Provision

Die Beklagten, eine Teilzahlungsbank, gewährte am 10. 3. 1976 der damals 19 Jahre alten Kl zum Ankauf von Möbeln einen Ratenkredit mit einer Laufzeit von 36 Monaten. Das von dem Kläger unterschriebene Kreditvertragsformular enthielt folgende Berechnung:

Barzahlungspreis 7504,- DM, Versicherungsprämie 285,- DM, Kosten der Verkäuferfirma 275,-DM, Antragssumme 8 064,- DM, Kreditgebühr von der Antragssumme 0,9% pro Monat 2757,90 DM, Bearbeitungsgebühr der Bank 161,30 DM, Kreditbetrag 10 983,20 DM,

Der effektive Jahreszins war mit 22,74% angegeben. Zur Absicherung des Kredits trat die Kläger, die als Arbeiterin monatlich 630 DM netto verdiente, den pfändbaren Teil ihrer Lohnansprüche an die Beklagten ab. Außerdem übernahmen ihre Eltern die selbstschuldnerische Bürgschaft. Die im Vertrag als Kosten der Verkäuferfirma ausgewiesenen 275 DM erhielt der Kreditvermittler P von der Beklagten als Provision, ferner ein Packing von 0,2% pro Monat = 590,30 DM. Auch der als Versicherungsprämie bezeichnete Betrag von 285 DM wurde von der Beklagten an P ausgezahlt. Er schloss für die Kläger eine Restschuldversicherung ab und bezahlte deren Prämie in Höhe von 179 DM abzüglich einer Vermittlungsprovision von 25% = 44,74 DM, während er den Rest behielt. Im Juni 1978 löste die Kläger den noch offenen Kreditrest vorzeitig ab und erhielt dabei von der Beklagten eine Gebührenrückvergütung von 209,60 DM. Nachdem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab Ende 1978 mehrfach Ratenkreditverträge mit Teilzahlungsbanken für sittenwidrig und nichtig erklärt worden waren, ließ sich die Firma W als Liquidatorin zweier Gesellschaften, deren Geschäftsführer der Kreditvermittler P gewesen war, von der Kläger und anderen früheren Kunden des P deren Ansprüche gegen die Beklagten aus angeblich sittenwidrigen Kreditverträgen abtreten. Als die Beklagten Bedenken gegen die

Wirksamkeit der Abtretung erhob, erklärte die W die Rückabtretung. Für die nunmehr von dem Kläger erhobene Klage besteht zwischen der W und der Kläger eine Vereinbarung, nach der die W gegen eine hälftige Beteiligung am Prozesserfolg das Kostenrisiko trägt. Die Kläger hat zunächst Rückzahlung von 3479,20 DM und Erstattung vorgerichtlicher Mahnkosten von 50 DM verlangt, in der Berufungsinstanz ihre Forderung aber auf 3269,60 DM ermäßigt.

Das Landgericht hat die Klage voll abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr nur in Höhe von 349,22 DM nebst Zinsen stattgegeben. Die - zugelassene - Revision der Kläger hatte überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: I. Mit Recht ist das Berufsgericht davon ausgegangen, dass der Ratenkreditvertrag vom 10. 3. 1976 nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats als wucherähnliches Geschäft gemäß § 138 I BGB sittenwidrig und daher nichtig ist. Diese Beurteilung ergibt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Geschäftsumstände.

Besonderes Gewicht kommt dabei dem Vergleich zwischen Leistung und Gegenleistung zu. Mit Recht hat das Berufsgericht ein auffälliges Missverhältnis bejaht, weil der von der Beklagten geforderte effektive Jahreszins den sich aus den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ergebenden Marktzins erheblich übersteigt. Selbst wenn man, da die Bundesbankstatistik sich auf unvermittelte Kredite ohne Restschuldversicherung bezieht, auch bei der Berechnung des Vertragszinses die Versicherungsprämie und sämtliche Beträge, die dem Vermittler zugeflossen sind, unberücksichtigt lässt und - mit dem Berufsgericht - den Rechenfehler bei der Berechnung der Kreditgebühren berichtigt, also nur von 0,7% pro Monat ausgeht.

