Nebenleistungen

Zur Frage des Arglisteinwandes des Schuldners, wenn der Gläubiger auf die Rechte aus der Übertragung der Forderung gegen den Ersteher gemäß § 118 112 ZVG verzichtet und dadurch die Fiktion der Befriedigung aus dem Grundstück vereitelt.

Zum Sachverhalt: Der Kläger bekannte zusammen mit seinem damaligen Geschäftspartner M in einer vollstreckbaren notariellen Urkunde vom 13. 9. 1976, der I ein Darlehen von 220000 DM als Gesamtschuldner zu schulden. Beide Schuldner unterwarfen sich wegen aller Ansprüche auf Kapital, Zinsen, Kosten und Nebenleistungen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde. Außerdem wurde zur Sicherung der Forderungen aus dem Darlehensvertrag zugunsten der I eine Briefhypothek über 220000 DM nebst Zinsen und Nebenleistungen auf zwei Eigentumswohnungen des M bestellt und in die Wohnungsgrundbücher eingetragen. Von der hypothekarisch gesicherten Darlehensforderung, derentwegen sie die Zwangsvollstreckung in die Wohnungseigentumsrechte des M betrieb, trat die I am 5./6. 2. 1980 einen Teilbetrag in Höhe von 218868,67 DM nebst Zinsen und Nebenleistungen an den Beklagte ab. Dieser zedierte die Forderung zur Sicherheit für einen Kredit an die H-Bank weiter. Die H-Bank ermächtigte ihn, die Forderung einzuziehen. Neben dem Zwangsversteigerungsverfahren betreffend die Eigentumswohnungen des M leitete der Beklagte gegen den Kläger die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde vom 13. 9. 1976 wegen einer Hauptforderung von 218868,67 DM und bis dahin entstandener Zwangsvollstreckungskosten ein. Dagegen wendet sich der Kläger im anhängigen Rechtsstreit. Durch Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 21. 4. 1980 wurden dem Beklagte, der inzwischen eine nachrangige Hypothek über 120000 DM erworben hatte, im Zwangsversteigerungsverfahren die Eigentumsrechte für ein durch Zahlung bis zum Verteilungstermin zu berichtigendes Gebot von 450000 DM als Ersteher zugeschlagen. Bis zum Verteilungstermin zahlte er jedoch nur 10000 DM. Daraufhin wurde der H-Bank die Forderung gegen den Beklagte als Ersteher in Höhe eines Betrages von mehr als 400000 DM übertragen. Für einen erstrangigen Teilbetrag von 169292,65 DM erklärte die H-Bank innerhalb der nächsten drei Monate den Verzicht auf ihre Rechte aus der Übertragung.

Durch Anerkenntnisurteil und Schlussurteil hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde insgesamt insoweit für unzulässig erklärt, als sie den Betrag von 169292,65 DM übersteigt; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht hat mit dem Kläger die Auffassung vertreten, die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde vom 13. 9. 1976 sei unter den vorliegenden besonderen Umständen rechtsmissbräuchlich.

Der Gläubiger könne zwar grundsätzlich wählen, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nehmen wolle, und brauche sich auch nicht vorrangig auf die von einem Gesamtschuldner bestellte dingliche Sicherheit verweisen zu lassen. Der Beklagte verstoße aber gegen Treu und Glauben, denn er habe von vornherein ohne eigenes wirtschaftliches Interesse dem Gesamtschuldner M Vorteile verschaffen und dem Kläger schaden wollen. Sein Vorgehen sei darauf angelegt gewesen, die hypothekarische Haftung der Wohnungseigentumsrechte des M für die Darlehensschuld zum Erlöschen zu bringen, ohne dass die persönliche gesamtschuldnerische Haftung des M und des Kläger erlosch. Auf diese Weise habe der Kläger als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden sollen, ohne dass er kraft Gesetzes zur Sicherung eines etwaigen Ausgleichsanspruchs gegen den finanzschwachen M die Darlehenshypothek auf dessen Wohnungseigentumsrechten erwarb. Das einseitige Eingreifen des Beklagten sei treuwidrig, und zwar unabhängig davon, wie der Streit zwischen M und dem Kläger ausgehe.

