Mitverschulden-Kraftfahrzeug
Zum Mitverschulden eines von einem Kraftfahrzeug angefahrenen Fußgängers, der die Fahrbahn nicht weit von einem Fußgängerüberweg zu überschreiten versucht hat.
Zum Sachverhalt: An einem Sonntag im Februar gegen 18 Uhr wollte der damals 82 Jahre alte Kläger einen 8 m breiten Parkgürtel überqueren. Der Erstbeklagte kam mit einem VW-Lkw des Zweitbekl., der bei der Drittbeklagte haftpflichtversichert ist, von einem. Verteilerkreis und verließ diesen nach rechts, indem er in den Parkgürtel einfuhr. Hier erfaßte er den Kläger Unmittelbar an der Einmündung befand sich ein durch Zebrastreifen gekennzeichneter Fußgängerüberweg. Nach dem Unfall lag der Kläger 14,9 m hinter diesem; der Lkw stand 17 m dahinter dicht am rechten Fahrbahnrand. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger den Fußgängerüberweg benutzt hatte und zwar aus der Sicht des Beklagten gesehen, von links nach rechts, oder ob er, wie der Beklagte es darstellt, etwa 15 in hinter dem Überweg plötzlich und unerwartet von rechts auf die Fahrbahn getreten war. Der Kläger erlitt schwere Verletzungen, die seine stationäre Behandlung erforderten und laufende ambulante Behandlung notwendig machen. Er hat alle Beklagte wegen seiner Heilungskosten und weiterer unfallbedingter Aufwendungen sowie die Beklagte zu 1) und 3) auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat einen Teilbetrag der Heilungskosten zuerkannt und das begehrte Schmerzensgeld abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagte - ausgehend von deren Haftung ausschließlich nach dem StVG und unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers - den vom Landgericht zuerkannten Betrag auf die Hälfte ermäßigt. Die Anschlussberufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg.
Aus den Gründen: Das Berufungsgericht hält nicht für erwiesen, dass den Beklagten ein Verschulden an dem Unfall trifft, so dass die Bell. nur nach den §§1, 18 StVG, § 3 Pf1VG zu haften brauchten. Jedoch treffe den Kläger ein hälftiges Mitverschulden. Dabei geht es von folgendem Beweisergebnis aus:
Die Gesamtumstände sprächen dafür, dass der Kläger die Fahrbahn von links nach rechts überquert habe und erst etwa 1-11/2 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt erfasst worden sei. Er sei jedoch nicht auf dem an der Abzweigung des Parkgürtels vom Verteilerring befindlichen Fußgängerüberweg gegangen; vielmehr habe er die Fahrbahn mehrere Meter dahinter überschritten. Dies ergebe sich einmal aus einer Zeugenaussage und zum anderen aus den Unfallspuren: Nach der Unfallskizze der Polizei habe der Kläger 14,9 in hinter dem Zebrastreifen gelegen, der Lkw sei - mit lediglich verdrehtem Außenspiegel - 2,10 m weiter zum Stehen gekommen. Weitere Unfallspuren seien nicht festgestellt worden. Der Kläger könne aber nicht nahezu 15 m mitgeschleift worden sein, ohne auf der Fahrbahn und am Lkw äußerlich erkennbare Unfallspuren zu hinterlassen, vielmehr sprächen die gesamten Umstände dafür, dass der Beklagte den Kläger bei einer Geschwindigkeit von 30-40 km/h einige Meter hinter dem Fußgängerüberweg erfasst habe.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision des Klägers nicht in allen Punkten stand.
Zwar ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht sich nicht davon zu überzeugen vermochte, dass der Kläger die Straße auf dem Zebrastreifen überquert habe. Die insoweit von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, erachtet sie aber nicht für durchgreifend.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung versteht der Senat das angefochtene Urteil dahin, dass es feststellt, der Kläger habe die Fahrbahn von links nach rechts überquert. Trotz dieser Feststellung will das Berufungsgericht dem Beklagten aber kein Verschulden anlasten. Es führt hierzu aus: Angesichts des im wesentlichen ungeklärt gebliebenen Unfallhergangs sei nicht erwiesen, dass der Beklagte sich schuldhaft verhalten habe. Er habe, falls er sich, als der Kläger die Fahrbahn betrat, noch im: Verteilerkreis befunden habe, diesen erst verhältnismäßig spät wahrnehmen können; weil erfahrungsgemäß die Scheinwerfer des Wagens beim Einbiegen nach rechts zunächst die linke Seite des Parkgürtels ausgeleuchtet hätten. Zu seinen Gunsten sei zu unterstellen, dass, als er weiter in die Straße eingefahren sei, der Kläger sich möglicherweise gerade in der sog. „Dunkelzone zwischen den Neonbogenleuchten- befunden habe und darum für ihn nur schwer zu erkennen war.. Diese Ausführungen sind nicht richtig.
