Nebenkostenansprüche

Zur Frage der Verwirkung von Nebenkostenansprüchen des Vermieters.

Zum Sachverhalt: Durch schriftlichen Vertrag vom 13. 8. 1976 ver- mieteten die Kläger der Beklagte ab 1. 10. 1976 auf die Dauer von zehn Jahren das Kellergeschoß eines Hauses zum Betrieb einer Gaststätte mit vier Kegel- bahnen. Vorher, und zwar seit 1969, war die Beklagte mit der Verwaltung und Vermietung der Gaststätte betraut. Nach § 5 des Mietvertrages hat die Beklagte die Heizungskosten und weitere, in dieser Bestimmung im Einzelnen aufgeführte Nebenkosten zu tragen und monatliche Vorauszahlungen auf die Nebenkosten zu leisten, und zwar auf die Heizungskosten 100 DM und auf die übrigen Nebenkosten 40 DM. Die Heizungskosten sind nach dem Vertrag jährlich abzurechnen. Darüber, ob und gegebenenfalls wann über die übrigen Nebenkosten eine Abrechnung zu erteilen ist, enthält der Vertrag keine ausdrückliche Regelung. Ende 1978, Anfang 1979 veräußerten die Kläger das Grundstück. Dies teilten sie der Beklagte durch Schreiben vom 3. 1. 1979 mit. In diesem Schreiben wiesen sie darauf hin, dass Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr mit dem 2. 1. 1979 auf die Käufer übergegangen seien. Unter Angabe der Anschrift und des Bankkontos der Erwerber teilten sie mit, die Miete sei ab 1. 2. 1979 an die Erwerber zu zahlen. Ausführungen darüber, ob die Kläger noch Nebenkosten verlangten, enthält das Schreiben nicht. Es endet mit dem Satz: Für das angenehme Mietverhältnis möchten wir uns bedanken. Durch Schreiben einer Hausverwaltungsgesellschaft vom 20. 12. 1979 erteilten die Kläger der Beklagte Abrechnung über die Nebenkosten für Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Grundsteuer und Straßenreinigung für die Jahre 1976 bis 1978. Die Beklagte zahlte die für 1978 geforderten Nebenkosten am 27. 3. 1981. Die Begleichung des von den Kläger für die Jahre 1976 und 1977 verlangten Betrages von 2863,54 DM (3463,54 DM tatsächliche Nebenkosten abzüglich 600 DM Vorauszahlungen) lehnte sie ab. Mit der Klage habe die Kläger die Zahlung des Betrages von 2863,54 DM und außerdem wegen verspäteter Begleichung der Nebenkosten für 1978 die Erstattung eines Verzugsschadens in Höhe von 577,35 DM begehrt.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Verzugsschadens von 253,74 DM verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, hinsichtlich des Betrages von 2863,54 DM mit der Begründung, die Ansprüche auf Zahlung der Nebenkosten für 1976 und 1977 seien verwirkt. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Verwirkungseinwand der Beklagte sei ungerechtfertigt. Es hat sie daher zur Zahlung des Betrages von 2863,54 DM verurteilt. Die - zugelassene - Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: 1. Das Berufungsgericht meint, die Annahme der Verwirkung setze voraus, dass die Belt. darauf habe vertrauen können, die Kläger machten über die vorausgezahlten Beträge hinaus keine weiteren Nebenkosten für die Jahre 1976, 1977 geltend. Die Tatsache allein, dass die Nebenkostenabrechnung erst am 20. 12. 1979 erteilt worden ist, rechtfertige eine solche Feststellung nicht.

Der in der Rechtsprechung vielfach gezogene Schluss vom bloßen Zeitablauf auf die Schaffung eines Vertrauensbestandes laufe darauf hinaus, der hier in Betracht kommenden gesetzlichen Verjährungsfrist von vier Jahren (§ 197 BGB) eine kürzere Verwirkungsfrist vorzuschalten. Die Beklagte habe aus dem Zeitablauf auch deswegen nicht den Verzicht der Kläger auf weitere Nebenkostenforderungen entnehmen können, weil sie während ihrer Verwaltertätigkeit für die Kläger den Mietern gegenüber selbst spät abgerechnet habe und ihr aus dieser Zeit die verzögerliche Bearbeitung der Abrechnung durch die Kläger bekannt gewesen sei. Mit ihrem Schreiben vom 3. 1. 1979 hätten die Kläger nicht den Eindruck erweckt, keine Nebenkosten für die Jahre 1976 und 1977 mehr zu fordern. Der letzte Satz in diesem Schreiben stelle nicht mehr als eine höfliche Redewendung dar. Auch ohne einen Vorbehalt sei klar gewesen, dass jedenfalls für das Jahr 1978 noch mit einer Nebenkostenabrechnung zu rechnen war. Zu der Frage anderer Forderungen als der laufenden Mietzinsansprüche sei aus dem Schreiben nichts zu entnehmen.

2. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der allgemeine Rechtsgedanke der Verwirkung als eines Unterfalles der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) auch im Miet- und Pachtrecht gilt (Senatsurteil vom 12. 5. 1959 - VIII ZR 43/58, insoweit nicht veröff.; Senat, LM § 242 [Cc] BGB Nr. 22 = WM 1965, 799 [800]).

b) Das Berufungsgericht hat auch darin recht, dass zur Annahme der Verwirkung allein der Ablauf eines längeren Zeitraumes, innerhalb dessen der Anspruch nicht geltend gemacht worden ist, im Allgemeinen nicht genügt. Der Verstoß gegen Treu und Glauben, der den Verwirkungstatbestand begründet, besteht nämlich in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs, die darin zu sehen ist, dass die Forderung noch verfolgt wird, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, dass keine Forderungen mehr geltend gemacht werden und er sich hierauf auch bereits eingerichtet hat (BGHZ 25, 47 [52] = LM § 109 HGB Nr. 2 = NJW 1957, 1358; Ag in: RGRK, § 242 Rdnr. 136; Palandt-Heinrichs, BGB, 43. Aufl., § 242 Anm. 9a; Sterne!, MietR, 2. Aufl., Teil III Rdnr. 283). Diese Voraussetzungen für die Verwirkung können bereits zu einem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Forderung noch nicht verjährt ist (Senat, NJW 1959, 1629 = LM § 558 BGB Nr. 2). Aufgrund des bloßen Zeitablaufs ist aber die Annahme, dass für den Verpflichteten ein Vertrauenstatbestand ge- schaffen worden ist, grundsätzlich nicht möglich. Ober den Zeitablauf hinaus müssen vielmehr noch besondere Umstände vorliegen, die die Feststellung rechtfertigen, der Schuldner habe bereits darauf vertrauen können, dass der Gläubiger die Forderung nicht mehr geltend mache (vgl. BGH, NJW 1959, 1929; Ag in: RGRK, § 242 Rdnr. 136).

c) Zwar kann mit der Revision angenommen werden, dass die Kläger trotz Fehlens einer ausdrücklichen Vertragsbestimmung über die Abrechnung der Nebenkosten gehalten waren, in angemessener Frist eine Abrechnung zu erteilen. Für die gewerbliche Miete fehlt es allerdings im Gegensatz zum freifinanzierten ( 4 12 MHRG) und zum preisgebundenen und öffentlich geförderten Wohnraum (§ 20 IV 2 NMVO 1970) an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Müssen wie hier nach dem Vertrag Vorauszahlungen auf die Nebenkosten geleistet werden und steht wie hier die Höhe der Nebenkosten nicht von vornherein fest, so hat der Vermieter, der ebenso wie der Mieter für Klarheit über die gegenseitigen Ansprüche zu sorgen hat (Senat, LM § 242 [C c] BGB Nr. 22 = WM 1965, 799 [800]), die mietvertragliche Nebenpflicht, eine Abrechnung zu erteilen, aus der sich ergibt, ob der Mieter Nachzahlungen zu leisten oder Geld zurückzuerhalten hat (vgl. Blürnel, Heizung und Heizkosten-Abrechnung, 1982, S. 59). Ob aber, wie die Revision meint, die Kläger die Nebenkosten für 1976 spätestens Ende 1977 und die Nebenkosten für 1977 spätestens Ende 1978 hätten abrechnen müssen, kann dahingestellt bleiben. Denn der von einem Teil des Schrifttums und der Rechtsprechung (vgl. Voelskow, in: MünchKomm, §§ 535, 536 Rdnr. 121; Goch, WuM 1977, 26; Landgericht Mannheim, WuM 1976, 225; Landgericht Darmstadt, WuM 1976, 253; Landgericht Mün- chen I, WuM 1978, 5 m. zust. Anm. Pütz; Landgericht Berlin, WuM 1978, 166; Landgericht Bonn, WuM 1979, 235) vertretenen und von der Revision geteilten Ansicht, mit Ablauf der - hier unterstellten - Abrechnungsfrist oder jedenfalls angemessene Zeit danach könne der Mieter ohne weiteres darauf vertrauen, dass der Vermieter keine Ansprüche mehr geltend mache, kann nicht gefolgt werden. Der Mieter kann bei objektiver Würdigung nicht annehmen, allein deswegen, weil der Vermieter in angemessener Frist nicht abgerechnet habe, verzichte dieser auf Forderungen, die ihm über die geleisteten Vorauszahlungen hinaus zustehen. Denn die Gründe für das Versäumnis des Vermieters können vielgestaltig sein. Dem Vermieter darf es nicht schon ohne weiteres zum Nachteil gereichen, wenn er mit der Geltendmachung der Forderung etwa aus Kulanz oder auch nur aus eigener Bequemlichkeit oder aus Sorglosigkeit zuwartet (Weimar, WuM 1974, 251). Grundsätzlich können daher Nebenkostenansprüche des Vermieters nicht allein schon deswegen als verwirkt angesehen werden, weil er nicht fristgerecht abgerechnet hat. Der Gesichtspunkt der Verwirkung ist auf Ausnahmefälle zu beschränken (BGH, WM 1969, 182 [183]). Er kann nur dann durchgreifen, wenn über das bloße Verstreichenlassen der Abrechnungsfrist hinaus Umstände vorliegen, die den Schluss darauf zulassen, der Vermieter wolle keine Ansprüche mehr geltend machen (vgl. für die Wohnraummiete KG, RES I S. 189 = RiM S. 357 = RE Miet Teil 2). Gleichwohl ist eine ausdrücklich vereinbarte oder im Wege der Auslegung ermittelte Abrechnungsfrist nicht etwa bedeutungslos. Denn erst mit Ablauf der Frist wird die Nebenkostenforderung fällig. einem vorher gestellten Zahlungsverlangen braucht der Mieter daher nicht nachzukommen. Da ihm ein Anspruch auf die Abrechnung zusteht, kann er, wenn der Vermieter nicht fristgerecht abrechnet, die Zahlung weiterer Vorschüsse verweigern, bis der Vermieter die Abrechnung erteilt hat (§ 273 BGB).

Die danach vorzunehmende Gesamtwürdigung ist Aufgabe des Tatrichters (Senat, LM § 242 [C c] BGB Nr. 22 = WM 1965, 799 [800]). Das Berufungsgericht hat sie rechtsfehlerfrei vorgenommen ...

3. Nach allem ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung der Nebenkosten für die Jahre 1976, 1977 verurteilt hat.