offenen Handelsgesellschaft

Zur Frage, wann die Gründung einer zweigliedrigen offenen Handelsgesellschaft durch den bisherigen Inhaber des Unternehmens und dessen Ehefrau unter Vereinbarung eines Übernahme- rechtes durch den überlebenden Gesellschafter bei Ausschluss jeglicher Abfindung als Schenkung an die Ehefrau anzusehen ist.

Zum Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Ergänzung seines Pflichtteils nach seinem am 6. 4. 1975 an einem Gehirntumor verstorbenen Vater in Anspruch. Der Erblasser wurde aufgrund gemeinschaftlichen Testaments vom 3. 5. 1967 von seiner zweiten Ehefrau, der Beklagte, allein beerbt. Er hatte drei Kinder (aus erster Ehe), und zwar den Kläger und zwei Töchter, von denen eine Tochter verstorben war und bereits zwei Kinder hinterlassen hatte. Den seit 1953 bestehenden Güterstand der Gütertrennung hatten der Erblasser und die Beklagte am 20. 1. 1975 aufgehoben und stattdessen den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft vereinbart. Als Pflichtteil zahlte die Beklagte an den Kläger 1/12 des errechneten Nettonachlasswertes. Zu dem Vermögen des Erblassers gehörte ein Verlag, in dem die Beklagte als Angestellte ganztätig mitarbeitete. Am 3. 1. 1975 gründeten er und die Beklagte eine OHG, in die er das Unternehmen ein- brachte. Die Beklagte brachte ihre volle Arbeitskraft ein, ihre Kapitaleinlage von 30000 DM sollte durch Nichtentnahme des vollen Gewinns geleistet werden. Beide Gesellschafter hatten Anspruch auf 50 % des Gewinns. Bei dem Tod eines Gesellschafters sollte der andere Gesellschafter berechtigt sein, die Firma ohne Abfindung fortzuführen. Der Kläger hat die durch den Gesellschaftsvertrag vom 3. 1. 1975 eingeleitete und mit dem Tode seines Vaters am 6. 4. 1975 vollendete Nachfolge der Beklagte in den Verlag, dessen Wert mindestens 500000 DM betragen habe, als eine Schenkung i. S. von § 2325 BGB gewertet. Unstreitig litt der Erblasser bereits Anfang 1975 an dem Gehirntumor, der schließlich zu seinem Tode führte. Die Beklagte tritt dieser Wertung entgegen. Der Gesellschaftsvertrag sei seit langem geplant gewesen; bei seinem Abschluss sei noch nicht bekannt gewesen, dass der Erblasser schwerkrank war und an einem Gehirntumor litt. Der Tumor sei - das ist unstreitig - erst am 14. 1. 1975 festgestellt worden.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die Berufungen beider Parteien hat das Berufungsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: 1. Der Kläger hat seine erstinstanzliche Behauptung, der Erblasser sei bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages geschäftsunfähig gewesen, vor dem Berufungsgericht nicht mehr aufrecht erhalten. Danach ist davon auszugehen, dass der Verlag dem Erblasser bei seinem Tode jedenfalls nicht mehr im ganzen gehörte, sondern dass er daran nur noch über seinen Anteil an der wirksam gegründeten OHG beteiligt war. Das Berufungsgericht setzt weiter voraus, dass auch der Gesellschaftsanteil des Erblassers an dieser OHG nicht zu seinem Nachlass zu rechnen, sondern so zu behandeln ist, als sei er außerhalb des Erbganges an die Beklagte gefallen. Diese Auffassung erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Zwar hat die Beklagte, da sie die Erbschaft nach ihrem Ehemann angenommen hat, dessen Gesellschaftsanteil bereits kraft Erbganges mit dessen Tode erworben, so dass die OHG infolge der Vereinigung aller Anteile an ihr in einer Hand bereits endete (BGHZ 65, 79 [82 = LM § 105 HGB Nr. 35 lLs.] = NJW 1975, 1774), bevor die Beklagte ihr übernahmerecht ausüben konnte. Dennoch ist es für die Pflichtteilsrechte des Klägers so anzusehen, als wäre der Nachlass bei der Beklagte noch abgesondert vorhanden (vgl. BGHZ 48, 214 = LM § 2213 BGB Nr. 3 [Ls.] = NJW 1967, 2399). Dann aber ist der Gesellschaftsanteil des Erblassers nicht zu seinem Nachlass zu rechnen. Denn die Beklagte konnte diesen Anteil durch Ausübung des ihr eingeräumten übernahmerechtes - ohne Rücksicht darauf, ob sie selbst Erbin wurde oder nicht - nach dem Tode des Erblassers jederzeit an sich ziehen (vgl. Flurne, Die Personengesellschaft, S. 371 ff.; BGHZ 50, 307 = LM § 287 ZPO Nr. 36a = NJW 1968, 1964; BGH WM 1971, 1338), und zwar ohne dafür eine Abfindung zahlen zu müssen. Die Klageforderung kann daher von vorneherein nicht als Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB), sondern nur als Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) begründet sein.

