. Mehrere weitere Rügen über weitere Mängel folgten. Zusagen des Klägers und der Brauerei wurden nach Meinung des Beklagten nicht eingehalten. Nachdem auch das Ordnungsamt Abhilfefristen gesetzt hatte, erklärten die Beklagte im November 1973 die Anfechtung der Verträge und hilfsweise die Kündigung aus wichtigem Grund zum 31. 12. 1973. Sie bezogen sich auf die Ordnungsverfügung des Kreises und den bisherigen Schriftwechsel. Weiter führten sie aus: Eine dem Betrieb angemessene Kühlmöglichkeit sei immer noch nicht vorhanden. Die vorhandene Entlüftungsanlage sei unzureichend. Die Fensterreparaturen seien nicht ganz beendet worden. Ihnen sei vor Vertragsabschluss ein erzielbarer und vom Vorpächter erzielter Umsatz von monatlich etwa 80000 DM genannt worden. Darin liege eine arglistige Täuschung. Mitte Dezember 1973 stellten die Beklagte den Betrieb ein und zogen aus.

Mit der Klage hat der Kläger Mietzinszahlungen und Mietzinsrückstand geltend gemacht sowie die Feststellung begehrt, dass der Mietvertrag nicht wirksam angefochten oder gekündigt worden sei. Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil den Mietzinsanspruch dem Grunde nach für gerecht- fertigt erklärt und die vom Kläger begehrte Feststellung getroffen. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des Mietzinsanspruchs für Dezember 1973 das Grund-. urteil des Landgerichts bestätigt. Die Feststellungsklage und die Zahlungsklage, soweit mit ihr die Mietzinsansprüche ab 1. 1. 1974 geltend gemacht werden, hat es abgewiesen. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Aus den Gründen: 1. Das Berufungsgericht nimmt an, die Kündigung der Beklagte sei gerechtfertigt, weshalb dem Kläger ab 1. 1. 1974 kein Mietzins mehr zustehe. Der Kläger habe mehrfach gegen seine vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten verstoßen. Die Verstöße wögen in ihrer Gesamtheit so schwer, dass den Beklagten wegen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden könne. Vertragsverletzungen lägen in folgenden Verhalten:

Der Angestellte G der Brauerei, der Erfüllungsgehilfe des Klägers gewesen sei und dessen Erklärungen der Kläger sich deshalb anlasten lassen müsse, habe bei den Beklagten den Eindruck erweckt, dass ein Umsatz von annähernd 80000 DM monatlich erzielt werden könne. Diese Umsatzzahl sei weit überhöht gewesen. G habe fahrlässig gehandelt, weil er keinen Anhaltspunkt dafür gehabt habe, dass der Vorpächter auch nur annähernd einen solchen Geschäftserfolg erzielt habe. Dazu komme, dass die Vertreter der Brauerei bei den Vertragsverhandlungen nicht klargestellt hätten, dass das Inventar. im Vertrag von 1973 nicht mitvermietet sei. Auch hierdurch seien die Vertragsbeziehungen der Parteien erheblich belastet worden. Zu einer Klarstellung seien die Vertreter der Brauerei im Hinblick darauf gehalten gewesen, dass in dem Vertragsentwurf das Inventar als mitvermietet bezeichnet worden sei und die Klausel im Mietvertrag wegen des Hinweises auf eine leihweise Überlassung eher zu weiterer Irreführung geeignet gewesen sei. Als den Beklagten dann zwei Monate später der Vertrag über die Vermietung des Inventars vorgelegt worden sei, hätten sie keine andere Wahl gehabt, als zu unterschreiben. Zur Verschlechterung der Vertragsbeziehungen habe auch beigetragen, dass der Klägerauf die das Hotel betreffenden Mängelrügen der Beklagte nur sehr zögernd reagiert habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass es schwer gewesen sei, das Hotel rentabel zu führen und ihm deshalb habe bewusst sein müssen, dass die Beklagte besonders dringend auf ein einwandfreies Funktionieren des Betriebs angewiesen seien. Als besonders schwerwiegend müsse das Verhalten des Klägers in Bezug auf die Mängelrügen der Beklagte wegen des Inventars angesehen werden. (Es folgt die Aufzählung der Mängel.) Der Kläger sei gehalten gewesen, auf die Vermieterin des Inventars, die Brauerei einzuwirken, den beanstandeten Zustand schnellstens zu verbessern. Dass er in dieser Richtung tätig geworden sei, habe. der Klägernicht vorgetragen. Die Verpflichtung des Klägers, bei der Beseitigung der Mängel des Inventars mitzuwirken, ergebe sich daraus, dass die mit der Verwaltung des Hotels betraute Brauerei zu einer Vermietung des Hotels nur unter der Voraussetzung bereit gewesen sei, dass die Beklagte das Inventar entweder kauften oder mieteten.

