Notar

Zur Frage, inwiefern einem Notar, der durch seine Beurkundung eine unsichere Rechtslage geschaffen hat, Schäden eines Beteiligten zugerechnet werden können, die darauf beruhen, dass dieser versucht, die Unwirksamkeit des beurkundeten Geschäfts geltend zu machen.

Anmerkung: Der Rechtsvorgänger des Klägers hatte bei dem Beklagten mehrere Grundstücksverkäufe beurkunden lassen. Dabei hatte der Notar ein Verfahren gewählt, dessen Umstrittenheit zu Zweifeln an der Rechtsgültigkeit der Verträge Anlass geben konnte. Dies veranlasste späterhin nicht die Käufer sondern den Rechtsvorgänger des Klägers selbst zu dem Versuch, unter Berufung auf die angebliche Ungültigkeit der Verträge von diesen loszukommen. Er unterlag in allen Fällen.

Im jetzigen Rechtsstreit machte der Klägerin den ihm abgetretenen angeblichen Anspruch des Verkäufers gegen den Notar auf Ersatz der ihm durch die Vorprozesse entstandenen Kosten geltend.

Das Berufsgericht gab der im ersten Rechtszuge abgewiesenen Klage im Wesentlichen statt.

Das Revisionsurteil folgt dem Berufungsurteil allerdings darin, dass der Notar, indem er für die Beurkundung nicht den angesichts der geteilten Rechtsmeinungen sichersten Weg wählte, seine Amtspflicht verletzt hat. Wenn es trotzdem das erste Urteil wiederherstellt, dann kann das eigentlich keinen verwundern, der die Haftungsfrage zunächst im Lichte des schlichten Judiz betrachtet. Trotzdem erscheint der Irrweg des Berufungsurteils nicht unverständlich, wenn man bedenkt, mit welchem nur historisch zu erklärenden Wort- und Begriffsgestrüpp die Bereiche der zivilen Rechtswidrigkeit, Kausalität und Haftungszurechnung in der Dogmatik immer noch überlagert und dadurch verwirrt werden. Die Rechtsprechung des BGH ist daher nicht erst mit dem vorliegenden Urteil davon abgegangen, in jedem Falle eine Serie dogmatischer Stichworte wie den alten Adäquanzbegriff, Rechtswidrigkeitszusammenhang, Normzweck und allgemeine haftungsrechtliche Zurechnungsschranken einzeln nacheinander in der Begründung abzuhandeln. Dabei kann wegen der Überlagerungen dieser Begriffe nur eine weitere Verwirrung gewärtigt werden. Wer darin eine simplification terrible sieht, sollte erst in Hermann Kasacks Stadt hinter dem Strom die Parabel vom Torarchiv nachlesen.

Nur einen Unterfall dieses Komplexes bildet die weithin scheinbare Problematik der psychisch vermittelten Kausalität. Sie ergibt sich im eigentlichen Sinne nur - was in früheren BGH-Entscheidungen nicht immer mit der nötigen Klarheit zum Ausdruck gekommen ist -, wo es sich um Willensreaktionen des Geschädigten selbst handelt. Denn, dass deliktische Verhaltenspflichten - innerhalb wertend abzusteckender Grenzen - gerade auch den Inhalt haben können, schadensträchtige Entschlüsse Dritter abzuwenden, ist eine Binsenwahrheit. Damit ist auch nur im ersteren Fall Raum für den eleganten aber zunächst doch recht schillernd gewesenen Begriff der Herausforderung, der im besprochenen Urteil eine weitere Abklärung erfährt.

Herausgeforderte Reaktionen muss sich der Schädiger deshalb zurechnen lassen, weil gerade sein Fehlverhalten jenen in eine rechtliche, sittliche oder auch nur psychologische Zwangslage im weitesten Sinne gebracht hatte. Trifft dies zu, dann spielt die Beherrschbarkeit der Zwangslage nur für das Mitverschulden eine Rolle. Trifft dies aber nicht zu, dann kann es auch für den früher in der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats vielleicht etwas zu knapp erwähnten Begriff des rechtfertigenden Anlasses nicht darauf ankommen, ob die Reaktion des von der unerlaubten Handlung Betroffenen von der Rechtsordnung allgemein erlaubt war. Haftungsrechtlich kann nur relevant sein, dass der Entschluss sich irgendwie auf die widerrechtliche Einengung seiner Entscheidungsfreiheit zurückführen läßt. Das trifft natürlich nicht zu, soweit er sich auf einem unschädlich verlaufenen Eingriff in seine Rechtssphäre aus ganz anderen Gründen ein eigenes Süppchen kochen will.

Wenn eingangs auf allgemeiner dogmatische Zusammenhänge hingewiesen worden ist, dann war das gemeint:

Nur die Zersplitterung der wissenschaftlichen Formulierungen erhält in der Praxis immer noch die überholte Meinung, es genüge für die Haftung aus einem Fehlverhalten schon, dass die eingetretene Schadensfolge als solche voraussehbar war. Tatsächlich gibt es eben Schadensfolgen, die wegen ihrer relativen Seltenheit in Kauf genommen werden dürfen und andere, die dem sich unrichtig Verhaltenden deshalb nicht zugerechnet werden dürfen, weil die Verantwortlichkeit für sein Verhalten sich eben nicht auf solche Folgen gründete. Beides wird heute wohl im Ergebnis von keinem mehr bestritten. Solange indessen all dies nicht in einer einheitlichen dogmatischen Gestaltung untergebracht werden kann, die sinnvoll an die rechtliche Missbilligung des schadensursächlichen Verhaltens anbindet, kann man dem zweifelnden Praktiker vor allem die Testfrage empfehlen:

Hätte der Schädiger gerade auch im Hinblick auf die Gefahr der nun eingetretenen Schadensfolge auf sein Verhalten verzichten müssen?

Ist diese Frage, wie doch wohl im gegebenen Fall, klar zu verneinen, dann kann insoweit kein Anspruch bestehen, auch wenn das schadenursächliche Verhalten deliktsrechtlich unerlaubt und subjektiv zurechenbar war.