Operation

Zum Sachverhalt: Der im Jahre 1914 geborene Kläger wurde am 3. 1. 1974 in der urologischen Klinik der Universität D. wegen Prostatahypertrophie operiert. Operateur war der Beklagte, der nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers mit diesem indessen weder vor noch nach der Operation Kontakt aufgenommen hatte. Seit der Operation besteht beim Kläger eine relative Unfähigkeit, den Harnfluss zu halten, die nach seiner Behauptung vorher nicht bestanden hatte. Eine im Januar 1975 wiederum in der Universitätsklinik vorgenommene Harnröhrenumspritzung zeigte keinen nachhaltigen Erfolg. Mit Schreiben vom 17. 1. 1976 wandte sich der Kläger an die Gutachterkommission bei der Ärztekammer N. Er behauptete, dass die Inkontinenz auf einer versehentlichen Verletzung des Blasenschließmuskels bei der Operation beruhe. Durch Bescheid vom 27. 6. 1977 teilte die Kommission dem Kläger mit, dass ein Kunstfehler nicht festzustellen sei. Die geklagte Stress-Inkontinenz müsse nach Prostataoperationen gewärtigt werden. Mit Anwaltsschreiben vom 29. 7. 1977 verfolgte der Kläger seinen Antrag an die Kommission weiter. Deren erneuter Bescheid vom 7. 2. 1979 bestätigte den ersten. Bei dieser Gelegenheit wurde dem Kläger erstmals mitgeteilt, dass der Beklagte der Operateur gewesen war. Mit der am 22. 10. 1979 bei Gericht eingereichten, dem Beklagten am 1. 12. 1979 zugestellten Klage begehrt der Kläger Schmerzensgeld, Ersatz für Sachschaden und die Feststellung einer weiteren Haftung des Beklagten

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Erstmals mit seiner beim Oberlandesgericht am 1. 8. 1980 eingekommenen Berufungsbegründung hat der Kläger seine Ansprüche auch auf den Vorwurf gestützt, dass er über das Risiko der Prostata-Operation nicht aufgeklärt worden sei. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die - zugelassene - Revision des Klägers blieb erfolglos.

Aus den Gründen: Die Revision, die eine Beschwer von weniger als 40000 DM betrifft, ist zulässig, denn sie ist vom Berufungsgericht zugelassen worden. Unzulässig war allerdings die Revisionszulassung. Denn das Berufungsgericht meint zwar, dem Senatsurteil vom 4. 11. 1975 insoweit nicht folgen zu können, als es dort für möglich gehalten werde, dass für den aus Behandlungsfehler hergeleiteten Anspruch eine andere Verjährung gelte als für den Anspruch aus versäumter Aufklärung; das Berufungsgericht erkennt aber selbst, dass es auf diese Frage für die Entscheidung nicht ankommt, weil auch der letztere Anspruch auf jeden Fall verjährt wäre. Indessen ist das RevGer. auch an eine unzulässige Revisionszulassung gebunden.

Angesichts dessen sei nur beiläufig angemerkt, dass der vom Berufungsgericht angenommene Widerspruch zwischen dem vorgenannten Senatsurteil und dem früheren vom 20. 10. 1959 nicht besteht. Das letztgenannte Urteil stellt darauf ab, dass es in der Regel auf die Rechtserkenntnis des Klägers hinsichtlich der versäumten Aufklärung nicht ankommen könne. Im späteren Urteil vom 4. 11. 1975 geht es aber um die Frage, ob dem Kläger auch Tatumstände bekannt waren, die allein für den Anspruch aus unterlassener Aufklärung von Bedeutung sind. Im vorliegenden Fall ist indessen nicht einmal behauptet, dass dem Kläger solche Tatumstände erst nachträglich bekannt geworden seien. Er trägt selbst vor, dass er keinerlei Aufklärung erhalten und von Dr. B bald nach der Operation erfahren haben, Zwischenfälle von der Art des Eingetretenen seien, wenn auch selten, zu erwarten.

