Preisänderungsklausel

Der Senat hat die so genannte Tagespreisklausel, wie sie auch in den Neufahrzeug-Verkaufsbedingungen der Beklagte enthalten ist, mit seinem Urteil vom 7. 10. 1981, dem die Instanzgerichte und das Schrifttum ganz überwiegend gefolgt sind wegen Verstoßes gegen § 9 AGB-Gesetz für unwirksam erklärt. In seiner Entscheidung vom 18. 5. 1983 hat der Senat an dieser in einem Unterlassungsverfahren nach § 13 AGB-Gesetz erfolgten Beurteilung festgehalten und dargelegt, dass die Wirksamkeit der Klausel in einem Individualprozess nicht anders zu bewerten ist. Dasselbe gilt für die Preisänderungsklausel in dem hier verwendeten älteren Bestellformular der Beklagte Auch diese Klausel benachteiligt den Käufer in unangemessener Weise, weil sie beliebige Preiserhöhungen der Beklagte ermöglicht, ohne dem Käufer unter bestimmten Voraussetzungen ein Lösungsrecht einzuräumen.

Mit der Revision und entgegen den Erwägungen einiger Instanzgerichte ist davon auszugehen, dass an die Stelle des mithin unwirksamen formularmäßigen Preisänderungsvorbehalts nicht eine nachträgliche Abänderungsvereinbarung der Parteien getreten ist. Dabei kann offen bleiben, ob in der Rechnung der Beklagte vom 20. 1. 1982 ein Angebot zum Abschluss einer derartigen Vereinbarung gesehen werden kann. Denn jedenfalls fehlt es an der Annahme dieses Angebots durch den Kläger. Die Abnahme des Kraftfahrzeugs und die vorbehaltlose Zahlung des Kaufpreises können nicht als Annahmeerklärung ausgelegt werden. Sie sind zwar kurze Zeit nach der Senatsentscheidung vom 7. 10. 1981 erfolgt: es ist jedoch nichts dafür dargetan, dass der Kläger bei der Abnahme des Fahrzeugs die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel kannte. Unter diesen Umständen musste er davon ausgehen, dass die Beklagte nur von dem ihr in ihren Geschäftsbedingungen eingeräumten einseitigen Preisänderungsrecht Gebrauch gemacht hatte und für die Annahme eines Angebots daher kein Raum war.

Gem. § 6 AGBG ist der Vertrag der Parteien vom 24. 10. 1977 auch nach dem Wegfall der Preisänderungsklausel im Übrigen wirksam geblieben. Sein Inhalt richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften.

Allerdings kommen dispositive gesetzliche Bestimmungen, die die Preisänderungsklausel ersetzen könnten, nicht in Betracht:

Die Vorschrift des § 453 BGB setzt voraus, dass als Kaufpreis der Marktpreis - ein auf bestimmte Leistungsorte bezogener, sich aufgrund der Marktlage bildender Durchschnittswert - bestimmt ist. Der in das Bestellformular aufgenommene Hinweis auf den Listenpreis der Beklagte kann nicht als Bezugnahme auf einen derartigen Marktpreis verstanden werden. Dabei kann dahinstehen, ob es an einem Marktpreis wegen der Festsetzung des Neuwagenpreises durch den Verkäufer überhaupt fehlt. Selbst wenn Listen- und Marktpreis einander in der Regel entsprächen, könnte das für die Anwendung dieser Vorschrift nicht ausreichen, weil die Vereinbarung eines Marktpreises von den Parteien nicht gewollt war. Auch eine Anwendung der §§ 612 II, 632II BGB scheidet aus, weil eine taxmäßige Vergütung durch die Preiserhöhungsklausel ausgeschlossen werden sollten.