Allerdings ist die vom Berufungsgericht gewonnene Überzeugung, dass der Kläger von rechts angefahren wurde, fehlerfrei. Das Berufungsgericht hat mit Recht dem Umstand, dass dieser nur an der rechten Körperseite verletzt wurde, entscheidungserhebliche Bedeutung zugemessen. Wäre der erste Anstoß mit dem rechten Außenspiegel des Lkws gegen die linke Körperseite des Klägers erfolgt, so hätte dies eine deutliche Verletzung auch an dieser Körperseite des Klägers hervorrufen müssen. Das ist jedoch nicht der Fall.
Hatte aber der Kläger den Parkgürtel von links nach rechts überquert und im Zeitpunkt des Zusammenstoßes bereits 6,50 m bis 7m auf der Fahrbahn zurückgelegt, so hat sich der Beklagte fahrlässig verhalten. Da seine Sicht auf- den Kläger nicht durch irgendwelche Umstände versperrt war, hätte er ihn rechtzeitig sehen können und auch, wenn er genügend aufmerksam gefahren wäre und seine Geschwindigkeit der besonderen Lage angepasst hätte, sehen müssen. Zwar muss, da die genaue Lage der Überquerung ungeklärt ist, zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass der Kläger sich in einer sog. Dunkelzone, d: h. einem durch künstliche Lichtquellen nicht ausgeleuchteten Raum befand, in welchem: erfahrungsgemäß Fußgänger bei regnerischem Wetter, zu- mal wenn sie dunkle Kleidung tragen, nur schwer zu erkennen sind. Auch ist dem Mdl. zugute zu halten, dass sich die Gefahr, wenige Meter hinter dem Fußgängerüberweg könne ein Fußgänger die Fahrbahn überschreiten, nicht gerade aufdrängte. Gleichwohl gehört es zu den Pflichten eines Kraftfahrers, auch einer solchen ungünstigen Konstellation, durch gesteigerte Sorgfalt und Herabsetzung seiner Geschwindigkeit Rechnung zu tragen. Aus der goldenen Regel, des Verkehrs auf Sicht zu fahren, folgt, dass sich der Beklagte, wenn die Lichtkegel der Scheinwerfer während des Einbiegens die rechte Fahrbahnseite nicht ausleuchteten, nicht auf deren normale Reichweite verlassen durfte; sondern seine Geschwindigkeit so einrichten musste, dass er auch vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis noch anhalten konnte, Der Kläger kann, daher gemäß §§ 823, 847 BGB auch Zahlung eines Schmerzensgeldes verlangen.
Auch kann die Schadenabwägung des angefochtenen Urteils nicht bestehen bleiben.
Das Berufungsgericht sieht das Mitverschulden des Klägers darin, dass er die Fahrbahn nicht auf dem Fußgängerüberweg, sondern in einem Bereich überschritten hat, der zumindest 3-4 m und höchstens, 15 m vom Fußgängerüberweg entfernt war. Dies greift die Revision ohne Erfolg an.
Zwar kann im Streitfall dahingestellt bleiben; ob das Gebot, die Fahrbahn nur auf dem Fußgängerüberweg zu überqueren, schon aus der Vorschrift des § 37 II 2 StVO a. F. folgt. Die Straßenverkehrsordnung bestimmt nicht näher, was unter dem Begriff an Kreuzungen und Einmündungen zu verstehen ist. Dessen Einzugsbereich ist umstritten: Teils wurde eine Entfernung von wenigen. Metern noch als zur Kreuzung gehörig angesehen; dagegen haben das KG und das Oberlandesgericht Celle, dies für eine Entfernung von 10m und das Oberlandesgericht Saarbrücken für eine solche von 22 m verneint. Im Streitfall ist bei. Prüfung, des dem Kläger zu beweisenden Mitverschuldens, da die genaue Stelle, an der er die Fahrbahn überschritt, nicht festgestellt werden konnte, eine Entfernung von 15 m als der- ihm günstigere Sachverhalt zugrunde zulegen. Ob, dann auch gesagt werden kann, er habe die Fahrbahn an der Kreuzung über- schritten, erscheint fraglich. Dies bedarf jedoch hier keiner abschließenden Stellungnahme. Gleichfalls kraucht nicht entschieden zu wenden, ob der Kläger etwa deshalb verpflichtet war, den Fußgängerüberweg zur Überquerung zu benutzen, die Verkehrslage, es erforderte. Zwar umfasst der Begriff Verkehrslage wie sich raus; der Anatl. Begründung zu dieser durch die Verordnung vom 30. 4. 1964 eingefügten Vorschrift ergibt- entgegen der Meinung von Jagusch und Cramer sowie Booß nicht nur die Verkehrsdichte und die zu erwar- tende Fahrgeschwindigkeit; die, Amtl. Begründung führt nämlich au- ßer diesen beiden an erster Stelle erwähnten:Beispielev ausdrücklich sonstige schwierige. Verkehrslagen an. Ob hietzu aber auch; wie BayOb,G, Oberlandesgericht Hamm, Müller, Ktumme:Sanders-Mayer und Mühlhaus; meinen rungünstige Sichtverhältnisse gehören, also Umstände, die mit dem eigentlichen Verkehrsablauf nicht unmittelbar zusammenhängen; ist zweifelhaft.
