Rechtsanwalt einen Auftrag

Erhält ein Rechtsanwalt einen Auftrag, Schadensersatzansprüche aus § 19 BNotO gegen einen Notar durchzusetzen, so muss er, falls er aufgrund früherer Tätigkeiten für den Mandanten für den Schaden mitverantwortlich sein kann, prüfen und mit dem Mandanten erörtern, ob diesem auch Ersatzansprüche gegen ihn zustehen. Verletzt er diese Pflicht und verjährt deshalb der Schadensersatzanspruch des Mandanten gegen ihn, so hat er für den Schaden einzustehen, der seinem Auftraggeber daraus erwächst. Er muss ihn daher so stellen, als sei der ursprüngliche Anspruch noch nicht verjährt.

Zum Sachverhalt: Die Kläger waren Eigentümer eines größeren Grundstückes. Sie beabsichtigten, dieses Grundstück zu bebauen, und schlossen deshalb mit der Gemeinnützigen Baugenossenschaft D, im folgenden GBD genannt, mehrere Verträge. Danach sollte die GBD ohne Zahlung eines Kaufpreises rund Y3 der Miteigentumsanteile erhalten, aber das gesamte Grundstück bebauen, so dass sie für die Kläger 20 Wohnungen, 16 Garagen und 4 Abstellplätze zu erstellen hatte. Nachdem die GBD gleichwohl noch Zahlungsansprüche gegen die Kläger erhoben hatte, suchten diese im November 1973 anwaltlichen Rat und Hilfe bei dem früheren Erstbeklagte Am 1. 2. 1974 schloss sich der seitherige Drittbekl., im folgenden nur Beklagte genannt, mit dem Erstbeklagte zur gemeinsamen Berufsausübung zusammen. Nach Beratung durch diese beiden Anwälte schlossen die Kläger zur Beilegung der aufgetretenen Differenzen am 29. 5. 1974 - in Anwesenheit des Beklagten - vor dem Notar H mit der GBD einen notariellen Vertrag, durch den die Beteiligten alle früheren Verträge aufhoben, die Kläger das gesamte Grundstück an die GBD verkauften und letztere sich verpflichtete, am 1. 10. 1974 1 238 100,-DM an die Kläger zu zahlen. Wegen der Zahlungsverpflichtung unterwarf sich die GBD der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Eine dingliche Sicherung der Kaufpreisforderung sah der Vertrag nicht vor. Mit Rechnung vom 10. 6. 1974 verlangte die Sozietät des Beklagten von den Kläger die Gebühren für die Vertretung in der Grundstückssache. Am 31. 7. 1974 zahlten die Kläger die gesamten Gebühren. Am 2. 9. 1974 wurde die GBD als Eigentümerin des früheren Grundstücks der Kläger in den Wohnungsgrundbuchblättern eingetragen. Sie kam jedoch ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Kläger nicht nach. Mit einem von ihrem Sohn verfassten Schreiben vom 4. 9. 1974 äußerten die Kläger gegenüber der Sozietät des Beklagten den Wunsch, dass die im Vertrag vom 29. 5. 1974 ausgehandelte Kaufpreissumme von der GBD nicht in bar, sondern durch Übereignung von Wohnungen beglichen werde. Dazu kam es allerdings nicht. Zwar schlossen die Kläger in der Folgezeit noch eine Reihe weiterer Verträge mit der GBD, in welchen diese sich verpflichtete, den Kläger Geschäftsräume, Wohnungen und Abstellplätze zu übereignen. Sie konnten sich dadurch jedoch nur teilweise den ausstehenden Kaufpreisanspruch sichern, da der Durchführung einiger Verträge Hindernisse entgegenstanden.

Im September 1975 erfuhren die Kläger erstmals von Zahlungsschwierigkeiten der GBD. Am 30. 9. 1975 stellte der Beklagte im Auftrag der Kläger Konkursantrag gegen die GBD. Nachdem die Anwaltsozietät, welcher der Beklagte angehörte, im Sommer 1976 aufgelöst worden war, wandten sich die Kläger nur noch an den Beklagten In ihrem Auftrag teilte der Beklagte auch mit Schreiben vom 30. 11. 1976 dem Notar H, der den Vertrag vom 29. 5. 1974 beurkundet hatte, mit, er sei beauftragt, u. a. gegen ihn eine Feststellungsklage wegen Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Beurkundung dieses Vertrages zu erheben. Am 11. 8. 1978 kündigten die Kläger dem Beklagten das Mandat für alle im Zusammenhang mit der GBD und deren Konkurs stehenden Rechtsfälle. Die Kläger verlangten nun auch von dem Beklagten und seinen Sozien Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages vom 29. 5. 1974. Am 2. 7. 1979 zahlte der Haftpflichtversicherer der Sozietät an die Kläger 250 000 DM. Mit Schreiben vom 28. 6. 1979 verzichtete der Beklagte zunächst befristet bis 31. 12. 1979, mit Schreiben vom 24. 9. 1979 alsdann unbefristet, auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede, jeweils unter der Voraussetzung, dass die Verjährung noch nicht eingetreten war.

