Pächter

Seit Beginn der Diskussion um die öffentlich-rechtliche Baunachbarklage ist streitig, ob der Nachbarbegriff an das Grundeigentum oder ein sonstiges dingliches Recht an dem betroffenen Grundstück gebunden ist oder ob auch Mieter, Pächter und sonstige obligatorisch Berechtigte als Nachbarn anzusehen sind, soweit sie durch die Auswirkung des Bauvorhabens in ihrem Nutzungsrecht beeinträchtigt werden. Für die herrschende Ansicht, dass lediglich dinglich berechtigte Personen Nachbarn im baurechtlichen Sinn sein können, wird vorgetragen, dass das öffentliche Baurecht dem wechselseitigen Ausgleich der Interessen der in das Planungsgeflecht einbezogenen Grundstücke dient und in diesen Interessenausgleich nur die Grundstückseigentümer und vergleichbare dingliche Berechtigte einbezogen seien, nicht aber die Mieter und Pächter. Das öffentliche Baurecht sei grundstücks- und nicht personenbezogen. Der Eigentümer sei der Repräsentant des Grundstücks und daher dazu berufen, Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung durch eine Bebauung des Nachbargrundstücks abzuwehren. Der Mieter oder Pächter habe eine Rechtsbeziehung zu dem Grundstück nur über das schuldrechtliche Nutzungsverhältnis und sei daher bei einer Beeinträchtigung seines schuldrechtlichen Nutzungsrechts darauf beschränkt, Ansprüche gegenüber seinem Vertragspartner geltend zu machen. Ein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch des Mieters komme allenfalls dann in Betracht, wenn bestimmte Festsetzungen eines Bebauungsplans erkennbar auch den Belangen der Mieter dienen sollen; ferner bei einer Aushöhlung seines Nutzungsrechts sowie bei Ansprüchen aus Art. 2 Abs. 2 GG und den daraus abgeleiteten Vorschriften des Immissionsschutzes. Diese zur Nachbarklage von Mietern/Pächtern entwickelten Grundsätze hat das BVerwG im Beschluss vom 26.7. 1990 auch auf Familienangehörige des Eigentümers übertragen; auch diese können nur wegen einer Beeinträchtigung ihrer Gesundheit Abwehransprüche geltend machen. Die Gegenansicht wendet demgegenüber ein, das Nutzungsrecht des Mieters/Pächters genieße ebenfalls den Schutz des Art.14 GG; außerdem leide bei einer Vermietung bzw. Verpachtung primär der Mieter/Pächter und nicht der Eigentümer unter den Auswirkungen der baulichen Nutzung des Nachbargrundstücks. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dass das BVerwG im Beschluss vom 9.11. 1979, der sich mit der Antragsbefugnis nach §47 Abs. 2 VwGO befasst, die Feststellung getroffen hat, auch die Interessen von Mietern und Pächtern seien in die Abwägung nach §1 Abs. 6 einzubeziehen; daraus folge zwangsläufig, dass sie sich gegenüber einem Bebauungsplan, der für die gemietete Wohnung Nachteile zur Folge hat, mit dem Normenkontrollverfahren zur Wehr setzen könne. Es erscheint von Ergebnis hier eigenartig, dass der Mieter zwar gegen den Bebauungsplan vorgehen kann, nicht aber gegen eine aufgrund des Bebauungsplans erteilte Baugenehmigung. Die Beurteilung der Frage, ob der Mieter oder Pächter als Nachbar anzusehen ist, hängt davon ab, ob diese im Baugenehmigungsverfahren mit eigenen Rechten beteiligt sind, die durch die Erteilung der Baugenehmigung verletzt werden können; ist dies der Fall, dann muss dem Mieter schon wegen Art. 19 Abs. 4 GG die Rechtsstellung eines Nachbarn eingeräumt werden. Das öffentliche Baurecht - und zwar sowohl das Bauplanungsrecht als