Neoliberalismus
Neoliberalismus - Richtung der bürgerlichen Politischen Ökonomie, die in den dreißiger Jahren des 20. Jh. vor allem in Deutschland entstanden ist und in den Nachkriegsjahren zur herrschenden Wirtschaftsdoktrin der westdeutschen Bourgeoisie wurde. Die Vertreter des Neoliberalismus übernahmen einige Grundgedanken des historischen Liberalismus und behaupteten, seine unzeitgemäßen Aspekte jedoch überwunden und korrigiert zu haben. Der neue Liberalismus propagiert unter der Losung von der freien oder sozialen Marktwirtschaft eine Wirtschaft der freien Konkurrenz, in der die Einwirkung des Staates nur unter bestimmten Voraussetzungen und in geringem Maße zugelassen werden soll. Die Hauptaufgabe des Staates besteht danach darin, das freie Spiel der Konkurrenz und der Marktwirtschaft zu gewährleisten. Eine weitergehende staatliche Regulierung der Wirtschaft (von ihnen als Dirigismus, Planwirtschaft oder Zentralverwaltungswirtschaft bezeichnet) lehnen die Neoliberalen ab. Unter dem Eindruck gewisser Folgen der faschistischen Zwangswirtschaft hatten sich während der Hitlerherrschaft in Deutschland einige Wissenschaftler unter Führung von Eucken in einem Kreis von sog. Ordo-Liberalen (Ordo-Lehre), der Freiburger Schule, zusammengefunden, um Reformvorschläge zu konzipieren, die z. T. auf die Nachkriegszeit zugeschnitten waren. Noch vor Kriegsende wurde unter weitgehender Verwendung des Gedankengutes von Max Weber durch Walter Eucken auch der theoretische Rahmen des Neoliberalismus geschaffen (Idealtypus). Die in den Grundzügen ausgearbeitete Lehre des Neoliberalismus wurde nach 1945 von fast allen bürgerlichen Ökonomen der BRD übernommen und später zum Leitgedanken der offiziellen Wirtschaftspolitik der Adenauer-Erhard-Regierung erklärt. Da die west- deutsche Bourgeoisie in den ersten Nachkriegsjahren unter dem Druck einschneidender Maßnahmen der Besatzungsmächte und anderer Kriegsfolgen stand (Demontagen, Rationierung von Rohstoffen, offizieller Preis- und Lohnstopp, wirtschaftspolitische Dekretierungen u. a.), akzeptierte sie bereitwillig eine Ideologie, die gegen staatliche Zwangsmaßnahmen gerichtet war. Die Lehre des Neoliberalismus wurde eng mit einer sozialen Demagogie verknüpft, die noch wirkte, als das ursprüngliche Motiv des Neoliberalismus bereits historisch überholt war.