Nachdem die Kläger zunächst nur die beiden ehemaligen Sozien des Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz verklagt hatten, erweiterten sie ihre Klage durch Schriftsatz vom 28. 1. 1980, zugestellt am 7. 2. 1980, auch auf den Beklagten Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Klageanspruch in Höhe von 300 000 DM weiter. Die gegen den früheren Zweitbeklagte eingelegte Revision haben sie inzwischen zurückgenommen. Soweit sich die Revision gegen den im Revisionsrechtszug verstorbenen Erstbeklagte richtet, ist das Verfahren durch Eröffnung des Nachlasskonkurses unterbrochen.

Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht würdigt das Verhalten der Parteien im Zusammenhang mit der Übersendung und Begleichung der Kostenrechnung vom 10. 6. 1974 dahingehend, dass das Mandat spätestens mit Übersendung dieser Rechnung beendet war. Etwaige Schadensersatzansprüche, auch sogenannte sekundäre Ersatzansprüche wegen unterlassenen Hinweises auf die eigene Haftung und den Eintritt der Verjährung, seien damit seit dem 10. 6. 1977 verjährt.

Der Beklagte haftet nach Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht deshalb, weil er mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Notar beauftragt war, der den Vertrag vom 29. 5. 1974 beurkundet hatte. Selbst wenn er damals auch zum Vorgehen gegen seine ehemaligen Sozien beauftragt gewesen sein sollte, so sei ein solches Vorgehen nicht zu trennen gewesen von den gegen ihn selbst gerichteten Ansprüchen. Diese seien daher identisch mit einem etwaigen Sekundäranspruch gegen den Beklagten, der aber bereits am 10. 6. 1977 verjährt gewesen sei.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Erfolglos wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, spätestens am 10. 6. 1977 seien sowohl etwaige primäre Schadensersatzansprüche der Kläger gegen den Beklagten wegen anwaltlicher Pflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages vom 29. 5. 1974 verjährt, als auch sogenannte sekundäre Ansprüche aus den während der Mandatszeit geschuldeten Pflichten zum Hinweis auf Ansprüche gegen sich selbst.

a) Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Kläger gegen den Beklagten wegen fehlerhafter Beratung über die Sicherung der Kaufpreisforderung im Vertrag vom 29. 5. 1974 wäre nach der ersten Alternative des § 51 BRAO bereits drei Jahre nach Schadensentstehung, also am 29. 5. 1977, verjährt gewesen.

b) Den Klägern hätte allerdings auch ein sogenannter sekundärer Anspruch gegen den Beklagten und seine Sozien zustehen können, wenn ein Mitglied der Sozietät es schuldhaft versäumt hätte, die Kläger vor Beendigung des Mandats über etwaige Ersatzansprüche gegen sich selbst bzw. die Sozietät und über die kurze Verjährungsfrist des § 51 BRAO zu belehren (Senatsurt., LM § 51 BRAO Nr. 3 = MDR 1977, 657 = VersR 1977, 617 [618]). Ein solcher Anspruch wäre aber nach der zweiten Alternative des § 51 BRAO spätestens drei Jahre nach Beendigung des Mandats ebenfalls verjährt gewesen (Senatsurt., VersR 1977, 622 [624] und LM § 209 BGB Nr. 38 = NJW 1979, 264 = MDR 1979, 215 = VersR 1979, 155 [156]). Die in diesem Zusammenhang vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, das zunächst dem früheren Erstbeklagte und dann auch dem Beklagten erteilte Mandat sei spätestens mit der Übersendung der Kostenrechnung vom 10. 6. 1974 beendet gewesen, ist frei von Rechtsfehlern. Zutreffend geht das Berufungsgericht nämlich davon aus, dass ein Rechtsanwalt mit der Übersendung seiner Kostenrechnung gegenüber dem Mandanten regelmäßig zum Ausdruck bringt, dass er den Auftrag als erledigt ansieht (vgl. Oberlandesgericht Bamberg, VersR 1978, 329). Rechtlich nicht zu beanstanden ist es ferner, dass das Berufungsgericht aus der Art und der Form der Kostenberechnung folgert, die in der Sozietät zusammengeschlossenen Anwälte hätten mit der Ausstellung der Rechnung diese Absicht gehabt und hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, und dass es die vorbehaltlose Zahlung der Klägerdahin würdigt, diese hätten die Rechnung so verstanden. Die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Der Senat sieht gemäß § 565a ZPO davon ab, dies im Einzelnen auszuführen. Damit wären sogenannte sekundäre Ansprüche der Kläger also ebenfalls - und zwar spätestens am 10. 6. 1977 - verjährt gewesen.

2. Rechtsfehlerhaft ist es aber, wenn das Berufungsgericht ausführt, dieses Ergebnis lasse sich nicht auf dem Umweg über ein angeblich neu erteiltes Mandat korrigieren.

a) Das vom Berufungsgericht herangezogene Urteil des erkennenden Senats, LM § 51 BRAO Nr. 3 = MDR 1977, 657 liefert für diese Auffassung keine Stütze. Es befasst sich nur mit sekundären Ansprüchen aus der Verletzung von Hinweispflichten während des zunächst bestehenden Mandats.

