Publikumsgesellschaft

In einer Publikumsgesellschaft ist eine gesellschaftsvertragliche Bestimmung unwirksam, die den Gründergesellschaftern eine Sperrminorität sichert, wenn der von ihnen bestellte Geschäftsführer ersetzt und der den Geschäftsführer kontrollierende Aufsichtsrat gewählt werden soll.

In einer Publikumsgesellschaft sind Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ungeachtet dessen, dass ein Gesellschafter versehentlich nicht eingeladen worden ist, wirksam, wenn sicher feststeht, dass sie nicht auf dem Mangel beruhen.

Zum Sachverhalt: Der Kläger entwarf 1976/77 als Rechtsanwalt anlässlich der Gründung mehrerer Gesellschaften im Auftrage der Beklagte zu 1 mehrere Verträge. Am 1. 6. 1978, zurückdatiert auf den 31. 12. 1977, stellte er als Entgelt für diese Tätigkeit der Beklagte zu 1 81126,86 DM und der Beklagte zu 2, die insoweit die Schuld übernommen haben soll, 26037,40 DM in Rechnung. Bis auf 60000 DM, die die Beklagte zu 1 gezahlt hat, macht der Kläger die Beträge mit der Klage geltend. Die Beklagten haben die Höhe der Vergütung, die Beklagte zu 2 hat darüber hinaus ihre Passivlegitimation bestritten. Ferner haben die Beklagten hilfsweise mit Gegenforderungen aufgerechnet, die ihnen die H, eine Publikumsgesellschaft bürgerlichen Rechts, durch ihren Verwalter V in Höhe von 22441,42 DM und 27657,50 DM abgetreten habe. Dabei geht es um Ansprüche der H gegen den Kläger, der bis zum 15. 11. 1979 deren Verwalter war, auf Rückzahlung eines unberechtigt entnommenen Verwalterhonorars sowie um den Ersatz von Prozesskosten, die der H in Folge pflichtwidriger Geschäftsführung des Klägerin Höhe von 76348,20 DM und 8957,83 DM entstanden sein sollen. Der Kläger hält die Abtretung für unwirksam, weil V in der Gesellschafterversammlung vom 3. 7. 1980 nicht wirksam zum Verwalter der H bestellt worden sei; die Abstimmung habe nicht die dafür erforderliche Mehrheit ergeben und die G, eine Gesellschafterin der H, sei zu der Versammlung nicht eingeladen worden. Der die Gesellschafterbeschlüsse regelnde § 8 des Gesellschaftsvertrages der H hat folgenden Wortlaut:

Gesellschafterversammlungen werden von dem Verwalter einberufen, wenn ein wichtiger Grund besteht oder mindestens 25% der Gesellschafter dies schriftlich fordern. Die Einberufung hat schriftlich mit einer Frist von mindestens 14 Tagen unter Angabe von Tagungsort, Tagungszeit und Tagungsordnung zu erfolgen...

Die Gesellschafterversammlung beschließt über Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Veräußerung des Gesellschaftsvermögens im Ganzen, Auflösung der Gesellschaft, Ausschüttungen an die Gesellschafter aus Gewinnen, Abberufung und Neubestellung des Verwalters sowie Berufung des Aufsichtsrates.

Je 10000 DM Pflicht-Kapitalanteile ergeben eine Stimme. Der Verwalter hat kein Stimmrecht. Eine ordnungsgemäß einberufene Gesellschafterversammlung ist ohne Rücksicht auf das vertretene Kapital in jedem Falle beschlussfähig.

Die nach Absatz 2 zulässigen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden bis zum 31. 12. 1983 mit einer Mehrheit von 90% des Pflicht- Kapitals der Gesellschaft gefasst. Nach dem 31. 12. 1983 genügt eine Mehrheit von 75% des Pflicht-Kapitals..