2. Ein Anspruch gemäß § 2325 I BGB setzt voraus, dass der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat. Unter einer Schenkung in diesem Sinne ist nach der Rechtsprechung des BGH (z. B. BGHZ 59, 132 [135] = LM § 2325 BGB Nr. 7 = NJW 1972, 1709) und nach ganz überwiegender Meinung im Schrifttum eine solche i. S. von § 516 BGB zu verstehen (a. M. Lange-Kuchinke, ErbR, 2. Aufl., § 39 IX Anm. 2a Fußn. 286). Zu der Bereicherung des anderen Teiles muss danach noch eine Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung oder - bei der gemischten Schenkung - des nicht durch die Gegenleistung abgegoltenen Teils der Zuwendung hinzukommen. Dabei können die Vertragspartner im Rahmen der Vertragsfreiheit den Wert der auszutauschenden Leistungen selbst bestimmen und also auch die Größe eines sich etwa ergebenden Überschusses festlegen. Dieser Befugnis sind jedoch, wie der frühere IV. Zivilsenat bereits in BGHZ 59, 132 (135 f. ) = LM § 2325 BGB Nr. 7 = NJW 1972, 1709 zutreffend erkannt hat, jedenfalls soweit eine Beurteilung als erbrechtlich relevante Schenkung in Betracht kommt, Grenzen gesetzt. So erfordert es der Schutzzweck des § 2325 BGB, dem Pflichtteilsberechtigten im Sinne einer tatsächlichen Vermutung hier unter Umständen eine Beweiserleichterung zu gewähren. Ist demgemäß bei einem Vertrage, durch den wesentliche Vermögensteile einem anderen zugewendet werden, ein auffallendes, grobes Missverhältnis zwischen den (bei verständiger und den Umständen nach [noch] vertretbarer Beurteilung) zugrunde zu legenden Werten von Leistung und Gegenleistung festzustellen, dann ist im Einklang mit der Lebenserfahrung zunächst davon auszugehen, dass die Vertragsparteien dies erkannt haben und sich in Wahrheit über die Unentgeltlichkeit der Bereicherung einig waren.

