Oberleitung des Architekten

Zur Abgrenzung der Schadensersatzansprüche aus § 635 BGB und aus positiver Vertragsverletzung, wenn der Schaden auf mangelhafter geschäftlicher Oberleitung des Architekten beruht, das Bauwerk selbst aber mangelfrei ist (im Anschluss an BGHZ 58, 85 = LM vorstehend Nr. 27 und BGHZ 67, 1 = LM § 638 BGB Nr. 30).

Zum Sachverhalt: Die Kläger errichtete seit 1967 ein Lager für übende Truppen. Die Architektenleistungen übertrug sie dem Beklagten, die Rohbauarbeiten für das Wirtschaftsgebäude der Firma A. Für den Bauvertrag vereinbarte sie die Geltung der VOB. Beim Ausschachten der Fundamentgräben wurden wasserführende Schichten festgestellt, die eine Vertiefung der Baugrube erforderlich machten. Mit Nachtragsangebot vom 18. 10. 1967 bot die Firma A daher bestimmte Grundwasserarbeiten sowie die nunmehr notwendig gewordene Seitenschalung der Fundamente als zusätzlich zu vergütende Leistungen an. Der Beklagte zeichnete ihr Angebot als richtig ab. Die Firma A erhielt darauf den Auftrag. Die Kläger zahlte ihr anteiligen Werklohn für die Schalung. Später vertrat die Kläger die Auffassung, dass die Firma A bereits aufgrund des ihr erteilten Hauptauftrags zur Einschalung der Fundamente verpflichtet gewesen sei. Da die Firma A die Rückzahlung verweigerte, hat die Kläger den anteiligen Werklohn mit der im Oktober 1978 erhobenen Klage vom Beklagten gefordert. Der Beklagte hat sich auf Verjährung berufen.

LG und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die - zugelassene - Revision blieb erfolglos.

Aus den Gründen: I. 1. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Kläger einen Schaden in Höhe der Klageforderung erlitten habe. Nach den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis, die auch Bestandteil des Hauptvertrages geworden seien, hätte die Firma A ihre Einheitspreise für die Beton- und Stahlbetonarbeiten einschließlich der Schalung veranschlagen müssen, und zwar auch insoweit, als dadurch zusätzlich Kosten entstehen könnten. Zur Vereinbarung eines neuen Preises oder einer besonderen Vergütung i. S. des § 2 Nr. 5 bzw. Nr. 6 VOB/B (1952) sei die Kt daher nicht verpflichtet gewesen. Die Auftragnehmerin hätte das Risiko, dass - anders als von den Beteiligten geplant - auch die Fundamente eingeschalt werden mussten, vielmehr selbst tragen müssen. Gleichwohl sei die Kläger an den Nachtragsauftrag gebunden, weil sie sich bei dessen Erteilung lediglich über den Beweggrund ihrer Erklärung geirrt habe. Die Firma A habe sich deshalb zu Recht geweigert, den ihr für die Schalung gezahlten Werklohn und die hierauf entfallenden Kapitalnutzungszinsen zu erstatten. - Das ist richtig. In dieser Hinsicht besteht unter den Parteien auch kein Streit mehr.

2. Der Schaden, so führt das Berufungsgericht weiter aus, sei entstanden, weil der Beklagte seine vertraglichen Pflichten nicht sorgfältig erfüllt habe. Der Architekt, dem in einem umfassenden Vertrage auch die geschäftliche Oberleitung, die örtliche Bauaufsicht und die Rechnungsprüfung übertragen worden seien, habe bereits allgemein die Pflicht, Forderungen der Unternehmer nach zusätzlicher Vergütung darauf zu prüfen, ob die Ansprüche sich etwa auf Leistungen bezögen, die bereits mit den bisher vereinbarten Preisen abgegolten seien. Diese Verpflichtung sei hier noch ausdrücklich oder jedenfalls sinngemäß im Vertrage festgelegt gewesen. Der Beklagte habe sie fahrlässig verletzt. - Auch das ist richtig.

a) Dabei kann offen bleiben, ob diese Pflichten eines Architekten sich - auch ohne besondere Abrede - schon daraus ergibt, dass ihm die technische und geschäftliche Oberleitung (einschließlich der Rechnungsprüfung, vgl. § 19 I lit. g der damals maßgeblichen GOA) sowie die Bauführung (§ 19 IV GOA) übertragen worden ist. Hier folgt diese Pflicht des Beklagten jedenfalls, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, aus § 3 des Ingenieur- und Architektenvertrages. Danach hatte der Beklagte alle Angebote nachzurechnen und zu beurteilen sowie mit dem Vermerk Rechnerisch, fachtechnisch und wirtschaftlich geprüft zu versehen. Sodann hatte er den Zuschlag vorzubereiten. Mit seinem Vermerk über die Rechnungsprüfung übernahm er die Verantwortung dafür, dass bei der Durchführung der Bauarbeiten nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit verfahren worden war: Lieferungen und Leistungen sollten in Art, Güte und Umfang wie berechnet vertragsgemäß und fachgerecht ausgeführt, die Vertragspreise sollten eingehalten, alle Maße, Mengen, Einzelanträge und Ausrechnungen sollten richtig sein.