2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Berufungsgericht führt nicht aus, aufgrund welcher gesetzlichen Vorschrift es die Kündigung als berechtigt ansieht. Das ist unschädlich. Die Berechtigung, ein Dauerschuldverhältnis wegen Zerstörung der Vertrauensgrundlage durch Vertragsverstöße des anderen Teils kündigen zu können, ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt und wird aus der Generalklausel des § 242 BGB abgeleitet (vgl. BGH, LM vorstehend Nr. 2 = NJW 1951, 836 = MDR 1951, 610).

b) aa) Entgegen der Auffassung der Revision können auch seit Einführung des § 544 a BGB jedenfalls Mietverhältnisse, die - wie hier - nicht Wohnraum betreffen, aus wichtigem Grund nach § 242 BGB gekündigt werden (vgl. Senatsurteil vom 26. 3. 1969 - VIII ZR 76/67 = LM § 554b BGB Nr. 1 = MDR 1969, 657).

bb) Dass das Berufungsgericht eine verzögerliche Mängelbeseitigung als beachtlich für die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses der Parteien angesehen und nicht geprüft hat, ob wegen der Mängel die Kündigung nach § 542 BGB gerechtfertigt war, ist nicht zu beanstanden. Auch § 542 BGB schließt die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund nicht aus (vgl. die Senatsurteil vom 30. 6. 1959 - VIII ZR 128/58 = LM § 542 BGB Nr. 1 = MDR 1959, 1005 = BB 1959, 868 und vom 15. 4. 1964 - VIII ZR 233/62 = LM § 32 KO Nr. 2 sowie RGRK, 12. Aufl., § 542 Rdnr. 17 und Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl., § 542 Rdnr. 2).

c) Der Begriff wichtiger Grund ist ein Rechtsbegriff. Die für seine Feststellung nötige Würdigung aller Umstände des Einzelfalles obliegt dem Tatrichter. Das RevGer. hat sowohl die richtige Anwendung des Rechtsbegriffs als auch die Frage nachzuprüfen, ob alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände frei von inneren Widersprüchen und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze berücksichtigt sind (vgl. BGH, Urteil vom 11.7. 1966-11 ZR 147/64 = WM 1966, 1051 und Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl., § 626 Rdnr. 11 und § 723 Rdnr. 41).

aa) Den Rechtsbegriff wichtiger Grund hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Es hat ihn auch richtig angewendet. Das Berufungsgericht hat sich an die Rechtsprechung des BGH gehalten, nach der ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vorliegt, wenn die Durchführung des Vertrages durch Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage durch das Verhalten eines Vertragsteiles derart gefährdet wird, dass sie dem Kündigenden auch bei strenger Prüfung nicht mehr zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. 2. 1963 - V ZR 100/61 = LM § 581 BGB Nr. 24 = NJW 1963, 1451 = MDR 1963, 576 = BB 1963, 573 und RGRK, 12. Aufl., § 553 Rdnr. 2 m. w. Nachw.).

bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, auch die Verletzung vorvertraglicher Pflichten dürfe bei der Gesamtwürdigung berücksichtigt werden, ist entgegen der Meinung der Revision nicht zu beanstanden. Für den Dienstvertrag ist es anerkannt, dass auch Umstände, die vor dem Beginn des Vertragsverhältnisses liegen, zur Rechtfertigung einer Kündigung aus wichtigem Grund herangezogen werden können (vgl. BAG, AP, § 626 BGB Nr. 65 und Palandt-Putzo, BGB, 36. Aufl., § 626 Anm. 4a). Es ist nicht einzusehen, weshalb für den Mietvertrag etwas anderes gelten sollte. Zwar kann Verschulden bei Vertragsabschluss zum Schadensersatz verpflichten. Das schließt aber entgegen der Meinung der Revision nicht aus, ein solches Verhalten auch bei der Entscheidung darüber, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung des Vertrages vorliegt, zu berücksichtigen. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass Umstände, die zur Begründung eines Schadensersatzanspruches geeignet sind, zur Rechtfertigung einer Kündigung nicht herangezogen werden dürfen, gibt es nicht. Die Auffassung der Revision, den Interessen der Beklagte werde durch die Gewährung eines Schadensersatzanspruches hinreichend Rechnung getragen, ist unrichtig. Wenn wegen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, darf der zur Kündigung Berechtigte nicht auf einen Schadensersatzanspruch verwiesen und damit gezwungen werden, am Vertrag festzuhalten.

