Naturschutzgebiet

Zur Sittenwidrigkeit von Grundstücksgeschäften ins Hinblick auf einen außergewöhnlichen Kaufpreis.

Zum Sachverhalt: Die Kläger kaufte am 20. 1. 1973 von dem Beklagten eine rund 3500 qm große Streuwiese im Naturschutzgebiet Wollmatinger Ried am Bodensee für 88 DM/qm, insgesamt 280000 DM. Sie unterwarf sich wegen des Kaufpreises der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der notariellen Vertragsurkunde.

Das Grundstück liegt am so genannten Seerhein. Von der Grenze des Naturschutzgebiets ist es zwischen 45 und 100 m entfernt. Der Flächennutzungsplan der benachbarten Stadt Konstanz sieht eine Wohnbebauung bis an die Grenze des Naturschutzgebiets vor. In diesem Gebiet ist es seit 1938 unter anderem verboten, zu bauen und zu baden. Im notariellen Vertrag heißt es: Der Käuferin ist bekannt, dass das Grundstück im Naturschutzgebiet liegt.

Nach ihrer Darstellung erfuhren die Kläger am 25. 1. 1973 bei einem Anruf des zuständigen Gemeindebürgermeisters, dass sie auf dem Grundstück nicht bauen und an seinem gegenwärtigen Zustande nichts verändern dürfe. Sie ließ ihre Schecks über die Anzahlung von 80000 DM sperren und verweigert seither die Erfüllung des Vertrages. Der Beklagten vollstreckt wegen des Kaufpreises aus der Kaufurkunde. -

Das Landgericht hat auf Antrag der Kläger die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Kläger blieb erfolglos.

Aus den Gründen: Der Berufungsrichter hält den Kaufvertrag für wirksam. Er hat nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Beklagten Unerfahrenheit oder Leichtsinn der Kläger ausgebeutet oder in verwerflicher Gesinnung einen hohen Vorteil aus dem Geschäft gezogen hat.

Er unterstellt, dass zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und dem Vertragspreis von 80 DM/qm ein auffälliges Missverhältnis besteht. Die Kläger, die selbständig eine ihr gehörende Apotheke führe und bereits mehrere Grundstücke erworben habe, sei aber nicht unerfahren i. S. des § 138 II BGB; ein Mangel an Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet, etwa hinsichtlich der Strenge des Naturschutzes, genüge nicht. Gegen diese rechtsirrtumsfreie Würdigung bringt auch die Revision nichts vor.

Sie ist der Auffassung, dass der Berufungsrichter die Ausbeutung von Leichtsinn zu Unrecht verneint habe. Hierzu sagt das angefochtene Urteil, es könne nicht festgestellt werden, dass die Kläger leichtsinnig gehandelt, insbesondere sich gedankenlos über die Schwierigkeiten, in einem Naturschutzgebiet eine Bauerlaubnis zu bekommen, hinweggesetzt hat. Nach der glaubwürdigen Bekundung des Notars sei sie bei der Beurkundung von ihm und von dem Beklagten mit aller Deutlichkeit auf die gegenwärtige Unbebaubarkeit und die weitgehenden sonstigen Nutzungsbeschränkungen hingewiesen worden. Der Beklagten habe auf ihre Entgegnung, sie wolle ohnehin erst in einigen Jahren bauen, zum Ausdruck gebracht, nach seiner Meinung werde auch dann eine Bebauung nicht in Frage kommen. Die Kläger habe aber erklärt, sie hoffe auf Grund einer Auskunft des Gemeindebürgermeisters, später doch einmal bauen zu dürfen.

Selbst wenn man, so wird abschließend gesagt, unterstelle, dass sich die Kläger leichtsinnig über diese Schwierigkeit hinweggesetzt habe, könne nicht festgestellt werden, dass der Beklagten sich dessen bewusst gewesen sei. Denn er habe das kundgebende Vertrauen in die Auskunft einer Behörde nicht als leichtfertig anzusehen brauchen: das Kaufgrundstück liege am Rande des Naturschutzgebiets und in unmittelbarer Nähe eines künftigen Baugebiets der Stadt Konstanz; auch nach der Auffassung des Berufungssenats bestehe weit eher die Chance, dass es Bauland werde, als bei einem Grundstück im Kern des Naturschutzgebiets. Der Beklagten habe davon ausgehen dürfen, dass die Kläger als erfahrene Geschäftsfrau Erkundigungen über das mit jedem Spekulationsgeschäft verbundene Risiko eingeholt hatte.

Die Verneinung des Wuchers in der Form der Ausbeutung von Leichtsinn beruht hiernach auf der Überzeugung des Tatrichters vom Verlauf der Beurkundungsverhandlung. Die Revision greift diese Überzeugung mit Verfahrensrügen an, die der Senat geprüft hat, aber nicht für durchgreifend erachtet.

Legt man den festgestellten Verhandlungsablauf zugrunde, so ist die Folgerung, dass Leichtsinn im Begriffe des § 138 II BGB nicht bewiesen sei, rechtlich nicht angreifbar. Leichtsinnig hätte die Kläger gehandelt, wenn sie sich sorglos und ohne Überlegung über das Risiko, auf dem Kaufgrundstück auch in Zukunft nicht bauen zu dürfen, hinweggesetzt hätte und deswegen auf den hohen Kaufpreis eingegangen wäre. Der Tatrichter halt aber im Blick auf ihre Erklärung, sie habe sich beim Bürgermeisteramt erkundigt und glaube nach den erteilten Auskünften, später vielleicht doch einmal eine Bauerlaubnis zu erhalten, für möglich, dass die Kläger sich vor der Beurkundung mit diesem Risiko auseinandergesetzt und die zu seiner Abwägung erforderlichen Erkundigungen angestellt hatte. Ob sie solche Auskünfte, wie angegeben, vom örtlich zuständigen Bürgermeisteramt eingezogen hatte, wird vom Berufungsrichter mit Recht als unerheblich angesehen.

Zutreffend ist auch die weitere Erwägung, dass dem Beklagten eine Ausbeutung von Leichtsinn schon dann nicht vorgeworfen werden könnte, wenn zwar die Kläger in Wahrheit dergleichen Auskünfte nicht besaß und sich sorglos über die Einwendungen ihrer Verhandlungspartner gegen ihre Bauabsichten hinwegsetzte, wenn der Beklagten aber den Eindruck hatte, sie habe ihr Risiko abgewogen und kaufe in der spekulativen Erwartung später doch einmal bauen zu können. Nach tatrichterlicher Würdigung des Verhandlungsablaufs durfte der Beklagten davon ausgehen, dass sie sich nicht blindlings auf ihr Verhandlungsgeschick verlasse, sondern Erkundigungen über das Risiko angestellt hatte, weil sie als erfahrene Geschäftsfrau auftrat, weil sie sich auf amtliche Auskünfte berief und weil das Kaufgrundstück wegen seiner Lage nicht, unbedingt vor einer Bebauung auch künftig gesichert schien. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.