öffentlichrechtlichen Pflichten

Zum Verhältnis von öffentlichrechtlichen Pflichten einer Gemeinde zu ihren privatrechtlichen Verpflichtungen.

Zum Sachverhalt: Im Jahre 1966 verhandelte die Kläger mit der Beklagten Stadt über den Erwerb eines Erbbaurechts an einem Grundstück der Beklagten, auf dem die Kläger ein Parkhochhaus errichten wollte. Am 20. 10.1966 schlossen die Parteien einen Vertrag, der die Kläger berechtigte und verpflichtete, auf dem Grundstück ein Parkhaus sowie eine Tankstelle zu errichten. Am 11.7.1967 wurde zwischen den Parteien der Erbbaurechtsvertrag beurkundet.

Im Juli 1967 bat die Kläger die Beklagte um Bestätigung, dass gegen die Einplanung eines Großraumladens in das Parkhochhaus keine Bedenken bestünden. Dies lehnte der Grundstücksausschuss der Beklagten ab, nachdem der Stadtrat der Beklagten am 6. 7. 1967 im Rahmen der Beratungen über einen Flächen- nutzungsplan den Beschluss gefasst hatte; das Grundstück dem privatwirtschaftlichen Gewinnstreben zu entziehen. Weitere Eingaben der Kläger wies die Beklagte im Dezember 1967 endgültig zurück. Auch Baugesuche der Kläger lehnte die Beklagten im Oktober 1968 ab. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage der Kläger blieb in drei Instanzen erfolglos.

Der im Mai 1968 aufgestellte Bebauungsplan für das Gebiet des Erbbaugrundstücks wurde von der Regierung nicht genehmigt. Einen späteren - genehmigten - Bebauungsplan erklärte der VGH München im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens für ungültig. Seither wurde für das Grundstück kein neuer Bebauungsplan aufgestellt.

Im Dezember 1968 kündigte die Beklagte den Erbbaurechtsvertrag und trat vorsorglich zurück, u. a. da die Klägerin vertragswidrig die Mehrzwecknutzung des Parkhauses im Prozesswege durchzusetzen suche.

Die Klägerin wirft der Beklagten u. a. vor, sie über den Beschluss des Stadtrats vom 6. 7. 1967 nicht rechtzeitig unterrichtet und das Baugesuch unsachgemäß behandelt zu haben. Sie verlangt Ersatz des Schadens, der ihr ab Januar 1968 u. a. durch Aufstellung und Ausarbeitung der neuen Baueingabepläne, insbesondere durch die angefallenen Architektenhonorare, entstanden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im zweiten Rechtszug hat die Kläger den Zahlungsanspruch in erster Linie gestützt auf fehlerhafte Beratung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens und auf die Verzögerung der Entscheidung über das Baugesuch, in zweiter Linie auf die missbräuchliche Ausübung der Planungshoheit und Aufstellung des sie belastenden Bebauungsplanes, in dritter Linie auf die Verletzung des Erbbaurechtsvertrages durch Verhinderung einer untergeordneten gewerblichen Nutzung der zu erstellenden Gebäude. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht hat Ansprüche aus Amtspflichtverletzung für unbegründet erachtet, weil, selbst wenn die Beklagten sich schuldhaft amtspflichtwidrig verhalten haben sollte, jedenfalls die Einrede der Verjährung durchgreife, da die Kläger spätestens seit Zugang des die Baugenehmigung versagenden Bescheides die Tatsachen gekannt habe, die es ihr ermöglicht hätten, eine Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zu erheben. Unter diesen Umständen sei der Beginn der Verjährungsfrist auch nicht etwa dadurch hinausgeschoben worden, dass die Kläger von verschiedenen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht habe. Die Revision bekämpft diese Ansicht mit der Erwägung, aus § 839 III BGB ergebe sich, dass die Verjährungsfrist frühestens beginne, wenn das zur Abwendung des Schadens eingelegte Rechtsmittel rechtskräftig abgewiesen sei. Außerdem meint sie, die positive Kenntnis, dass ein Verwaltungsakt eine rechtswidrige und schuldhafte Amtspflichtverletzung darstelle, setze jedenfalls bei einer zweifelhaften Rechtslage voraus, dass zumindest ein erstinstanzliches VG diese Auffassung bestätige.

