Nachbargemeinde

Die Grenzen des für eine betroffene Nachbargemeinde Zumutbaren sind auch durch ein von der planenden Gemeinde etwa 13 km südöstlich davon ausgewiesenes Sondergebiet für einen Verbrauchermarkt in der Regel eingehalten; sie halten sich für die Gemeinden im Einzugsbereich des Verbrauchermarktes im Rahmen dessen, was sie als zumutbar hinnehmen müssen, wenn sich die wirtschaftlichen Auswirkungen in vielfältiger Weise auch auf andere Gemeinden erstrecken können. Dies gilt jedenfalls, wenn zum Schutz der Planungshoheit der einen Gemeinde die Planungshoheit der anderen unverhältnismäßig zurückgedrängt werden müsste. Unter diesem Blickwinkel stellen sich Schwierigkeiten, die durch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Marktes für eine Stadtgestaltung in der Umgebung, namentlich für die Altstadtsanierung der Nachbargemeinde, entstehen können, letztlich als eine noch zumutbare Erschwerung der Planung dar. Soweit Abstimmungsdefizite, die auf selbstbindende, offensichtlich eine bestimmte Planung in bestimmter Richtung beeinflussende Entscheidungen zurückgehen, unter bestimmten Voraussetzungen mit § 1 Abs. 6 vereinbar sind, gilt für das Abstimmungsgebot nach § 2 Abs. 2 insoweit nichts anderes.

Bei Auslegung des Begriffs benachbarte Gemeinden ist auszugehen von dem Zusammenhang, der für die Auslegung der Vorschrift schlechthin bestimmend zu sein hat. Insoweit kommt es bei dem zunächst objektiven Abstimmungsgebot des Abs. 2 auf den die Planungshoheit abdeckenden Sinn der Vorschrift an. Bestimmend ist nicht, wie bei der formellen Seite der Abstimmung, dass Gemeinden irgendwie potentiell von der Planung berührt werden können, sondern, ob die mögliche Belastung die Grenzen des Zumutbaren überschreitet, m. a. W. die Schutzwürdigkeit der gemeindlichen Planungshoheit. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass im Bereich von Gemeindegrenzen eine gewisse Lastenkommunikation stattfindet oder doch stattfinden kann. Damit ist der Kreis der benachbarten Gemeinden i. S. der Vorschrift nicht auf die bloß an die planende Gemeinde angrenzenden Gemeinden beschränkt, er kann im Einzelfall vielmehr darüber hinausgehen. Bei der Planung emissionsträchtiger gewerblicher Anlagen oder von sonstigen Großprojekten kann sich der Kreis u. U. auf viele Kilometer entfernt liegende Gemeinden erstrecken. Deshalb muss Abs. 2 erweiternd dahin ausgelegt werden, dass es einer Abstimmung unabhängig davon, ob bei der Nachbargemeinde bereits Bauleitpläne oder doch bestimmte planerische Vorstellungen bestehen, immer dann bedarf, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art. Das vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich verbürgten Planungshoheit der Gemeinden zu sehende Abstimmungsgebot begründet ein Recht auf Beachtung der gemeindlichen Planungshoheit als abwägungsbeachtlichen Belang. Als ein dem Wesen jeder rechtsstaatlichen Planung innewohnender Grundsatz ist das Abwägungsgebot auch insoweit im Bundesverfassungsrecht abgesichert und gilt somit für jede hoheitliche Planung schlechthin. Mit der Verankerung und Hervorhebung der Abstimmungsklausel in einem bes. Abs. hat letztere im Zusammenhang mit § 1 Abs. 6 eine besondere, ihrer Bedeutung gerecht werdende Ausprägung erhalten. Eine Planung, die dem Abstimmungsgebot entspricht, entspricht damit auch dem für das interkommunale Abwägungsgebot gleichfalls geltenden, sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit Verfassungsrang. Unmittelbar aus der den Gemeinden nach § 2 Abs. 1 zustehenden Planungshoheit ergeben sich nach der Rspr. des BVerwG klagefähige Rechte in dem Sinn, dass die Gemeinden Eingriffe in ihre Planungshoheit unter Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes abwehren können. Ebenso wie bei einer staatlichen Planung können auch Auswirkungen der Bauleitplanung einer benachbarten Gemeinde zu einem Eingriff in ihre Planungshoheit führen.

Der Anspruch, der seine materielle Rechtsgrundlage darin findet, dass die Planung unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf das Gebiet der Nachbargemeinde haben kann, kann verwaltungsgerichtlich mit der vorbeugenden Feststellung oder aber Unterlassungsklage gegen einen noch nicht existenten Bebauungsplan geltend gemacht werden, vorausgesetzt, dass ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse besteht. Das gemäß § 43 VwGO erforderliche Interesse an baldiger Feststellung wird dabei insoweit bejaht, als durch sie künftigen Rechtsverletzungen vorgebeugt werden kann. Die Schutzwürdigkeit der gemeindlichen Planungshoheit steigert sich zwar, wenn sie durch den Erlass von Bebauungsplänen ausgeübt wurde; ihre Schutzwürdigkeit überhaupt hängt aber davon nicht ab. Unter Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte ist auch eine vorbeugende Klage auf Unterlassung insofern möglich, als die Nachbargemeinde verurteilt werden kann, bestimmte Festsetzungen, also nicht die Planung schlechthin, zu unterlassen. Zwar ist grundsätzlich ein Bedürfnis dafür, dass auf vorbeugende Unterlassungsklage eines Bürgers hin einem Rechtssetzungsorgan der Erlass einer Norm untersagt wird, nicht anzuerkennen. Das BVerwG hat die insoweit einzig denkbare Anspruchsgrundlage, § 1 Abs. 6 und 7 BBauG - nunmehr analog § 1 Abs. 5 und 6 BauGB - dahin ausgelegt, dass dem Bürger kein gerichtlich verfolgbarer Anspruch auf Einstellung seiner Belange in die Abwägung, zusteht. Etwas anderes gilt jedoch für eine Gemeinde, die in Wahrung des ihr - als Ausfluss der Planungshoheit und zu deren Schutz - eingeräumten Rechts auf Abstimmung der von einer Nachbargemeinde beabsichtigten Aufstellung eines Bebauungsplans entgegentritt. Soll der Abstimmungsanspruch nicht an Bedeutung oder gar seinen Sinn und Zweck verlieren, so muss es einer gleichgeordneten Gemeinde möglich sein, durch vorbeugende Unterlassungsklage auch in ein laufendes Normgebungsverfahren einzugreifen.