Diesen Ausführungen kann nicht in vollem Umfang gefolgt werden.

Die Revision rügt, das Berufsgericht hätte gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass es annehmen wolle, der Beklagte habe kein schützenswertes eigenes Interesse am Ergebnis seines Vorgehens gehabt, der Erwerb der abgetretenen Forderungen sei für ihn ebenso wenig mit einem eigenen wirtschaftlichen Vorteil verbunden gewesen wie der teilweise Verzicht der H-Bank auf die Forderung gegen den Beklagte als Erwerber des versteigerten Wohnungseigentums.

Die Rüge ist unbegründet. Die Klage war von vornherein darauf gestützt, dass der Beklagte von M als Strohmann eingeschaltet worden sei; die H-Bank und der Beklagte hätten einvernehmlich zusammengewirkt, um die Erfüllung der Gesamtschuld durch Zugriff auf das Vermögen des M zu verhindern; lediglich der Kläger habe zur Kasse gebeten werden sollen; nur deshalb habe man nicht den einfacheren Weg gewählt, dass sich die H-Bank den Anspruch des M gegen den Beklagte abtreten ließ. In der Berufungsbegründung hat der Kläger erneut vorgetragen, der Beklagte sei nur als Strohmann des M eingeschaltet worden; als der Beklagte die Wohnungseigentumsrechte des M ersteigert habe, sei er noch nicht selbst Gläubiger der drittrangigen Hypothek von 120000 DM gewesen; unter diesen Umständen erscheine es fraglich, inwieweit der Beklagte die Zwangsvollstreckung im eigenen Interesse betrieben haben könne. Außerdem hat der Kläger ausdrücklich bemängelt, dass das Landgericht eine Gesamtwürdigung aller den Beklagte belastenden Umstände unterlassen habe. Der Beklagte hat hierzu im ersten Rechtszuge vorgetragen, er habe auch deshalb in der Versteigerung des Wohnungseigentums von M mitgeboten, weil für ihn, den Beklagte, das Schicksal der dritten Rangposition mit der dazugehörigen Forderung bedeutsam gewesen sei. An anderer Stelle hat er vorgetragen: Er habe ein eigenes Interesse am Erwerb des Grundstückes gehabt; er habe das Hausgrundstück nach dem Erwerb sanieren und in drei Eigentumswohnungen aufteilen lassen wollen, um es später weiterzuveräußern. Die Frage eines schätzenswerten eigenen Interesses des Beklagte hat also in beiden Instanzen eine wesentliche Rolle gespielt. Es war sonach für ihn ersichtlich, dass es auf die Frage seiner Eigenschaft als Strohmann ankommen würde. Unter diesen Umständen brauchte das Berufsgericht hierzu keinen besonderen Hinweis zu geben.

Das Berufsgericht durfte bei seiner Bewertung des Vorgehens des Beklagten aber nicht offenlassen, wer im Innenverhältnis zwischen M und dem Kläger letztlich die Darlehensschuld tragen sollte. Es ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Gläubiger grundsätzlich frei wählen kann, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nehmen will, und dass er im Allgemeinen keine Rücksicht darauf zu nehmen braucht, welcher Gesamtschuldner im Innenverhältnis ausgleichspflichtig ist. Dem Berufsgericht ist auch darin zu folgen, dass dieser Wahlfreiheit nach dem das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben Grenzen gesetzt sind. Diese Schranken werden nach der Rechtsprechung des RG und des BGH sichtbar, wenn der Gläubiger eine dingliche Sicherheit aufgibt, die von einem Gesamtschuldner bestellt worden ist und im Falle der Befriedigung des Gläubigers durch einen - im Innenverhältnis ausgleichsberechtigten - anderen Gesamtschuldner auf diesen über- gegangen wäre. Ist dagegen der andere Gesamtschuldner nicht ausgleichsberechtigt, so entsteht ihm durch die Aufgabe der Sicherheit kein Nachteil, weil es für ihn an einer Ausgleichsforderung fehlt, deren Durchsetzung durch den Fortfall einer Sicherheit erschwert werden könnte.