a) Das Berufungsgericht hat das -jedenfalls im Ansatz - nicht verkannt. Es hat sich aber auf die Rechtsprechung des BGH berufen, nach der die Aufnahme eines Gesellschafters in eine offene Handelsgesellschaft grundsätzlich keine Schenkung i. S. von § 516 BGB darstelle (BGH, NJW 1959, 1433 = LM vorstehend Nr. 3; vgl. auch BGH, WM 1965, 359; 1956, 353; ferner III. Zivilsenat, WM 1971, 1338). Der II. Zivilsenat hat dort angenommen, in der Aufnahme eines persönlich haftenden Gesellschafters liege im allgemeinen nicht einmal dann eine unentgeltliche Zuwendung an diesen, wenn die Aufnahme in einem besonderen Fall unter besonders günstigen Bedingungen für den neuen Gesellschafter erfolge und für ihn wirtschaftlich vorteilhaft sei. In der Übernahme der Pflichten eines Gesellschafters, insbesondere in dem regelmäßig geschuldeten Einsatz seiner vollen Arbeitskraft für das Unternehmen, und vor allem in der Übernahme der persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft liege eine entsprechende Gegenleistung. Es müssten schon besondere Umstände vorliegen, um in einem solchen Fall gleichwohl eine gemischte Schenkung annehmen zu können. Auch wenn dieser Linie uneingeschränkt zu folgen sein sollte, kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Die Rechtsprechung des II. Zivilsenats betont das Interesse an der Fortführung des Unternehmens über den Tod eines Gesellschafters hinaus, und zwar unter möglichst weitgehender Vermeidung von Abfindungsansprüchen, die die Fortführung erschweren könnten (BGH, DNotZ 1966, 620; vgl. dazu z. B. Flume, 5. 401ff. Fußn. 80; Wiedemann, GesellschaftsR I, S. 78ff., 81 f. Fußn. 40; aber auch Michalski, Gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Perpetuierung von Unternehmen, S. 199, 251). Sie lässt aber für Fallgestaltungen der vorliegenden Art hinreichend Raum, um auch bei Berücksichtigung des durchaus be- achtenswerten Fortführungsinteresses aus der Sicht des Unternehmens die schutzwürdigen Belange der Nachlassbeteiligten wie z. B. der Pflichtteilsberechtigten zur Geltung zu bringen. Der I. Zivilsenat gibt den Individualinteressen der Nachlassinteressenten sogar ausdrücklich den Vorzug vorhöferechtlichen Tendenzen im Gesellschaftsrecht (BGHZ, 68, 225 [238f.] = NJW 1977, 1339). Demnach hatte das Berufungsgericht den besonderen Umständen des hier vorliegenden Geschäftes im Einzelnen sorgfältig nachzugehen. Das ist nicht im ausreichendem Maße geschehen.

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, ganz besondere Umstände, die die Annahme einer in der Aufnahme des Beklagten liegenden gemischten Schenkung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Die Überlegungen des Berufungsgerichts hierzu kranken aber daran, dass es dem in dem Gesellschaftsvertrag außerdem vereinbartenbeiderseitigen Übernahmerecht im Falle des Todes eines Gesellschafters und dem damit verbundenen Abfindungsausschluss in diesem Zusammenhang keine Beachtung geschenkt hat. Vielmehr hat es den Abfindungsausschluss völlig gesondert behandelt und dabei darauf abgestellt, dass es sich um einen beiderseitigen Abfindungsausschluss handelt, so dass beide Teile das gleiche Risiko auf sich genommen hätten (BGHZ 22, 186 [194] = LM § 139 HGB Nr. 1 = NJW 1957, 180; BGH, DNotZ 1966, 620). Damit hat das Berufungsgericht sich den Blick für eine zutreffende Beurteilung verstellt. Gründung einerseits und Übernahmerecht nebst Abfindungsausschluss andererseits dürfen nicht voneinander getrennt werden; erst die Berücksichtigung beider Aspekte ermöglicht ein zutreffendes Bild. Dabei zeigt sich, dass der Gesellschaftsvertrag in jedem Falle auf eine einseitige Begünstigung der Beklagte hinausläuft. Entweder überlebte der Erblasser die Beklagte, dann erhielt sie ihren 50%igen Gesellschaftsanteil (nur) auf Lebenszeit; oder die Beklagte überlebte den Erblasser, dann erhielt sie zunächst 50% und nach seinem Tode 100%. Die dem gegenüberstehende Einlage der Beklagte fiel nicht ins Gewicht; sie sollte aus den ihr zufließenden Gewinnern gezahlt werden und dürfte nach den Zahlen des vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens in wenigen Monaten erledigt gewesen sein. Die Mitarbeit der Beklagte war nach deren eigenem Vortrag vor dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages nicht weniger umfangreich als danach; allerdings nahm ihre Verantwortung zu. Hinzukam auch das von ihr übernommene Haftungsrisiko. Diese Leistungen der Beklagte müssen gewiss Berücksichtigungen finden. Insoweit bedarf es einer Bewertung von Leistung und Gegenleistung. Erst der Vergleich beider kann aber ergeben, ob das auffallende, grobe Missverhältnis vorliegt, das den Schluss auf die für § 516 BGB erforderliche Einigung über die (teilweise) Unentgeltlichkeit nahelegt (BGHZ 59, 132 [136] = LM § 2325 BGB Nr. 7 = NJW 1972, 1709), und insoweit besondere Umstände vorliegen, die eine Abweichung von dem Grundsatz rechtfertigen, die Aufnahme eines Gesellschafters in eine offene Handelsgesellschaft stelle im allgemeinen keine Schenkung i. S. von § 516 BGB dar. Dass der allseitige Abfindungsausschluss für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters für sich allein nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH nicht als Schenkung gewertet wird, steht dabei nicht im Wege.

