Prozessvollmacht

Eine ausdrückliche Bevollmächtigung des Rechtsanwalts zum Vertragsabschluss lässt sich aus den Feststellungen des Berufsgerichts nicht herleiten. Insbesondere war er aufgrund seiner Prozessvollmacht nicht dazu befugt, seine Vollmacht an einen anderen so weiterzugeben, dass dieser neben ihm die Vertretung für den Prozess als Ganzes übernahm.

Zutreffend hat aber das Berufsgericht die Beauftragung des Klägers der Beklagten nach den Grundsätzen über die Anscheinsvollmacht zugerechnet. Danach kann sich der Vertretene auf den Mangel der Vollmacht seines angeblichen Vertreters dann nicht berufen, wenn er dessen Verhalten zwar nicht kannte, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte kennen und verhindern können, und wenn der Geschäftsgegner das Verhalten des Vertreters nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dahin auffassen durfte, dass es dem Vertretenen bei verkehrsmäßiger Sorgfalt nicht habe verborgen bleiben können.

Das Berufsgericht nimmt an, die Beklagten habe bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen können, dass ihr Bruder den Kläger in ihrem Namen mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in der Berufungsinstanz beauftragt habe. Dem landgerichtlichen Urteil habe sie entnehmen können, dass der Kläger bereits in der ersten Instanz als ihr Prozessbevollmächtigter aufgetreten sei. Sie habe auch gewusst, dass er für diese Tätigkeit ihr gegenüber Honorarforderungen geltend gemacht habe. Da ihr bekannt gewesen sei, dass ihr Bruder den Kläger auch im Berufungsverfahren beigezogen habe und dieser im Rubrum des Teil- und Zwischenurteils des Oberlandesgerichts vom 4. 6. 1976 erneut als ihr Prozessbevollmächtigter aufgeführt sei, habe sie damit rechnen müssen, der Kläger werde auch für seine Tätigkeit in der Berufungsinstanz von ihr eine Vergütung erwarten. Diese Feststellungen halten den Angriffen der Revision stand. Sie beruhen auf einer Würdigung tatsächlicher Umstände, die besondere Kenntnisse über die Befugnisse und die Rechtsstellung eines Prozessbevollmächtigten oder die rechtliche Einordnung eines anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages nicht voraussetzt, und deshalb auch einer juristisch nicht vorgebildeten Partei möglich ist. Ohne Erfolg bleibt daher die Rüge der Revision, die verfahrensrechtliche Stellung eines Prozessbevollmächtigten und daraus sich im allgemeinen ergebende Folgerungen für die Honorarfrage hätte der Beklagten nicht bekannt zu sein brauchen. Zutreffend hat das Berufsgericht den für die Beklagten erkennbaren Rechtsschein in erster Linie auf deren Verhalten bei den gescheiterten Honorarverhandlungen gestützt. Die Beklagten hat noch vor Verkündung des erstinstanzlichen Urteils über ihren Bruder dem Kläger eine Pauschalzahlung von 15000 DM angeboten. Dies konnte das Berufsgericht rechtsfehlerfei dem Schreiben des Rechtsanwalts T vom 25. 10. 1972 und dem eigenen Vortrag der Beklagten entnehmen, das Honorarangebot sei nach Rücksprache mit ihr gemacht worden. Der Kläger hat daraufhin einen Gegenvorschlag vorgelegt, wonach er die gesetzlichen Gebühren für sich beanspruchte, diese aber zunächst gestundet werden sollten. Aufgrund dieses Angebots durfte die Beklagten nicht davon ausgehen, der Kläger werde sich wegen seiner in der Berufungsinstanz erwachsenen Gebührenansprüche an ihren Bruder halten oder werde zu geringeren als den gesetzlichen Gebühren für sie tätig werden.