4.) Die Regelung des § 51 BRAO würde, wie der Senat bereits in NJW 1979, 264 = MDR 1979, 215 zum Ausdruck gebracht hat, nur dann ausgehöhlt werden, wenn man einen Rechtsanwalt für verpflichtet ansehen wollte, nach Beendigung des Mandats und ohne Erteilung eines neuen Auftrags - allein aufgrund nachvertraglicher Rechtswirkungen - auf einen Ersatzanspruch gegen sich selbst bzw. auf die Gefahr der Verjährung dieses Anspruches hinzuweisen.

c) Erteilt der Mandant dem Anwalt jedoch in derselben Angelegenheit ein neues Mandat, ehe die früheren Schadensersatzansprüche gegen ihn verjährt sind, so kann es durchaus zu den Pflichten des Anwalts gehören, nunmehr den Mandanten auch auf die bestehenden Ansprüche gegen sich selbst hinzuweisen; die Verletzung dieser Pflichten kann ihn gegenüber dem Mandanten dann auch schadensersatzpflichtig werden lassen.

aa) Begehrt der Mandant den Ersatz eines bestimmten Schadens von einer genau bezeichneten Person, so darf sich der Anwalt im allgemeinen nicht darauf beschränken, Ansprüche nur gegen diesen Schädiger durchzusetzen; er hat, wenn der Mandant den Auftrag nicht einschränkt, jedenfalls auch die Pflicht zur Prüfung, ob noch andere Personen als Ersatzpflichtige in Betracht kommen können, und er muss in aller Regel das Ergebnis seiner Überlegungen mit seinem Mandanten erörtern. Im Streitfalle bedarf es jedoch keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob ein Anwalt in einem solchen Fall regelmäßig auch auf etwaige Ansprüche gegen sich selbst hinweisen muss.

bb) Die Kläger hatten dem Beklagten nämlich spätestens im November 1976 - also noch vor Eintritt der Verjährung eines etwaigen Schadensersatzanspruches wegen Verletzung von Anwaltspflichten im Zusammenhang mit dem Vertrag vom 29. 5. 1974- den Auftrag erteilt, Schadensersatzansprüche aus § 19 BNotO gegen den Notar zu erheben, der den Vertrag vom 29. 5. 1974 beurkundet hatte; das geht aus dem Schreiben des Beklagten vom 30. 11. 1976 hervor, mit dem er namens der Kläger diese Ansprüche dem Notar gegenüber ankündigte. Wird einem Anwalt ein derartiger Auftrag erteilt (oder auch der Auftrag, Schadensersatzansprüche aus § 8391 BGB zu verfolgen), bei dem das Nichtbestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit Voraussetzung für das Bestehen des Anspruches ist, so muss er immer die Frage eines solchen Ersatzanspruches genau prüfen und mit seinem Mandanten erörtern. Dabei darf er keinesfalls etwaige Ansprüche gegen sich selbst vernachlässigen (RGZ 158, 130 [134]). Dasselbe gilt für Ansprüche gegen die mit ihm in einer Sozietät verbundenen Rechtsanwälte.

d) Verletzt der Anwalt die ihm im Rahmen eines neuen Mandats obliegende Pflicht, seinen Mandanten darauf aufmerksam zu machen, dass er oder seine Sozien ihm ebenfalls schadensersatzpflichtig sein können und diese Ansprüche innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 51 BRAO geltend gemacht werden müssen, so hat er, falls die Ansprüche verjähren, für den Schaden einzustehen, der seinem Auftraggeber daraus erwächst (RGZ 158, 130 [135]). Er muss daher seinen Mandanten so stellen, als sei der ursprüngliche Anspruch noch nicht verjährt.

3. Im Hinblick auf den vom Beklagten erstmals am 28. 6. 1979 und dann nochmals am 24. 9. 1979 ausgesprochenen Verzicht auf die Einrede der Verjährung ist ihm auch gegenüber einem im November 1976 etwa entstandenen Schadensersatzanspruch die Berufung auf Verjährung ohne Rücksicht darauf versagt, dass die auf den Beklagten erweiterte Klage erst am 7. 2. 1980 zugestellt worden ist (Senatsurt., LM § 249 [Hd] BGB Nr. 21 = MDR 1977, 384 = VersR 1977, 227 m. w. Nachw.).

III. Bei dieser Sachlage muss das Berufungsurteil, soweit es den Beklagten betrifft und soweit der Revisionsangriff der Kläger reicht (Abweisung eines Betrages von 300000 DM und anteilige Kostenbelastung), aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es - was es von seinem Rechtsstandpunkt bisher nicht für erforderlich halten musste - Feststellungen dazu trifft, ob der Beklagte oder einer seiner Sozien ebenfalls eine Verantwortung dafür trägt, dass in dem Vertrag vom 29. 5. 1974 die Kaufpreisforderung der Klägernicht gesichert war, und ob daraus eine Schadensersatzforderung der Kläger erwuchs.