3. Für die Annahme einer Schenkung des Erblassers an die Beklagte kommt es nicht darauf an, ob die Beteiligten den Gesellschaftsvertrag zu dem Zweck geschlossen haben, die Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge des Erblassers zu vermindern. Das Gesetz stellt ein solches Erfordernis an keiner Stelle auf. Erst recht kommt es nicht darauf an, ob eine solche Absicht der einzige Zweck des Gesellschaftsvertrages war. Andererseits spräche ein solcher Zweck, wenn er vorhanden gewesen sein sollte, in besonderem Maße für den Schenkungswillen der Beteiligten, den das Oberlandesgericht bislang nicht hat feststellen können.

4. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Erblasser und die Beklagte einig waren, dass die Beklagte das Unternehmen - ganz oder teilweise - unentgeltlich erhalten sollte, kann Bedeutung erlangen, ob die Beteiligten bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages von unterschiedlichen Lebenserwartungen ausgegangen sind. Das Berufungsgericht verneint das, ohne das Lebensalter der Gesellschafter und den Gesundheitszustand der Beklagte in die Erwägungen einzubeziehen. Das ist rechtlich zu beanstanden. Darüber hinaus rügt der Kläger mit Recht (§ 286 ZPO), dass das Berufungsgericht bei der Verneinung verschiedener subjektiver Lebenserwartungen der Beteiligten Umstände und insbesondere die Angaben der Zeugin Dr. Z bislang nicht hinreichend gewürdigt hat. Wenn das Berufungsgericht feststellt, die Krankheit des Erblassers sei am 3. 1. 1975 noch unbekannt gewesen, dann trifft das insofern zu, als es sich um die genaue Diagnose handelte, die erst am 14. 1. 1975 gestellt wurde. Das Berufungsgericht hat aber nicht berücksichtigt, dass die Beschwerden des Erblassers schon lange bekannt waren und sowohl von der Beklagte als auch vom Erblasser offenbar sehr ernst genommen wurden. Nach den Angaben des Internisten Dr. H suchte der Erblasser diesen Arzt am 5. und 12. 11. 1974 auf; die Untersuchungen ergaben keinen alarmierenden Befund. Dennoch hielt die Beklagte es nach den Angaben der Zeugin Dr. Z am 8. 1. 1975 für richtig, diese Fachärztin für Neurologie telefonisch unter Hinweis auf eine bevorstehende Reise nach Madeira zu einem sofortigen Besuch zu veranlassen. Bei diesem Telefonat soll die Beklagte erklärt haben, der Erblasser gefalle ihr seit einigen Wochen nicht mehr, es sei ihr seit etwa zwei Wochen vor Weihnachten depressiv erschienen und habe seit etwa zwei Wochen vor dem 8. 1. 1975 Schwierigkeiten beim Lesen bzw. bei der Erfassung von Worten. Die Zeugin suchte den Erblasser damals noch am gleichen Tage auf und war nach ihrem Schreiben an Prof. K erschrocken über dessen geistigen und körperlichen Abbau; der Patient leide an Wortfindungsstörungen, sei völlig antriebsarm, sehr vergesslich und ausgesprochen depressiv. Nach der Schilderung der Ehefrau habe zeitweilig ein mittelschweres Durchgangssyndrom bestanden. Danach kam es durchaus in Betracht, dass die Beteiligten bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages von einer deutlich geminderten Lebenserwartung des Erblassers ausgingen. Ob die Umstände für eine solche Feststellung ausreichen, wird der Tatrichter in eigener Verantwortung zu entscheiden haben. Dass die Eheleute noch am 3. 1. 1975 eine Urlaubsreise buchten und noch nicht an einen nahe bevorstehenden Tod des Erblassers gedacht haben mögen, braucht dem nicht entgegenzustehen.