B. I. Das Berufungsgericht hält etwaige Ansprüche aus einem Behandlungsfehler und damit auch aus versäumter Aufklärung über das Risiko der Operation für verjährt.

Es meint, dass der Kläger von der widerrechtlichen Schädigung Ende Januar 1975 sicher erfahren habe; denn damals sei ihm von Dr. B nach seinem eigenen Vortrag mitgeteilt worden, dass der Blasenschließmuskel versehentlich verletzt worden sei. Angesichts dessen habe er durch einfache Erkundigung die Person des Operateurs feststellen können. Dass er das nicht getan habe, stehe dem Lauf der Verjährungsfrist nicht entgegen. Der Ablauf der Verjährung sei auch nicht durch das Verfahren bei der Gutachterkommission gehemmt worden. Zu Verhandlungen i. S. von § 85211 BGB n. F. zwischen den Parteien könne es schon deshalb nicht gekommen sein, weil der Beklagte ausweislich der Akten der Gutachterkommission nicht vor dem B. B. 1978, also zu einem Zeitpunkt von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf erfahren habe, in dem die Verjährung längst eingetreten sei. Die Verjährung betreffe auch Ansprüche aus versäumter Aufklärung, weil es sich um einen einheitlichen Anspruch handele.

Der Sache nach hat das angefochtene Urteil im Ergebnis Bestand. Es kommt nicht darauf an, ob die mangelnde Funktion des Blasenschließmuskels auf eine vermeidbare Schädigung bei der Operation zurückzuführen ist, bei der es sich nicht notwendig um eine Durchtrennung handeln müsste. Denn etwaige Ansprüche des Klägers hieraus wären in der Tat verjährt.

Unstreitig hat zwar der Kläger im Krankenhaus nie erfahren, wer sein Operateur war, und der Beklagte hat sich weder vor noch nach der Operation mit ihm in Verbindung gesetzt. Dieses Verfahren mag jedenfalls dann, wenn die Operation eingreifend und nicht dringlich ist, in - verschiedener Richtung bedenklich sein; denn es entspricht kaum dem Bild des Arzt/Patientenverhältnisses und der personalen Würde des Patienten; es hindert überdies den Arzt daran, sich Gewissheit über eine ordnungsmäßige Aufklärung des Patienten zu verschaffen. Darauf kommt es aber ebenso wenig an wie auf die nicht ohne weiteres verständliche Tatsache, dass auch die unparteiische Gutachterstelle noch in ihrem ersten abschlägigen Bescheid vom 27. 6. 1977 es nicht für notwendig erachtet hat, dem Kläger die ihm erkennbar fehlende Kenntnis von der Person des Operateurs zu vermitteln.

Dies ist aber in der Tat nicht entscheidend. Dass der Kläger sich nicht etwa in der falschen Gewissheit wiegte, der Klinikleiter Professor Dr. D oder Dr. B. sei der Operateur gewesen, entnimmt das Berufungsgericht fehlerfrei aus seinem Schreiben an die Gutachterstelle vom 5. 2. 1976. Damit aber wäre es dem Kläger durch einfache Anfrage bei der Klinik oder - nachdem diese die Krankenunterlagen beigezogen hatte - bei der Gutachterstelle möglich gewesen, die Person des Operateurs zu ermitteln. Eine solche Auskunft stand ihm zu, und der Kläger hat auch nicht behauptet, dass sie ihm verweigert worden wäre. Dass dann die versäumte Nutzung dieser einfachen Erkundigungsmöglichkeit - anders als ein selbst fahrlässiger Irrtum über die Person des Schädigers - den Lauf der Verjährungsfrist nicht aufzuhalten vermag, entspricht, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, ständiger Rechtsprechung. Die Verjährungsfrist war demnach bei Klageerhebung an sich abgelaufen.

Im Ergebnis zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass sich durch die Einschaltung der Gutachterkommission weder am Ablauf der Verjährungsfrist noch an dem Recht des Beklagten, sich hierauf zu berufen, etwas geändert hat.

Vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 852 II BGB am 1. 1. 1978 konnte die Einschaltung einer durch die zuständige Ärztekammer eingerichteten Schlichtungs- oder Gutachterstelle zwar sicher keine Hemmung der Verjährung herbeiführen. Indessen spricht alles dafür, dass sich ein Arzt, der sich während des Laufs eines solchen Verfahrens oder unangemessen kurz nach dessen Abschluss auf Verjährung berief, dem Vorwurf des Verstoßes gegen Treu und Glauben ausgesetzt hätte. Anderes könnte allerdings gelten, wenn sich das ganze Verfahren gewissermaßen hinter seinem Rücken abgespielt hätte. Soweit das Berufungsgericht dies aus der bloßen Tatsache schließen will, dass hier der Beklagte im Verfahren der Kommission ausweislich von deren Akten nicht als Beteiligter in Erscheinung getreten ist, vielmehr die Behandlungsunterlagen vom Krankenhausträger zur Verfügung gestellt worden sind, mag das bedenklich erscheinen. Die Lebenserfahrung dürfte eher dafür sprechen, dass der Beklagte die Beteiligung am Gutachterverfahren dem Krankenhausträger überlassen hat, zumal trotz Fehlens einer ausdrücklichen Satzungsbestimmung auch die Gutachterkommission N. wohl grundsätzlich nur bei Mitwirkungsbereitschaft des betroffenen Arztes tätig wurde.

Hierauf kommt es indessen nicht an, weil der Kläger selbst nach dem zweiten Misserfolg bei der Gutachterkommission nicht in angemessener Zeit Klage erhoben, sondern noch mehr als ein halbes Jahr zugewartet hat.

Erst für die Zeit nach Inkrafttreten der Neufassung des § 852 BGB kann sich die Frage stellen, ob das Verfahren nicht nur bei einer Schieds-, sondern auch bei einer Gutachterstelle als Verhandlung im Sinne des dortigen Absatz 2 anzusehen ist. Angesichts der anerkanntermaßen gebotenen weiten Auslegung des Begriffs neigt der Senat dazu, eine

Hemmung auch bei einem reinen Gutachterverfahren zu bejahen, auf das sich der Arzt eingelassen hat; dass er infolge einer wohl verbesserungsbedürftigen Verfahrensweise im Rubrum keine Erwähnung findet, kann daran nichts ändern.

Indessen kommt es auch hierauf nicht an. Nimmt man mit dem Berufungsgericht an, dass die Verjährungsfrist angesichts des Kenntnisstandes des Klägers spätestens am 1. 7. 1975 zu laufen begonnen hat, konnte sie im Zeitpunkt der Rechtsänderung zwar noch gehemmt werden, weil sie noch nicht abgelaufen war. Die Hemmung erstreckte sich aber nicht rückwirkend auf den bisherigen Verlauf des Gutachterverfahrens, dergestalt, dass auch der bereits verbrauchte größere Teil der Verjährungsfrist wieder aufgelebt wäre. Dem stünde nicht nur der allgemeine Grundsatz entgegen, dass Gesetzen eine Rückwirkung, die sie sich nicht ausdrücklich beilegen, im Interesse der Rechtssicherheit nur zurückhaltend zuzugestehen ist, sondern auch die Erwägung, dass sonst die unterschiedliche Behandlung von Verjährungsfristen, die knapp vor der Rechtsänderung abgelaufen sind, schwer erträglich schiene. Dieser Grundsatz hat schon in der Regelung des Art. 169 I EGBGB Ausdruck gefunden und verdient auch heute noch sinngemäße Anwendung.

Geht man hiervon aus, dann war die dreijährige Verjährungsfrist ungeachtet ihrer zeitweiligen Hemmung mindestens schon im September 1979 abgelaufen. Die erst im Oktober 1979 eingereichte und am 1. 12. 1979 zugestellte Klage war also auf jeden Fall verspätet.