auch das Bauordnungsrecht - enthält hinsichtlich des geschützten Personenkreises keine Aussage. Es regelt sozusagen die Rechtsbeziehungen zwischen den Grundstücken und stellt damit eine Konkretisierung der Situationsgebundenheit des Eigentums dar. Letztlich wird durch das Baurecht das Eigentum im Sinn des Art.14 GG vor einer Beeinträchtigung durch die Nutzung anderer Grundstücke geschützt. Zuordnungssubjekt des sich aus Art. 14 GG ergebenden Nutzungsrechts ist aber der Eigentümer, so dass jedenfalls dieser als Nachbar anzusehen ist. Da das aus Art. 14 GG fließende Recht zur Abwehr von Störungen, durch die die angemessene Grundstücksnutzung beeinträchtigt wird, nicht zwei verschiedenen Personen zugleich zustehen kann, scheidet eine eigenständige Nachbarklage des Mieters aus, sofern man nicht nur dem Mieter bzw. Pächter unter Ausschluss des Eigentümers eine Befugnis zum Einlegen von Rechtmitteln einräumen will. Dies erscheint jedoch unangemessen. Vielmehr muss der Mieter/Pächter, der eine Störung der gemieteten Wohnung bzw. des gepachteten Gewerbebetriebs durch ein genehmigtes Bauvorhaben in der Nachbarschaft befürchtet, von seinem Vermieter/Verpächter verlangen, dass dieser die ihm als Eigentümer zustehenden Abwehrrechte geltend macht. Notfalls kann der Mieter/ Pächter zur Wahrung von Rechtsmittelfristen im Namen des Eigentümers Rechtsmittel einlegen und dann verlangen, dass dieser den Rechtsstreit übernimmt. Voraussetzung ist allerdings, dass durch das Bauvorhaben der vertragsmäßige Gebrauch des gemieteten Gebäudes beeinträchtigt wird. Etwas anderes hat freilich zu gelten, soweit der Mieter/Pächter eine eigenständige Rechtsposition geltend machen kann, die sich nicht aus dem Eigentum am Grundstück ableitet und damit nicht jedem beliebigen Mieter/Pächter in gleicher Weise ebenso zustehen würde. Das wäre z.B. der Fall, wenn jemand in einem gepachteten Gebäude ein Sanatorium einrichtet und daher gegenüber Störungen durch Immissionen wesentlich empfindlicher ist als bei einer sonstigen Nutzung des Gebäudes, etwa als Gastronomiebetrieb. In einem solchen Fall ist der Mieter/Pächter neben dem Eigentümer als Nachbar anzusehen. Dies führt auch nicht zu einer Verdoppelung der Klagebefugnis, weil der Mieter/Pächter eine spezifisch auf seine Person bezogene Rechtsverletzung geltend macht. Das Abwehrrecht ergibt sich in einem solchen Fall auch nicht aus dem Grundeigentum, sondern aus dem ebenfalls unter dem Schutz des Art.14 GG stehenden Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Ferner steht dem Mieter dann ein eigenständiges Recht als Nachbar zu, wenn er sich gegen die Baugenehmigung mit Einwendungen wendet, die nicht aus Art.14 GG, sondern aus Art. 2 Abs. 2 GG abgeleitet sind. Dies ist insbesondere bei den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften der Fall. Soweit es um die Nichtbeachtung dieser Vorschriften geht, ist dem Mieter im Rahmen des öffentlichen Baurechts ein Schutzanspruch zuzugestehen, der ihn zur Erhebung einer Nachbarklage befugt. Da die Baugenehmigung nicht nur wegen eines Verstoßes gegen baurechtliche Vorschriften, die sich als Konkretisierung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen, zu versagen ist, sondern auch bei einer Verletzung sonstiger Normen zum Schutz anderer Rechtsgüter, ist jeweils gesondert zu prüfen, ob der Mieter bzw. Pächter im konkreten Fall klagebefugt ist.