Die Rüge bleibt im Ergebnis erfolglos.

Soweit die Beklagten eine Amtspflichtverletzung in der Versagung der Baugenehmigung sieht, steht dieser Auffassung bereits die rechtskräftige Abweisung der Anfechtungsklage entgegen. Die ordentlichen Gerichte sind an die Urteile der VG über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gebunden.

Die Revision sieht ein amtspflichtwidriges Verhalten der Beklagten auch in der Aufstellung des Bebauungsplans und meint, die Kläger habe Kenntnis von der Widerrechtlichkeit und dem Verschulden erst mit dem Zugang der Entscheidung des VGH München im Normenkontrollverfahren erlangt.

Der BGH hat in jüngster Zeit mehrfach erwogen, ob eine Stadtgemeinde gemäß § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG für legislative Akte ihres Gemeinderats zur Verantwortung gezogen werden kann. Insbesondere die Aufstellung eines Bebauungsplanes berührt die Belange der betroffenen Grundeigentümer oder sonst dinglich Berechtigten in räumlich und personell so klar abgegrenzter Weise, dass diese Personen als Dritte im Sinne des § 839 BGB in Betracht kommen, denen gegenüber die Mitglieder des Gemeinderats bei ihrer Tätigkeit Amtspflichten haben.

Abgesehen von der zweifelhaften Frage nach dem Verschulden der Gemeinderatsmitglieder und von dem Problem der Verjährung geht der Revisionsangriff jedoch schon deswegen ins Leere, weil die Revision nicht aufgezeigt hat, inwiefern der Kläger aus den Beschlüssen des Gemeinderats ein Schaden entstanden ist. Die Revision übersieht, dass ohne die Gemeinderatsbeschlüsse die Kläger in Ermangelung eines wirksamen Bebauungsplanes das von ihr beabsichtigte Parkhaus nur dann errichten durfte, wenn es nach der vorhandenen Bebauung und Erschließung unbedenklich war, und dass das von der Klägerin eingereichte zweite Baugesuch rechtskräftig zurückgewiesen ist.

Bezüglich einer Amtspflichtverletzung durch unzureichende Beratung bei Einreichung des zweiten Baugesuchs erhebt die Revision gegen die Annahme der Verjährung durch das Berufsgericht keine substantiierte Rüge. Insoweit ist ein Rechtsfehler des Berufungsurteils nicht ersichtlich.

Die Revision sieht - hilfsweise - einen enteignungsgleichen Eingriff darin, dass die Beklagten der Kläger auf Grund ungültiger Bebauungspläne die Baugenehmigung rechtswidrig vorenthalten habe. Abgesehen von den Bedenken dagegen, dass in der Versagung einer Baugenehmigung überhaupt ein enteignungsgleicher Eingriff erblickt werden, kann, geht der Angriff bereits deswegen fehl, weil die Revision nicht aufgezeigt hat, dass die Kläger ohne den Bauleitplan das Bauvorhaben hätte durchführen dürfen, so dass sie durch die Beschlüsse des Gemeinderats insoweit eine Rechtseinbuße mit enteignender Wirkung erlitten habe.

Die Revision sieht eine positive Verletzung des Erbbaurechtsvertrages darin, dass die Beklagten durch Verweigerung der Baugenehmigung ihre Pflicht verletzt habe, eine zulässige Nebennutzung des Parkhauses zu ermöglichen. Der Angriff bleibt erfolglos. Es erscheint schon bedenklich, die Versagung der Baugenehmigung eine hoheitliche Maßnahme nach zivilrechtlichen Maßstäben als Verletzung einer vertraglichen

Nebenpflicht zu beurteilen. Jedenfalls aber schließt der Umstand, dass die Verweigerung der Baugenehmigung zwischen den Parteien rechtskräftig als rechtmäßig festgestellt worden ist, es aus, dasselbe Verhalten zivilrechtlich als rechtswidrige und schuldhafte Vertragsverletzung zu bewerten.