cc) Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht das Verhalten der Angestellten der Brauerei bei den Vertragsverhandlungen als beachtlich angesehen hat. Der Kläger muss dieses Verhalten nämlich deshalb gegen sich gelten lassen, weil er die Brauerei mit der Verwaltung des Hotels beauftragt und zum Abschluss eines Mietvertrages bevollmächtigt hatte. Die Angestellten der Brauerei waren deshalb bei den Vertragsverhandlungen Erfüllungsgehilfen des Klägers, für deren Verschulden er einzustehen hat (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 36. Aufl., § 276 Anm. 6b ff m. w. Nachw.).

dd) Darauf, dass die Beklagte sich durch Minderung des Mietzinses einen Ausgleich hätten verschaffen können, beruft sich die Revision ebenfalls ohne Erfolg. Ist das Vertrauensverhältnis so zerstört, dass dem Mieter die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann, braucht er sich nicht mit einer Minderung der Miete zufriedenzugeben.

ee) Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger müsse dafür einstehen, dass die Brauerei die von den Beklagten gerügten Mängel des Inventars nicht behoben habe, greift die Revision ohne Erfolg an. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägersei gehalten gewesen, auf die Brauerei einzuwirken, die Mängel an der Kühlanlage und den Entlüftungsanlagen zu beheben, ist aus Rechtsgründen nämlich nicht zu beanstanden.- Das Berufungsgericht entnimmt eine solche Verpflichtung dem Umstand, dass die Brauerei, die einen Verwaltervertrag mit dem Kläger geschlossen hatte und für diesen den Mietvertrag über das Hotel abschloss, zu einer Vermietung des Hotels nur bereit war, wenn die Belt. das Inventar, das für das Hotel angeschafft worden und vom Vormieter bereits benutzt worden war, übernahmen. Wegen der sich daraus ergebenden engen Verflechtung der beiden Mietverträge bestehen gegen die Annahme einer Nebenpflicht des Klägers, dazu beizutragen, dass Mängel an für den Betrieb des Hotels und des Restaurants notwendigen Einrichtungen behoben wurden, keine Bedenken.

ff) Die Meinung der Revision, die Beklagte hätten dem Kläger noch eine Frist zur Beseitigung der noch vorhandenen Mängel des Inventars setzen müssen, teilt der Senat nicht. Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass die Lösung von einem langfristigen Vertrag grundsätzlich erst zulässig ist, wenn der andere Teil nachdrücklich auf die Folgen einer weiteren Nichterfüllung hingewiesen worden ist (Senatsurteil vom 10. 3. 1976 - VIII ZR 268/74 = LM § 242 [Bc] BGB Nr. 23 = MDR 1976, 834 = WM 1976, 508 [510]). Ist aber, wie hier vom Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum festgestellt, das Vertrauensverhältnis der Vertrags- teile bereits zerstört, bedarf es einer Nachfristsetzung nicht mehr. Der Vertrauensschwund kann nämlich auch durch eine Nachfristsetzung nicht behoben werden (vgl. Senatsurteil vom 19. 10. 1977- VIII ZR 42/76 = LM § 276 [Hb] BGB Nr. 24 = NJW 1978, 260 = MDR 1978, 305).

gg) Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob eine Kündigung aus wichtigem Grund auch auf Mängel der Mietsache gestützt werden kann, die im Zeitpunkt der Kündigung bereits behoben sind, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil das Berufungsgericht dem Kläger nicht das Bestehen von Mängeln an sich, sondern die verzögerliche Mängelbeseitigung angelastet hat.

hh) Auch die Angriffe der Revision gegen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind nicht gerechtfertigt.