Dem stand zur Zeit des Vertragsabschlusses bei 0,33% p. M. Kreditgebühren zuzüglich 2% Bearbeitungsgebühr ein Marktzins von 9% gegenüber. Der Vertragszins überstieg den Marktzins nach dieser für die Beklagten günstigsten Berechnungsart also um 97%. Der Unterschied vergrößert sich noch beträchtlich, wenn man in die Berechnung des Vertragszinses die dem Vermittler zugeflossenen Beträge einbezieht. Ob das schon deswegen berechtigt ist, weil die Einschaltung des Kreditvermittlers im weitaus überwiegenden Interesse der kreditgebenden Bank liegt, hat der Senat bisher nicht abschließend entschieden. Für eine solche einseitige Einbeziehung der Vermittlungskosten in die Berechnung des Vertragszinses spricht hier noch zusätzlich, dass der Vertrag die Beträge, die dem Vermittler zuflossen, überhaupt nicht erkennbar ausgewiesen, sondern ausnahmslos durch falsche Bezeichnungen verschleiert hat. Die Frage der Einbeziehung der Vermittlungskosten braucht jedoch auch hier nicht endgültig entschieden zu werden, weil schon die für die Beklagten günstigste Berechnungsweise, nach der der Vertragszins den Marktzins schon um knapp 100% übersteigt, zur Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung genügt.

Zu den besonderen Umständen, die dem Ratenkreditvertrag ein sittenwidriges Gesamtgepräge geben, hat das Berufsgericht neben den irreführenden Angaben über die Vermittlungskosten auch die Kreditbedingungen der Beklagten gerechnet, die in mehreren Punkten unklar waren und die Kläger, insbesondere im Falle des Verzuges, unbillig belasteten. Auch insoweit entspricht das angefochtene Urteil der Rechtsprechung des erkennenden Senats, der sich mit den Kreditbedingungen der Beklagten bereits mehrfach beschäftigt hat.

Schließlich ist vom Berufsgericht auch rechtsfehlerfrei festgestellt worden, dass die Kläger sich nur wegen ihrer wirtschaftlich schwächeren Lage und wegen ihrer mangelnden Rechtskunde und Geschäftsgewandtheit auf diesen insgesamt unbilligen Vertrag eingelassen hat und dass die Beklagten bei Aufstellung der Kreditbedingungen und ihre Bediensteten bei Abschluss dieses Vertrages sich zumindest leichtfertig dieser Einsicht verschlossen haben.

Gleichwohl hat das Berufsgericht es abgelehnt, die Beklagten gemäß § 812 BGB zur Rückzahlung aller aufgrund des Vertrages vom 10. 3. 1976 gezahlten Kreditkosten zu verurteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit komme es bei bereits voll abgewickelten Verträgen auf die Umstände und Wertungen im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts an. Sogar Mitte 1978, als die Kläger die letzten Zahlungen an die Beklagten geleistet habe, habe es aber - wie die eigene Rechtsprechung des Berufsgericht ausweise - noch keine allgemein anerkannte Auffassung über die Bewertung von Ratenkreditverträgen der streitigen Art gegeben. Erst danach, ab November 1978, habe sich, im Zuge der Wandlung der Grundanschauungen auf dem Gebiete des Verbraucherschutzes, in der Rechtsprechung die Auffassung von der Sittenwidrigkeit solcher Verträge durchgesetzt. Rechtsfrieden und Rechtssicherheit müssten Vorrang haben vor dem Interesse des Darlehensnehmers, die Sittenwidrigkeit jetzt noch geltend zu machen.

Diese Begründung des Berufsgerichts hält der revisionsrechtlichen Oberprüfung nicht stand.

Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt: Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts bestimmt sich nach herrschender Rechtsprechung und Lehre grundsätzlich nach den im Zeitpunkt seiner Vornahme gegebenen Umständen und Wertanschauungen. Ein Wandel der Umstände kann nicht rückwirkend zur Nichtigkeit eines wirksam geschlossenen Geschäfts führen. Wenn das Rechtsgeschäft noch nicht erfüllt ist und die Erfüllungshandlung nach den im Zeitpunkt ihrer Beurteilung maßgebenden Anschauungen sittenwidrig wäre, so führt auch das nicht zur Nichtigkeit des ganzen Vertrages, sondern dazu, dass der Schuldner gemäß § 242 BGB die noch ausstehende Erfüllung verweigern kann.