Die Revision erblickt ein Verschulden der Beklagten bei den Vertragsverhandlungen darin, dass die Beklagten es unterlassen habe, die Kläger über den Stadtratsbeschluss vom 6. 7. 1967 zu unterrichten, der die Errichtung und Verwendung des Parkhauses von vornherein ausgeschlossen oder doch mindestens so stark in Frage gestellt habe, dass sie, die Kläger, vom Vertragsschluss abgesehen und alle weiteren Aufwendungen erspart hätte. Das Berufsgericht hat eine Pflicht der Beklagten, den Stadtratsbeschluss vom 6. 7. 1976 der Kläger mitzuteilen, mit der Begründung verneint, der eigentliche Erbbaurechtsvertrag, in dem die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt worden seien, sei bereits 1966 geschlossen worden; der Vertrag vom 11. 7. 1967 habe nur rein formelle Änderungen gebracht.

Diese Erwägung vermag das Urteil nicht zu tragen; denn für die Kläger konnte eine beabsichtigte Änderung der öffentlichrechtlichen Vorschriften über die zulässige Nutzung des Grundstücks für den Entschluss zum Vertragsschluss durchaus von Bedeutung sein, wenn die von der Kläger beabsichtigte Nutzung hierdurch beeinträchtigt wurde. In dieser Hinsicht ist freilich in Betracht zu ziehen, dass noch am 11. 7. 1967, dem Tage des Vertragsschlusses, die Kläger allein ihr erstes Baugesuch verfolgte und erstmals am 19. 7. 1967 die Einplanung eines Großraumladens gegenüber der Beklagten ins Gespräch brachte. Unter diesen Umständen ist die Beklagte nur dann verpflichtet gewesen, der Kläger den Stadtratsbeschluss vom 7. 7. 1967 mitzuteilen, wenn dieser Beschluss schon der zunächst geplanten, Errichtung eines bloßen Parkhochhauses nebst Tankstelle entgegengestanden hat.

Das Berufsgericht hält das erste Baugesuch mit dem Beschluss vom 7. 7. 1967 für vereinbar und stützt sich für diese Auslegung auf ein Schreiben, in dem das Ministerium des Innern der Kläger mitgeteilt hat, dass der erst als Vorentwurf vorhandene Bebauungsplan... auf dem Grundstück ein ausschließlich Parkzwecken dienendes Gebäude festsetzen . Die Revision hält diese Auslegung für rechtsfehlerhaft, weil der Stadtratsbeschluss vom 6. 7. 1967 jede einem privat-wirtschaftlichen Gewinnstreben dienende Grundstücksnutzung, also auch die Nutzung für ein privates Parkhausunternehmen, habe verhindern sollen. Sie verweist im übrigen auf das erwähnte Schreiben des Innenministeriums, in dem weiter ausgeführt ist, dass ein privat geplantes und betriebenes Parkhaus nicht dem Gemeinbedarf zugerechnet werden können.

Die Rüge ist begründet: Gemäß § 9 I Nr. 1 f. BBauG können durch einen Bebauungsplan Baugrundstücke für den Gemeinbedarf festgesetzt werden, während § 9 I Nr. im BBauG die Möglichkeit eröffnet, Baugrundstücke für besondere bauliche Anlagen, die privatwirtschaftlichen Zwecken dienen und deren Lage durch dringende städtebauliche Gründe, insbesondere solche des Verkehrs, bestimmt ist, festzusetzen. Wie sich aus dieser Gegenüberstellung ergibt, schließt die Festsetzung eines Baugrundstückes für den Gemeinbedarf die Nutzung für privatwirtschaftliche Zwecke jedenfalls dann aus, wenn das Grundstück wie hier durch den Beschluss des Gemeinderats vom 7. 7. 1967 - dem privatwirtschaftlichen Gewinnstreben entzogen wird. Die Beklagte wäre daher verpflichtet gewesen, die Kläger über. den Gemeinderatsbeschluss noch vor dem Abschluss des Erbbaurechtsvertrages zu unterrichten. Ob diese Unterlassung der Beklagten zum Verschulden gereicht und welcher Vertrauensschaden der Kläger aus der mangelnden Unterrichtung erwachsen ist, bleibt tatrichterlicher Würdigung vorbehalten und wird daher vom Berufsgericht ebenso zu prüfen sein wie die bisher offen gelassene Frage der Aktivlegitimation.