Der Aufgabe einer Sicherheit kann ein Verzicht gemäß § 118 II 2 ZVG auf die Rechte aus der Übertragung der Forderung gegen den Ersteher gleichzustellen sein, weil er die Wirkung der Befriedigung aus dem Grundstück und damit die Befreiung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit verhindert. Allerdings wird in einem solchen Falle der - vom Eigentümer verschiedene - persönliche Schuldner nicht etwa, wie der Kläger in der mündlichen Revisionserwiderung hat vortragen lassen, analog § 1165 BGB ohne weiteres von seiner Verpflichtung frei. Verzichtet der Gläubiger auf die Hypothek, so wird nach dieser Vorschrift der persönliche Schuldner insoweit frei, als er ohne diese Verfügung nach § 1164 BGB aus der Hypothek hätte Ersatz verlangen können. Eine entsprechende Anwendung des § 1165 BGB auf den Fall des Verzichts nach § 118 11 ZVG scheitert an der unterschiedlichen Interessenlage und würde dem Zweck des § 118 II 2 ZVG zuwiderlaufen. Diese Vorschrift gibt dem Gläubiger, der Anspruch auf einen Teil des Bargebots hat, bei Nichtzahlung des Versteigerungserlöses eine Wahlbefugnis: Er kann sich entscheiden, ob er es beim Erwerb der Forderung gegen den Ersteher bewenden lässt und dafür den Verlust seiner Forderung gegen den persönlichen Schuldner in Kauf nimmt oder ob er auf die Forderung gegen den Ersteher verzichtet und dafür seinen Anspruch gegen den persönlichen Schuldner behält. Diese Entscheidung kann jeweils davon abhängen, auf welchem Wege sich der Gläubiger eher seine tatsächliche Befriedigung erhofft. Die Wahlbefugnis würde gegenstandslos, wenn der Gläubiger im Falle seines Verzichts auf die Rechte aus der Übertragung der Forderung gegen den Ersteher zugleich analog § 1165 BGB von Rechts wegen ohne weiteres auch seinen Anspruch gegen den persönlichen Schuldner verlöre. Deshalb kann der Verzicht auf die Rechte aus der Übertragung nur nach Maßgabe der angeführten Rechtsprechung, d. h. in Verbindung mit weiteren Umständen, die Ausnutzung der formalen Rechtsstellung aus § 118 ZVG als treuwidrig erscheinen lassen und damit den Einwand der Arglist begründen. Zum einen wäre hierfür erforderlich, dass der Beklagte durch sein planmäßiges Vorgehen den Kläger um die dingliche Sicherung eines Ausgleichsanspruchs gegen M hat bringen wollen und auch tatsächlich gebracht hat. Deshalb hätte das Berufsgericht nicht offenlassen dürfen, ob dem Kläger im Innenverhältnis gegenüber M ein solcher Ausgleichsanspruch zusteht. Zum anderen durfte, wie die Revision mit Recht rügt, nicht offen bleiben, ob die H-Bank noch Gläubigerin der Forderung gegen den Kläger und der Beklagte lediglich zur Einziehung ermächtigt ist oder ob die H-Bank die Forderung - nach Rückführung des durch sie gesicherten Kredits - an den Beklagte zurückübertragen hat. Im ersteren Falle einer bloßen Inkassoermächtigung stünden dem Kläger nur diejenigen Einwendungen zu, die er dem Gläubiger entgegensetzen kann, nicht auch solche, die ihm aus seinen Rechtsbeziehungen zum Einziehungsermächtigten erwachsen. Der Einwand der Arglist wäre dann davon abhängig, dass die H-Bank bei ihrem Verzicht auf die Rechte aus der Übertragung ohne eigenes schützenswertes Interesse bewusst im Rahmen des Gesamtplans des Beklagte gehandelt hat; andernfalls könnte sie die Forderung entweder selbst oder durch jeden beliebigen Einziehungsermächtigten einredefrei geltend machen. Lediglich im Falle der Vollabtretung der Forderung an den Bekl käme der Einwand der Arglist unabhängig davon in Betracht, ob auch die H-Bank den Kläger benachteiligt wollte.

Feststellungen zu diesen Fragen enthält das Berufungsurteil nicht. Es kann daher mit der gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten werden und ist aufzuheben.