Jedenfalls trifft den Kl, nach § 254 BGB ein Mitverschulden, weil er die Sorgfalt außer acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, um sich vor Schaden zu bewahren.
Die mit § 37II StVO a. F. angestrebte Bündelung des Fußgängerquerverkehrs an Kreuzungen, Einmündungen und markierten Fußgängerüberwegen, die sowohl dem Interesse der Fußgänger als auch der Sicherheit und Flüssigkeit des Fahrverkehrs dient, beruht auf der Erwägung, dass Kraftfahrer an diesen Stellen ohnehin langsamer und mit gesteigerter Aufmerksamkeit fahren und, da sie mit querenden Fußgängern zu rechnen haben, auf diese besondere Rücksicht nehmen müssen. Infolgedessen ist aber die Aufmerksamkeit der Kraftfahrer an anderen Stellen der Fahrbahn nicht in erster Linie auf Fußgänger eingestellt. Dem müssen diese - zumal wenn sie wie der Kläger hochbetagt und damit nicht mehr so beweglich und reaktionsfähig sind wie jüngere Verkehrsteilnehmer - Rechnung tragen. Im Streitfall kommt noch hinzu, dass es sich bei dem Parkgürtel um eine bedeutende Verkehrsstraße handelt, auf der bei Kraftfahrern, insbesondere nach Passieren des Verteilerringes, mit schnellem Fahren zu rechnen war, und dass die gegenseitige Wahrnehmungsmöglichkeit durch Dunkelheit und regnerisches Wetter erschwert war. Fußgänger sind für Kraftfahrer bei Dunkelheit, Regen und schlechter oder einseitiger Fahrbahnbeleuchtung, zumal wenn sie nicht auffallend helle Kleidung tragen, wie wissenschaftliche Forschungen stets neu beweisen, nur schwer wahrzunehmen. Dies traf auch im Streitfall zu. Die Sicht war nicht nur für den Beklagten erschwert, sondern auch für den Kläger, da er einen aufgespannten Regenschirm in der Hand hielt, der ihn in seiner Sicht behinderte. Alle diese Umstände machten es erforderlich, dass der Kläger, schon um sich vor Schaden zu bewahren, den höchstens 15 m entfernten Fußgängerüberweg hätte benutzen müssen. Dabei kommt es letztlich nicht darauf an, ob dies für ihn einen Umweg bedeutete, den in Kauf zu nehmen ihm angesichts der möglichen Kollisionsgefahr beim Überschreiten der Fahrbahn außerhalb des geschützten Bereiches des Fußgängerüberweges unbedingt zuzumuten war.
Bei der somit neu vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Schadensverursachungsbeiträge, die das RevGer. im vorliegenden Fall selbst vornehmen konnte, war davon auszugehen, dass das Verschulden des Klägers und dasjenige des Beklagten etwa gleich hoch zu bewerten ist: einerseits hatte der Kläger, als er angefahren wurde, die Fahrbahn schon weitgehend überschritten, andererseits war der Beklagte in dem hier in Betracht kommenden Bereich hinter dem Fußgängerüberweg nicht auf querende Fußgänger gefasst, auch war der Kläger angesichts der Witterungsverhältnisse nur schwer wahrzunehmen. Da aber zu Lasten der Beklagte weiterhin die erheblich ins Gewicht fallende Betriebsgefahr zu berücksichtigen ist, die es nach Meinung des Berufungsgerichts allein rechtfertigte, die Beklagte nach dem StVG zur Hälfte haften zu lassen, hält der Senat eine Schadensteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Beklagte für angemessen.