Entgegen der Ansicht des Berufsgericht können die Bestimmungen der §§ 315, 316 BGB nicht unmittelbar angewendet werden. § 315 BGB setzt voraus, dass die Vertragsschließenden eine einseitige Befugnis zur Leistungsbestimmung vereinbart haben. Daran fehlt es angesichts der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel. Diese Klausel kann auch nicht in der Form teilweise aufrechterhalten werden, dass sie in einen - angeblich - wirksamen Teil und in einen unwirksamen Teil zerlegt wird. Denn eine gegen § 9 AGBG verstoßende Klausel kann auch im Individualprozess nicht auf einen zulässigen Inhalt zurückgeführt werden. Ein Recht zur Leistungsbestimmung durch die Beklagte kann auch nicht der Vorschrift des § 316 BGB entnommen werden. Denn für ihre Anwendung ist erforderlich, dass die Vertragsparteien eine Preisvereinbarung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses überhaupt noch nicht getroffen haben.

Die durch die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel entstandene Regelungslücke in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag kann jedoch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise geschlossen werden, dass dem Verkäufer ein Preisänderungsrecht zugestanden, dem Käufer aber unter bestimmten Voraussetzungen ein Rücktrittsrecht eingeräumt wird.

Infolge der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel ist in dem Vertrag eine Lücke entstanden, die den Regelungsplan der Parteien vervollständigungsbedürftig macht. An einer Lücke fehlt es nicht schon deshalb, weil die Parteien einen bestimmten Preis vereinbart haben. Denn dieser Preis sollte nur zur Zeit gelten, und beide Parteien waren sich darüber einig, dass bei der erst längere Zeit später erfolgten Auslieferung des Fahrzeugs ein anderer Preis von dem Käufer geschuldet sein sollte. Da das von ihnen vereinbarte Verfahren zur Ermittlung dieses anderen Preises der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht standgehalten hat, ist in ihrem Regelungsplan eine Lücke eingetreten. Deren Schließung durch eine ergänzende Vertragsauslegung steht nicht entgegen, dass es sich um eine Unvollständigkeit im Willen oder in der Erklärung der Parteien, sondern um den Wegfall einer unwirksamen Vereinbarung handelt.

Die ergänzende Vertragsauslegung geht der - im Schrifttum teilweise vorgeschlagenen - Anwendung der Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Denn die mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung ermöglichte Durchführung des Regelungsplanes der Vertragsparteien hat Vorrang vor einer bei Wegfall der Geschäftsgrundlage unter Umständen notwendigen Korrektur der vertraglichen Abreden. Es ist kein Grund ersichtlich, dieses Verhältnis zwischen dem durch ergänzende Auslegung zu ermittelnden Vertragsinhalt und einer Anpassung gemäß § 242 BGB im Rahmen des § 6 AGBG anders zu beurteilen. Zudem könnten im Bereich der hier zu behandelnden Fragestellung nur Sonderfälle besonders erheblicher und nicht voraussehbarer Äquivalenzstörungen mit den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage erfasst werden.

Bei den Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB, in denen die ergänzende Vertragsauslegung ihre Grundlage hat, handelt es sich um gesetzliche Vorschriften i. S. des § 6 II AGBG. Zwar gehen die Normen des dispositiven Gesetzesrechtes der ergänzenden Vertragsauslegung vor. Wenn aber dispositives Gesetzesrecht im Sinne konkreter materiell-rechtlicher Regelungen nicht zur Verfügung steht und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel - wie noch auszuführen sein wird - keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und des Kunden Rechnung tragende Lösung bietet, tritt diejenige Gestaltungsmöglichkeit ein, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.

Die gegen eine Berücksichtigung der ergänzenden Vertragsauslegung angeführten Gründe können nicht überzeugen: Der Wortlaut des § 6 II AGBG bietet keinen Anhaltspunkt dafür, den Begriff der gesetzlichen Vorschrift auf Normen mit sachlichem Regelungsgehalt zu beschränken und methodische Vorschriften auszugrenzen. Für die ergänzende Vertragsauslegung trifft es nicht zu, dass die Vorschriften der §§ 157, 133 BGB nur ein Hilfsinstrument zur Ermittlung des Parteiwillens seien, der im Rahmen des § 6 II AGBG gar nicht zu ermitteln sei. Denn nicht den wirklichen Willen der Vertragsparteien hilft die ergänzende Vertragsauslegung zu erforschen, sondern eine lückenhafte vertragliche Regelung am Maßstab des - objektiv zu ermittelnden - hypothetischen Parteiwillens zu schließen.