b) Die sich hieraus ergebende Verpflichtung zur Prüfung des Nachtragsangebots auf dessen Vereinbarkeit mit dem Hauptvertrag war damit ebenso untrennbarer Bestandteil des vom Beklagten geschuldeten Gesamtwerks wie etwa die Rechnungsprüfung: Er hatte nicht nur für die mängelfreie Herstellung des Gebäudes zu sorgen; er musste dabei auch die wirtschaftlichen Belange der Kläger berücksichtigen.

c) Das verkennt die Revision, wenn sie ausführt, der Klageanspruch habe mit den vom Beklagten vertraglich übernommenen Leistungen nichts zu tun. Der Architekt ist zwar nicht allgemein verpflichtet, in jeder Hinsicht die Vermögensinteressen des Bauherrn wahrzunehmen und unter Ausnutzung aller in Betracht kommenden Vorteile so kostengünstig wie möglich zu bauen (BGHZ 60, 1 [3] = NJW 1973, 237). Hier haben die Parteien jedoch - unabhängig von der Frage, ob und inwieweit der Architekt Angebote der Auftragnehmer schon im Rahmen seiner allgemeinen geschäftlichen Oberleitung zu prüfen hat - besondere, die Prüfungspflicht ausdrücklich zum Vertragsinhalt erhebende Vereinbarungen getroffen. Der Beklagte hat daher nicht nur, wie die Revision meint, eine Nebenpflicht verletzt und dadurch einen Schaden verursacht, als er den Nachtragsauftrag nicht auf die außerdem notwendig gewordenen Grundwasserarbeiten beschränkte. Sein Werk selbst wurde mangelhaft. In dieser Beziehung ist der vorliegende Sachverhalt jenem Fall vergleichbar, in dem ein Architekt, der mit der Planung eines zum Verkauf oder zur Vermietung bestimmten Mehrfamilienhauses beauftragt worden war, der Rentabilität des Bauobjekts nicht hinreichend Rechnung getragen hatte (Senat, NJW 1975, 1657): Allein mit der Planung eines bautechnisch fehlerfreien Hauses und mit sorgfältiger Bauführung hatte der Beklagte seine Verpflichtung aus dem Vertrage noch nicht ordnungsgemäß erfüllt.

II. Rechtsgrundlage des auf der mangelhaften Vertragserfüllung beruhenden Anspruchs der Kläger auf Schadensersatz ist § 635 BGB. Die Verjährung dieses Anspruchs richtet sich demgemäß nach § 638 BGB. Das nimmt das Berufungsgericht zutreffend an. Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich hier nicht um einen erst in 30 Jahren (§ 195 BGB) verjährenden Anspruch aus positiver Vertragsverletzung.

1. In seinem Urteil BGHZ 58, 85 = LM vorstehend Nr. 27 = NJW 1972, 625, hat sich der Senat für den Bereich des § 635 BGB zwar im Grundsatz zu einem engen, lediglich sogenannten Mangelschäden einschließenden Schadensbegriff bekannt (BGHZ 58, 85 [88] = LM vorstehend Nr. 27 = NJW 1972, 625). Er hat aber im Interesse einer zweckgerechten Anwendung des § 638 BGB gewisse nächste Mangelfolgeschäden einbezogen (BGHZ 58, 85 [89] = LM vorstehend Nr. 27 NJW 1972, 625). Eine derartige Erweiterung des Schadensbegriffs hat er dort für erforderlich gehalten, wo der Folgeschaden mit dem Werkmangel eng zusammenhängt. Zu der Frage, wie dieser enge Zusammenhang zu ermitteln sei, hat er auf die Notwendigkeit einer die Eigenart des jeweiligen Sachverhalts berücksichtigenden Begründung und Wertung verwiesen. Wie auch sonst bei Generalklauseln könne sich im Verlaufe der Rechtsprechung eine Typenbildung nach Tatbestandsgruppen ergeben (BGHZ 58, 85 [91, 92] = LM vorstehend Nr. 27 = NJW 1972, 625). An dieser Rechtsprechung hat er - trotz der von einem Teil des Schrifttums geübten Kritik - festgehalten (BGHZ 67, 1 [5 ff.] = LM § 638 BGB Nr. 30 = NJW 1976, 1502; BGH, NJW 1979, 1651). Auch hier besteht kein Grund, das vorrangige Ziel einer falladäquaten Lösung (Littbarski, JZ 1979, 554; vgl. auch die jedenfalls im Ergebnis zustimmenden Anmerkungen von Ballerstedt, JZ 1977, 230, und Schubert, JR 1977, 110) aufzugeben. Entscheidend ist somit die Art des Schadens (BGHZ 67, 1 [6] = LM § 638 BGB Nr. 30 = NJW 1976, 1502 m. Nachw.). Für Folgeschäden, die mit dem Werkmangel eng zusammenhängen, hat der Unternehmer daher gemäß § 635 BGB Ersatz zu leisten. Nur bei entfernteren Folgeschäden haftet er wegen positiver Vertragsverletzung.