Die Beklagten hätte das Handeln ihres Vertreters auch verhindern können. Dazu hätte sie dem Kläger lediglich anzeigen müssen, eine Beauftragung durch sie komme nicht in Betracht. Eine solche klarstellende Erklärung der Beklagten hat das Berufsgericht ohne Rechtsfehler als nicht bewiesen erachtet. Die Revision rügt zu Unrecht, das Berufsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO außer acht gelassen, dass Rechtsanwalt T nach der Zeugenaussage seiner Ehefrau dem Kläger auf dessen Bitte nach einer schriftlichen Prozessvollmacht der Beklagten erwidert habe: Sie stellen sich das so einfach vor, meine Schwester hat ihren eigenen Kopf. Sie unterschreibt mir keinen Übergabe- vertrag und auch keine Vollmacht. Das Berufsgericht hat diese Aussage nicht übergangen, wie seine Ausführungen zeigen. Seine Würdigung, bei der Erklärung des Rechtsanwalts T habe es sich um eine bloße Voraussage gehandelt, die er vor einer entsprechenden Befragung der Beklagten geäußert und die einen Anwaltsvertrag mit ihr nicht von vornherein ausgeschlossen habe, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Mit dem Berufsgericht ist weiter davon auszugehen, dass der Kläger nach Treu und Glauben aufgrund der Umstände und der Verkehrssitte darauf vertrauen durfte, Rechtsanwalt T sei dazu befugt, mit dem Kläger einen Anwalts- vertrag mit Wirkung für die Beklagten abzuschließen. Zutreffend leitet der Berufsgericht den Rechtsschein einer entsprechenden Vertretungsmacht aus der Stellung des Rechtsanwalts T als eines langjährigen Kollegen des Kläger ab und auch daraus, dass der Bruder der Beklagten den Prozess sehr selbständig führte und mit der Sache selbst in enger Beziehung stand. Die Revision macht geltend, der Kläger habe sich bei einem so außergewöhnlichen Rechtsgeschäft, wie es die Beauftragung eines weiteren Prozessbevollmächtigten in einem Rechtsstreit mit einem Streitwert von nahezu 16 Millionen DM darstelle, nicht auf das Wort des Rechtsanwalts T verlassen dürfen, sondern habe unmittelbar mit der Beklagten in Kontakt treten oder wenigstens auf der Erteilung einer schriftlichen Vollmacht bestehen müssen. Dem ist nicht beizutreten. Die Umstände des Einzelfalls können auch bei Vorliegen eines wichtigen, nicht besonders eilbedürftigen Geschäfts zur Annahme einer Anscheinsvollmacht führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Geschäftspartner dem Vertreter besonderes Vertrauen entgegenbringen kann und einleuchtende Gründe für den Abschluss gerade eines solchen Rechtsgeschäfts vorliegen. Dem Bruder der Beklagten als einem ihm lange bekannten Berufskollegen durfte der Kläger in gesteigertem Maße vertrauen. Auch brauchen sich ihm aus der Art des Rechtsgeschäfts nicht notwendig Zweifel an der Vertretungsmacht des Rechtsanwalts T aufzudrängen. Dieser stand selbst eng mit dem dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt in Beziehung und wurde von dem Verfahren auch wegen seines Alters persönlich stark belastet. Dies konnte der Beklagten nach der Lebenserfahrung schwerlich verborgen bleiben. Es lag deshalb durchaus in ihrem Interesse, zur Gewährleistung einer sorgfältigen Prozessführung den Kläger als eine an der Sache unbeteiligte Person zusätzlich einzuschalten und damit eine unvoreingenommene Einschätzung der Rechtslage und eine entsprechende Prozessführung zu fördern. Gerade auch die erhebliche Bedeutung des Rechtsstreits ließ eine zusätzliche Prozessvertretung durch den Kläger wirtschaftlich für vertretbar erscheinen. Das gilt um so mehr, als Rechtsanwalt T erklärt hatte, die eingeklagten Rechte würden für die Familie geltend gemacht, und es deshalb nahe lag, dass die Beklagten, soweit sie im Rechtsstreit unterliegen würde, im Ergebnis nicht oder jedenfalls nicht allein für die ihrem Bruder erwachsenen Anwaltsgebühren würde einstehen müssen.

Die Revision rügt schließlich, das Berufsgericht habe nicht beachtet, dass eine Anscheinsvollmacht nur bei einer gewissen Häufigkeit des Handelns des vorgeblichen Vertreters und einer gewissen Zeitdauer seiner Tätigkeit in Frage kommt. Sie meint, davon könne bei einer lediglich auf die Vertretung der Beklagten im ersten und zweiten Rechtszug eines Rechtsstreits gerichteten Bestellung des Klägers keine Rede sein. Auch diese Rüge bleibt bei dem hier zu prüfenden Sachverhalt ohne Erfolg. Das Berufungsverfahren dauerte nahezu fünf Jahre. In den zahlreichen Verhandlungsterminen wurde dem Kläger regelmäßig gestattet, selbständig neben Rechtsanwalt T aufzutreten. Dadurch wurde über eine lange Zeitspanne hinweg der Eindruck erweckt, sein Handeln im Namen der Beklagten stehe im Einklang mit den Absichten des Rechtsanwalts T und einer ihm von der Beklagten erteilten Vertretungsmacht. Damit ist aber dem Erfordernis Genüge getan, dass das Verhalten des Vertreters von einer gewissen Häufigkeit oder Dauer sein muss, um einen Vertrauenstatbestand zu rechtfertigen.

Da nach den Feststellungen des Berufsgerichts die Parteien eine Honorarvereinbarung nicht getroffen haben, steht dem Kläger die von ihm eingeklagte gesetzliche Vergütung zu...