Rechtsanwalt

Wenn der Prozessbevollmächtigte neben sich einen weiteren Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung beauftragt und dieser im Rechtsstreit für den Mandanten über längere Zeit hinweg tätig wird, kann dies nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht einen vertraglichen Gebührenanspruch des beauftragten weiteren Rechtsanwalts gegen den Mandanten begründen.

Zum Sachverhalt: Im Jahre 1969 begann die Beklagten gegen eine Sparkasse einen Rechtsstreit, in dem sie u. a. die Übertragung des Eigentums an mehreren Grundstücken begehrte. Mit der Prozessführung betraute sie den Rechtsanwalt T, ihren Bruder. Dieser bat noch während des ersten Rechtszuges den Kläger zu 1, einen langjährigen Anwaltskollegen, um Unterstützung. Der Kläger zu 1 bestellte sich in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht neben dem ebenfalls anwesenden Rechtsanwalt T als Bevollmächtigter der Beklagten Im Rubrum des landgerichtlichen Urteils wurden er und sein Sozius, der Kläger zu 2, neben Rechtsanwalt T als Prozessvertreter der Beklagten aufgeführt. Im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz am 3. 7. 1973 bestellte sich der Kläger zu 1 abermals neben Rechtsanwalt T als Prozessbevollmächtigter der Beklagten Er trat auch im weiteren Verlauf des Verfahrens als ihr Vertreter auf. Die Parteien streiten über die Berechtigung der von den Kläger für den Berufungsrechtzug geltend gemachten Honoraransprüche. Die Kläger, die in einer Anwaltssozietät verbunden sind, sind der Ansicht, die Beklagten habe den Kläger zu 1 durch Rechtsanwalt T als ihren Vertreter mit der Prozessführung vor dem Berufsgericht wirksam beauftragt. Sie haben die nach den Sätzen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung angefallenen Gebühren in Höhe von 234344,76 DM nebst Zinsen verlangt. Die Beklagten hat vorgetragen, sie habe die Erteilung eines Prozessauftrags ausdrücklich abgelehnt. Der Kläger zu 1 habe gegen ein Pauschalhonorar von 3000 DM lediglich ihren Bruder bei der Prozessführung unterstützen sollen und sei von ihm nur im eigenen Namen beauftragt worden. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 9.3. 1979 hat die Beklagten Widerklage erhoben mit dem Antrag, die Kläger zur Herausgabe von Kostenfestsetzungsbeschlüssen aus dem vorangegangenen Rechtsstreit zu verurteilen.

Das Landgericht hat der Klage unter Abzug bereits gezahlter 3000 DM in Höhe von 231344, 16 DM nebst Zinsen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Über die Widerklage hat es nicht entschieden. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil deshalb als Teilurteil angesehen und die Entscheidungen über die Kosten und zur Vollstreckbarkeit aufgehoben, im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufsgericht entnimmt dem Verhalten des Rechtsanwalts T, der das selbständige Auftreten des Kläger zu 1 in dem von der Beklagten geführten Rechtsstreit unbeanstandet hingenommen hat, er habe dem Kläger eine umfassende Prozessvertretungsbefugnis für die Beklagten einräumen wollen. Der Kläger sei damit neben Rechtsanwalt T Prozessbevollmächtigter der Beklagten geworden. Diese Bewertung des Berufsgerichts greift die Revision nicht an. Sie meint jedoch, das Berufsgericht habe aus der dem Kläger erteilten Prozessvollmacht zu Unrecht gefolgert, dass Rechtsanwalt T auch den der Bevollmächtigung zugrunde liegenden Anwaltsvertrag im Namen der Beklagten abgeschlossen habe. Darüber hinaus wendet sie sich gegen die Auffassung des Berufsgerichts, die Erklärung des Rechtsanwalts T sei der Beklagten nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zuzurechnen. Das angefochtene Urteil hält diesen Angriffen im Ergebnis stand.

Der Revision ist zuzugeben, dass das Berufsgericht die Vollmacht von dem Anwaltsvertrag als Grundverhältnis nicht hinreichend unterschieden und dadurch unbeachtet gelassen hat, dass der Vertretungsbefugnis nicht notwendig ein Rechtsverhältnis mit dem Vollmachtgeber zugrunde zu liegen braucht. So ist der Unterbevollmächtigte eines Prozessvertreters zwar Vertreter der Partei, in deren Namen er handelt. In der Regel wird aber die Substitution für eine Tätigkeit, die der Prozessbevollmächtigte pflichtgemäß selbst vorzunehmen hätte, von ihm im eigenen Namen aufgetragen und da- her von ihm selbst bezahlt werden müssen. Anders liegt es aber, wenn - wie hier - der zuerst bevollmächtigte Rechtsanwalt einem Kollegen eine umfassende Vollmacht erteilt und dieser in entsprechendem Maße auch tätig wird. In einem solchen Fall nimmt der weitere Prozessvertreter nicht einen Teil der Aufgaben des Erstbevollmächtigten wahr, sondern tritt neben ihn. Er wird deshalb in der Regel nicht im Interesse des Erstbevollmächtigten eingeschaltet, sondern im Interesse der Partei, etwa weil nach ihrer Einschätzung wegen der Bedeutung oder des Umfangs der Angelegenheit ein einzelner Anwalt eine sachgerechte Interessenwahrung nicht gewährleistet. Der zusätzlich hinzugezogene Anwalt darf dann regelmäßig davon ausgehen, dass seine Tätigkeit von der Partei vergütet werden wird. Eine Beauftragung auf eigene Rechnung des zunächst betrauten Anwalts kann der später Bevollmächtigte ohne das Vorliegen besonderer Umstände auch deshalb nicht erwarten, weil dies im Ergebnis bedeutete, dass der ursprüngliche Prozessvertreter seine Aufgaben unentgeltlich wahrnähme. Besteht mit der Partei nämlich keine besondere Vereinbarung des neben ihm tätig gewordenen Kollegen begleichen. In einem Fall wie dem vorliegenden - ist nach allem davon auszugehen, dass der zusätzlich hinzugezogene Anwalt im Namen der Partei beauftragt wird.

Dem Berufungsurteil ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass von diesem Grundsatz hier eine Ausnahme zu machen ist. Der schon ältere Rechtsanwalt T hatte den Kläger zu seiner Unterstützung herangezogen, weil er befürchtete, aufgrund jahrzehntelanger Auseinandersetzungen mit der Sparkasse die Belastung des Rechtsstreits nicht mehr durchstehen zu können. Es lag daher weniger in seinem, als vielmehr im Interesse der Beklagten, durch die Beauftragung des Klägers eine reibungslose Fortsetzung des Rechtsstreits sicherzustellen. Dem steht nicht entgegen, dass Rechtsanwalt T seinen Auftrag an den Kläger mit den Worten umschrieben hat, er solle ihm assistieren. Entscheidend kommt es darauf an, dass der Kläger die Interessen der Beklagten umfassend wahrnehmen sollte. Der Kläger durfte das Verhalten des Rechtsanwalts T daher dahin verstehen, dass dieser ihm im Namen der Beklagten nicht nur eine Prozessvollmacht erteilte, sondern ihn auch in ihrem Namen mit der Prozessführung beauftragte. Das gilt um so mehr, als Rechtsanwalt T vermögenslos und die Durchsetzbarkeit von Honoraransprüchen ihm gegenüber von vornherein zweifelhaft war.