2. Da der Architekt nicht das Bauwerk selbst - als körperliche Sache - schuldet (BGHZ 43, 227 [230] = LM § 426 BGB Nr. 24 = NJW 1965, 1175), wirken sich Fehler seines Werks (sofern sie nicht schon im Planungsstadium behoben werden können und dabei oder durch Aufgabe der Planung zu einem Schaden führen) regelmäßig im Bauwerk nicht als Mangel-, sondern als Mangelfolgeschäden aus. Gleichwohl hat der Senat Bauwerksschäden, die auf Planungs- oder Bauaufsichtsfehlern des Architekten beruhen, nicht als Folgen einer positiven Vertragsverletzung behandelt, mithin die Haftung dafür auch nicht der dreißigjährigen Verjährung des § 195 BGB unterstellt. Er hat vielmehr berücksichtigt, dass solche Fehler ihre eigentliche Bedeutung erst im Bau erhalten, sich dort realisieren bzw. verkörpern. Den sich dadurch ergebenden Mangelfolgeschaden hat der Senat deshalb wie einen nach § 635 BGB zu ersetzenden Mangelschaden am Bauwerk beurteilt (BGHZ 37, 341 [344] = LM § 638 BGB Nr. 4 = NJW 1962, 1764; BGHZ 85 [89] = LM vorstehend Nr. 27 = NJW 1972, 625), so dass der Anspruch auf Ersatz dieses Schadens bereits nach fünf Jahren verjährt (§ 638 I 1 BGB).

3. Anders als die bisher entschiedenen Fälle bietet der vorliegende freilich die Besonderheit, dass der Fehler des Architektenwerks sich hier nicht im Bauwerk realisiert hat, der Kläger also nur ein Vermögensschaden entstanden ist. Auch dieser Mangelfolgeschaden ist aber nach § 635 BGB zu ersetzen.

a) Die vom Beklagten als geschäftlichem Oberleiter geschuldete Beratungs- und Betreuungspflicht (vgl. BGHZ 74, 235 [238] = LM § 341 BGB Nr. 7 = NJW 1979, 1499; dazu Ganten, NJW 1979, 2513) gehört jedenfalls insoweit, als er sie hier verletzt hat, ebenso zum Kernbereich seines Architektenwerks wie etwa die Rechnungsprüfung. Mit den einem Architekten sonst obliegenden Obhutspflichten ist sie nicht vergleichbar.

b) Hätte der Fehler des Beklagten in der Empfehlung eines Nachtragsangebots bestanden, dessen Ausführung notwendigerweise zu einem Mangel des Bauwerks führen musste, wäre nicht zweifelhaft, dass es sich bei dem Anspruch der Kläger auf Ersatz des ihr dadurch entstandenen Mangelfolgeschadens um einen Anspruch aus § 635 BGB handeln würde. Hier hat der Beklagte die von ihm zu schützenden Belange der Kläger im Ergebnis in ähnlicher Weise beeinträchtigt. Der Mangel seines Werks fand seinen Niederschlag in der Verpflichtung der Kläger zur Vergütung des Nachtragsauftrags. Auch hier ist daher ein enger Zusammenhang zwischen Mangel und Mangelfolgeschaden zu bejahen, dieser Fall mithin in die für die Architektenhaftung bereits gebildete Tatbestandsgruppe (BGHZ 58, 85 [92] = LM vorstehend Nr. 27 = NJW 1972, 625) einzubeziehen.

4. Für die Verjährung, deren Beginn das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei für das Jahr 1971 (Abschluss der Prüfungsarbeiten) angesetzt hat, gilt nach alledem § 638 BGB. Da die Klage erst 1978 erhoben worden ist, hat sie den Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist (vgl. Glanzmann, in: RGRK, 12. Aufl., § 638 Rdnr. 52) nicht mehr rechtzeitig unterbrechen können.