Naturalverbindlichkeiten

1. Wenn eine Bank, die Gewinne aus Differenzgeschäften schuldet, diese dem bei ihr geführten Girokonto des Gläubigers gutschreibt, entstehen nur Naturalverbindlichkeiten.

2. Durch die Anerkennung des Saldos eines Girokontos entsteht keine klagbare Forderung, wenn in dem Saldo nur Gewinne aus Differenzgeschäften enthalten sind.

3. Auch die Anlage eines aus Differenzgeschäften herrührenden Giroguthabens auf einem Festgeldkonto bei derselben Bank erzeugt keine klagbare Verbindlichkeit für den Gläubiger.

Zum Sachverhalt: Der Kläger erhebt Anspruch auf Guthaben, die sich auf einem Girokonto und einem Festgeldkonto bei der beklagten Bank befanden, die 1974 die Schalter schloss. Die beiden Konten hatte der Kläger, der damals Devisenhändler bei einer schweizerischen Bank war, unter dem Namen seiner Schwiegermutter K im Jahre 1973 bei der Beklagte eröffnet. In der Folge kamen zwischen dem Kläger und der Beklagte, ebenfalls unter dem Namen der Schwiegermutter, acht Devisentermingeschäfte zustande. Sämtliche Geschäfte endeten mit einem Verlust für die Beklagte. Die Gewinne des Klägers wurden zunächst dem Girokonto gutgeschrieben und sodann, neben anderen Einlagen des Klägers, teilweise auf dem Festgeldkonto angelegt. Das Guthaben auf dem Girokonto bestand ausschließlich aus Gewinnen aus den Devisentermingeschäften. Aus dem Festgeldkonto stammten etwa die Hälfte nicht aus Devisengeschäften. Diesen Betrag anerkannte die Beklagte im Vergleichsverfahren und zahlte den der Vergleichsquote entsprechenden Anteil aus. Den Restbetrag und das Guthaben auf dem Girokonto stornierte die Beklagte, weil der Kläger keinen Anspruch auf die Gewinne habe. Der Kläger verlangt unter Berücksichtigung der Vergleichsquote Zahlung des streitigen Betrages. Die Beklagte hat im Wesentlichen eingewandt, die Devisentermingeschäfte seien gemäß § 138 BGB nichtig, weil der Klägermit ihren ungetreuen Devisenhändlern zusammengewirkt habe, die den Geschäften zu Lasten der Beklagte marktabweichende Kurse zugrunde gelegt hätten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die Parteien streiten nur noch darüber, ob dem Kläger Ansprüche aus eigenem Recht gegen die Beklagte zustehen. Zu den Erörterungen des Berufungsgerichts über die vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus abgetretenem Recht der Frau K bestand kein Anlass mehr, nachdem im Berufungsrechtszug unstreitig geworden war, dass nach dem Willen der Vertragschließenden der Kläger der Vertragspartner der Beklagte war und nicht die nur zum Schein vorgeschobene Frau K. Gern. § 117 II BGB kommen daher nur unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien in Betracht.

II. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich nicht schon aus dem Vortrag des Klägers die Sittenwidrigkeit der zwischen den Parteien abgeschlossenen Rechtsgeschäfte. Der Kläger hat behauptet, er habe geplant, bei der Beklagte ein Bankkonto zu eröffnen, da er als deutscher Staatsangehöriger aus familiären Gründen sich häufig in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe. Anlässlich eines Gesprächs habe der Chefdevisenhändler der Beklagte, D, ihm angeboten, Devisengeschäfte über das geplante Kontokorrentkonto laufen zu lassen. Da er bei der schweizerischen Bank für den gesamten Devisenhandel mit der Bundesrepublik Deutschland zuständig gewesen sei, habe er seine privaten Devisengeschäfte nur mit äußerster Diskretion abwickeln können Seine Arbeitgeberin würde nämlich die Bankverbindung zur Beklagten nicht akzeptiert haben und Dritte hätten die Möglichkeit gehabt, aus seinen Transaktionen Rückschlüsse auf die zu erwartende Geschäftspolitik seines Hauses zu ziehen. Deshalb habe D vorgeschlagen, die Bankverbindung unter dem Namen eines Strohmannes zu führen, was dann auch geschehen sei. Das Berufungsgericht schließt daraus, durch diese Vereinbarung hätten der Beklagte Vorteile im Wettbewerb mit der schweizerischen Bank zufließen sollen, indem ihr die Möglichkeit verschafft worden sei, Einblick in die Devisenpolitik dieses Wettbewerbs zu nehmen. Der Beklagte sei es deshalb darauf angekommen, gerade den Kläger als spekulierenden Kunden zu gewinnen. Dieses Verhalten verstoße gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs und sei sittenwidrig. Die tatsächlichen Schlussfolgerungen, die das Berufungsgericht aus dem Vortrag des Klägers zieht, sind nicht möglich. Der IC1. hat damit nur darlegen wollen, dass er der wahre Vertragspartner der Beklagte und Frau K lediglich vorgeschoben worden war. Dass die Beklagte gerade den Kläger als Kunden gewinnen und damit sich Einblick in die Geschäftspolitik der schweizerischen Bank hat verschaffen wollen, folgt daraus nicht. Es liegt auch ganz fern, dass die Beteiligten, falls sie eine solche Absicht gehabt hätten, dazu einen derart umständlichen, unsicheren und unpraktischen Weg gewählt hätten. Dass solche Zwecke mit den Geschäften nicht verfolgt sein können, ergibt sich zudem aus dem vom Berufungsgericht unter Verletzung von § 286 ZPO nicht gewürdigten Vortrag des Klägers, er habe bei den einzelnen Devisengeschäften bis auf zwei Ausnahmen nicht selbst mitgewirkt, die Angebote seien jeweils von der Beklagte ausgegangen; er selbst sei stets einige Tage später von Frau K über die Einzelheiten der Geschäfte unterrichtet worden. Davon abgesehen, hat sich auch nach dem Vorbringen der Beklagte das Zusammenwirken des Klägers mit ihren Angestellten nicht gegen die schweizerische Bank gerichtet, sondern diese haben mit dem Kläger zusammengearbeitet, um die Beklagte zu schädigen. Die Begründung des Berufungsgerichts trägt somit die Abweisung der Klage nicht.

III. Das klagabweisende Berufungsurteil kann nach dem derzeitigen Stande des Rechtsstreits auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden.

1. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht festgestellt, ob - wie die Beklagte behauptet - der Kläger im ein verständlichen Zusammenwirken mit dem Devisenhändler D die Beklagte geschädigt hat, in dem dieser den Devisengeschäften vereinbarungsgemäß zum Nachteil der Beklagte marktabweichende Kurse zugrunde legte. Hierauf kann es allerdings im weiteren Verlauf des Rechtsstreits ankommen, zumal die von der Beklagte im einzelnen dargelegten Kursabweichungen den Gedanken nahelegen, dass es sich in Wirklichkeit gar nicht um echte Risikogeschäfte, sondern um verkappte Zuwendungen an den Kläger handelt.