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufsgericht hat die Beklagte zu 1 verurteilt, dem Kläger 115,02 DM zu zahlen. Die Beklagte zu 2 ist zu 21.990,68 DM unter dem Vorbehalt verurteilt worden, dass über die Aufrechnung mit dem Anspruch auf Ersatz der Prozesskosten noch entschieden wird. Im Übrigen war die Berufung des Klägers erfolglos. Seine Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht bejaht ohne Rechtsfehler, dass Honorarforderungen gegen beide Beklagte in der vom Kläger geltend gemachten Höhe entstanden sind. Diese Rechtsansicht wird von der Revision - weil ihr günstig - nicht angegriffen. Die Revision wendet sich vielmehr dagegen, dass das Berufsgericht die Abtretung von Seiten der H mit der Folge für wirksam hält, dass durch Aufrechnung die Honorarforderungen mindestens in Höhe von 28250 DM, möglicherweise noch darüber hinaus erloschen sind. Sie vertritt den Standpunkt, V habe am 6. 8. 1980 die Beklagten keine Forderungen der H abtreten können, weil er am 3. 7. 1980 nicht wirksam zu deren Verwalter bestellt worden sei. Hiermit hat sie Erfolg. Das angefochtene Urteil lässt sich mit der vom Berufsgericht gegebenen Begründung nicht halten.

Der Senat hat im Urteil WM 1982, 583 = ZIP 1982, 592, § 8 V des Gesellschaftsvertrages der H insoweit für unwirksam gehalten, als jener für die Abberufung des Verwalters eine qualifizierte Mehrheit fordert. Mit Recht hält das Berufsgericht ein Mehrheitserfordernis von 90% des Pflicht-Kapitals auch dann für unzulässig, wenn es darum geht, einen neuen Verwalter zu bestellen.

Die H ist eine Publikumsgesellschaft. Ihr Gesellschaftsvertrag ist von zwei Gesellschaftern geschlossen worden und auf den Beitritt einer unbestimmten Vielzahl weiterer Gesellschafter angelegt. Er unterliegt deshalb der gerichtlichen Inhaltskontrolle nach § 242 BGB. Die Gründergesellschafter, die am vorgesehenen und von künftigen Gesellschaftern noch zu zeichnenden Pflicht-Kapital der Gesellschaft von 1,5 Mio. DM mit zusammen 200000 DM beteiligt waren, haben sich im § 8 V der Satzung für die Dauer von mehr als sechs Jahren eine Sperrminorität gesichert, die ausschließt, dass gegen ihren Willen der von ihnen bestellte Verwalter abberufen und durch eine andere Person ersetzt werden kann. Die Anlagegesellschafter sind von allen wichtigen unternehmerischen Entscheidungen ausgeschlossen und können auch ihre Informations- und Kontrollrechte nach § 716 BGB außerhalb der Gesellschafterversammlung nur durch einen Aufsichtsrat ausüben, auf dessen Zusammensetzung sie wegen der Sperrminorität der Gründergesellschafter ebenfalls keinen entscheidenden Einfluss haben. Die Gründergesellschafter haben auf diese Weise durch vorweggenommene Regelung ihrem Verwalter eine von Seiten der künftigen Anteilserwerber unangreifbare Stellung gesichert, die im Interesse einer Vertragsgerechtigkeit nicht bestehen bleiben kann. Da die Gesellschaft einen Fremdgeschäftsführer hat, ist die Beteiligung auch für die Gründer eher ein finanzielles Engagement und nicht zugleich Beruf und Existenzgrundlage. Ihre Stellung ist deshalb mit der der späteren Anlagegesellschafter vergleichbar und ihr Interesse, die Geschäftsführung und den diese kontrollierenden Aufsichtsrat mit Personen ihres Vertrauens zu besetzen, nicht schutzwürdiger als das ihrer Mitgesellschafter. Da diese durch die qualifizierte Mehrheit von 90% des Pflicht-Kapitals daran gehindert sind, gegen den Willen der Gründer die Organe der Gesellschaft mit Personen zu besetzen, denen auch sie vertrauen, ist die Satzung insoweit unwirksam. Das gilt nicht nur, wenn der Geschäftsführer abzuberufen, sondern auch dann, wenn er neu zu bestellen ist. Denn die Notwendigkeit, sich mit 90% auf einen neuen Verwalter zu einigen, kann, wenn ein derart weitgehender Konsens nicht zu erwarten und deshalb die Führungslosigkeit der Gesellschaft zu befürchten ist, auch die Abberufung des alten Verwalters selbst dann erschweren, wenn dazu die einfache Mehrheit ausreicht. Ob der neue Verwalter mit einfacher Mehrheit zu bestellen ist oder ob die nach dem 31. 12. 1983 geltende Regelung, wonach die Beschlüsse mit einer Mehrheit von 75% des Pflicht-Kapitals zu fassen sind, Bestand hat und schon für den Zeitraum davor gilt, braucht nicht entschieden zu werden. Denn die Mehrheit von 75% ist erreicht worden. Für den Antrag lagen 58 von 66 Stimmen vor.