2. Ohne weitere tatsächliche Feststellungen kann bislang auch nicht davon ausgegangen werden, die Forderungen des Klägers aus den Devisengeschäften seien nicht klagbare Naturalverbindlichkeiten. Bei den verbuchten Devisengeschäften hat es sich - jedenfalls der Form nach - um sogenannte verdeckte Differenzgeschäfte gehandelt, bei denen der Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis eines Geschäftes und dem des Gegengeschäftes von dem einen oder anderen Teil geleistet werden sollte. Solche Geschäfte sind als Differenzgeschäft i. S. von § 764 BGB anzusehen, wenn durch sie - wie hier - anstelle der vereinbarten Leistung aus den Schwankungen des Marktes Gewinn erzielt werden soll (vgl. BGHZ 58, 1 [2] = LM vorstehend Nr. 2 = NJW 1972, 382). Dennoch kann die Beklagte den Differenzeinwand aus §§ 762, 764 BGB nicht ohne weiteres erheben, weil er, wenn der Vortrag des Klägers richtig ist, durch § 58 BörsG ausgeschlossen ist. Gern. § 96 I BörsG gelten die für den Börsenterminhandel mit Wertpapieren getroffenen Bestimmungen des Gesetzes auch für ausländische Zahlungsmittel. Nach der Behauptung des Klägers haben die Geschäfte mit der Beklagte übliche Devisentermingeschäfte zum Gegenstand. Dabei handelt es sich um sogenannte inoffizielle Börsentermingeschäfte, da es an den Börsen in der Bundesrepublik Deutschland einen amtlich zugelassenen Devisenterminhandel nicht gibt (vgl. Franke, Betr 1975, 1542; Lüer, WM Sonderbeil. Nr. 1/77, S. 7; Schwark, BörsG, § 96 Anm. 5). Die für ein Börsentermingeschäft notwendige Beziehungen zu einem Terminmarkt, der es ermöglicht, jederzeit ein völlig gleiches Gegengeschäft abzuschließen (vgl. Senat, WM 1965, 766) liegt bei den üblichen Devisentermingeschäften vor. Solche Geschäfte werden vor allem im Telefonhandel außerhalb des amtlichen Verkehrs an den Devisenbörsen gehandelt. Der inländische Devisenterminhandel steht dabei regelmäßig in Verbindung mit den internationalen Handelsplätzen und Terminmärkten, die jederzeit den Abschluss eines Gegengeschäfts ermöglichen (vgl. Franke, Betr 1975, 1542; Lüer, WM Sonderbeil. Nr. 1/77, S. 7; Schwark, Einl. §§ 50 bis 70 Anm. 11, § 92 Anm. 5).

Die unterstellten Devisentermingeschäfte sind gemäß § 53 BörsG verbindlich. Nach dieser Vorschrift ist ein Börsentermingeschäft verbindlich, wenn auf beiden Seiten als Vertragschließende Vollkaufleute beteiligt sind. Diesen stehen gemäß § 53 II Nr. 2 BörsG Personen gleich, die im Inland zur Zeit des Geschäftsabschlusses weder einen Wohnsitz noch eine gewerbliche Niederlassung haben. Dies war unstreitig beim Kläger der Fall. Der Umstand, dass die Geschäfte gemäß § 53 BörsG verbindlich sind, besagt indessen noch nicht, dass gegen sie grundsätzlich auch der Differenzeinwand nicht erhoben werden könnte. Gern. § 58 BörsG ist dieser Einwand lediglich für offizielle Börsentermingeschäfte, die gemäß § 53 BörsG verbindlich sind, ausgeschlossen. Gegen inoffizielle Börsentermingeschäfte kann er dagegen erhoben werden, wenn es sich um Differenzgeschäfte handelt. Dies gilt indessen nicht für Börsentermingeschäfte in Devisen. Nach § 96 111 BörsG kann bestimmt werden, dass die Vorschrift des § 58 BörsG auch auf Börsentermingeschäfte in ausländischen Zahlungsmitteln, die zum Börsenterminhandel nicht zugelassen sind, Anwendung findet. Von dieser Ermächtigung hat die Reichsregierung durch die Verordnung des Reichswirtschaftsministers vom 17. 3. 1925 (RGB1 I, 20) Gebrauch gemacht. An der Weitergeltung der Verordnung gemäß Art. 123 GG bestehen keine Zweifel (ebenso Franke, Betr 1975, 1542 Fußn. 31; Schwark, § 96 Anm. 5). Danach sind die inoffiziellen Börsentermingeschäfte in Devisen hinsichtlich des Differenzeinwandes den offiziellen Börsentermingeschäften gleichgestellt worden. Der Einwand ist also ausgeschlossen, wenn die Vertragschließenden - wie hier - börsentermingeschäftsfähig sind.

IV. Es kommt sonach für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die weiteren Einwendungen der Beklagte an, die das Berufungsgericht bislang nicht geprüft hat. Deshalb muss die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Aufgrund der Sachdarstellung der Beklagte, dass den Devisengeschäften mit dem Kläger marktabweichende Kurse zugrunde gelegt worden seien, könnte - wenn sich daraus nicht ohnehin ergibt, dass solche Geschäfte gar nicht getätigt worden sind (vorstehend III 1) - Anlass zur Prüfung der Frage bestehen, ob die Geschäfte überhaupt zu einem Terminmarkt im erörterten Sinne in Beziehung standen. Wäre dies nicht der Fall gewesen, würde es sich nicht um Börsentermingeschäfte, sondern allenfalls um sogenannte verdeckte Differenzgeschäfte gemäß § 764 BGB gehandelt haben. Dies hätte zur Folge, dass das Börsengesetz nicht anzuwenden und deshalb der Differenzeinwand gemäß §§ 764, 762 BGB zulässig wäre. Diesem gegenüber würde der Einwand, die Beklagte habe ihre Schuld aus den Geschäften erfüllt (§ 762 1 2 BGB), nicht durchdringen.

Entgegen der Ansicht der Revision hat die Beklagte die aus den Devisengeschäften geschuldeten Gewinne nicht durch Gutschrift auf dem Girokonto des Klägers endgültig geleistet. Die Gutschrift auf dem Girokonto ist ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis der Bank gegenüber dem Kunden. Die Bank, die Gewinne aus Differenzgeschäften schuldet und diese dem bei ihr geführten Girokonto des Gläubigers gutschreibt, bewirkt dadurch lediglich eine Ersatzerfüllung, indem sie zum Zwecke der Erfüllung eine neue Verbindlichkeit vereinbart. Dabei handelt es sich aber gemäß §§ 764, 762 11 BGB wieder nur um eine Naturobligation. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Gutschriften inzwischen in ein Saldoanerkenntnis eingegangen sind. Die Anerkennung eines Saldos erzeugt keine klagbare Forderung, soweit in ihm das Ergebnis klagloser Geschäfte enthalten ist (vgl. RGZ 132, 218 m. w. Nachw.). Da über das Girokonto des Klägers unstreitig nur Gewinne aus den Devisengeschäften verbucht worden sind, sind etwaige Saldoanerkenntnisse insgesamt nicht verbindlich. Die Beklagte könnte also der Klage, soweit diese auf das Guthaben des Girokontos gestützt ist, den Differenzeinwand mit Erfolg entgegenhalten. Das gleiche gilt für die noch streitige Forderung auf das Guthaben des Festgeldkonto S. Es handelt sich dabei ebenfalls unstreitig um Beträge, die vom Girokonto umgebucht worden sind, also aus Gewinnen aus den Devisengeschäften herrühren. Durch die Vereinbarung, diese Gelder auf einem Festgeldkonto anzulegen, konnte keine verbindliche Rückzahlungsverpflichtung der Beklagte bei Fälligkeit begründet werden. Denn ebenso wenig wie ein aus unwirksamen Börsentermingeschäften herrührender Debetsaldo eines Kontokorrents als rechtlich wirksame Grundlage dienen kann für eine Vereinbarung, dass der Saldobetrag als Darlehen geschuldet werden solle (RG, JW 1902, 369; RG, BankA XIV, 417 [418]), kann das aus unverbindlichen Differenzgeschäften herrührende Guthaben des Bankkunden rechtlich wirksame Grundlage einer Vereinbarung sein, durch die, wie bei der Festgeldanlage, eine schuldrechtliche Rückzahlungsverpflichtung der Bank begründet werden soll. Die Schuld aus einem Differenzgeschäft ist erst erfüllt i. S. von §§ 764, 762 12 BGB, wenn das Schuldverhältnis endgültig und unbedingt gelöst ist und keine weitere persönliche Verbindlichkeit des Schuldners zurückbleibt (vgl. Seibert, in: RGRK, 12. Aufl., § 762 Anm. 7). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.