Rechtsfolge der Fristversäumung
Dem ungenutzten Ablauf der Zweiwochenfrist zur außerordentlichen Kündigung eines Dienstverhältnisses kann nach Treu und Glauben die Rechtsfolge der Fristversäumung zu versagen sein. Dies gilt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, wenn eine GmbH ihrem Geschäftsführer auf dessen Wunsch oder von ihm darin bestärkt eine Bedenkzeit zur Prüfung der einvernehmlichen Beendigung des erkennbar kündigungsgefährdeten Dienstverhältnisses einräumt und nach fruchtlosem Ablauf der Bedenkzeit unverzüglich kündigt.
Der Kläger war aufgrund Vereinbarung mit der beklagten AG ab 1. 3. 1970 Geschäftsführer der im Dezember 1969 gegründeten beklagte GmbH. Schon bald nach seinem Eintritt stellten sich Schwierigkeiten mit Repräsentanten der Muttergesellschaft, mit Kollegen und Untergebenen ein. Auch zeigte sich die AG generell enttäuscht über die ihres Erachtens nicht befriedigenden Ergebnisse der Tätigkeit des Klägers, der wiederum ein zunehmendes Desinteresse der AG an weiter gesteckten Entwicklungszielen festzustellen meinte.
Am 12. 5. 1971 schrieb die AG dem Kläger in Bestätigung eines am selben Tag vorangegangenen Gesprächs, dass ihr Vorstand am 7. 5. 1971 beschlossen habe, ihn als Geschäftsführer der GmbH abzuberufen; gleichzeitig bot sie ihm eine einmalige Abfindungssumme an.
Das daraufhin vom Kläger unterbreitete Gegenangebot lehnte die beklagte AG mit Schreiben vom 3. 6. 1971 ab und kündigte ihm aus wichtigem Grunde mit sofortiger Wirkung.
Der Kläger verfolgt mit seiner Klage u. a. Gehaltsansprüche für die Zeit bis 31. 12. 1971.
Das Landgericht hat die Kündigung durch die Beklagte vom 3. 6. 1971 als wirksam angesehen und dem Kläger nur einen Anspruch auf Gehalt bis zu diesem Tag zuerkannt, Das Berufungsgericht hat dagegen die Kündigung als unwirksam angesehen, weil die Zweiwochenfrist des § 626 II BGB nicht eingehalten worden sei. Die Revision der Beklagte führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen: 1. Hinsichtlich der über den 4. 6. hinausgehenden Geschäftsführerbezüge, der Feststellungsklage und der Angabe im Zeugnis über den Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses hängt die Entscheidung des Rechtsstreits in erster Linie davon ab, ob die Kündigung des Dienstverhältnisses mit dein Kläger durch die Beklagte wegen Versäumung der Zweiwochenfrise des § 626 II BGB unwirksam ist. Das Berufungsgericht, das wohl davon ausgeht, ein wichtiger Grund zur Kündigung habe zunächst bestanden, bejaht diese Frage, wobei es zugrunde legt, dass dem Vorstand der AG schon am 7. und 12. 5. der gesamte hierfür in Betracht kommende Sachverhalt bekannt gewesen sei. Das Bekanntwerden einzelner zusätzlicher Tatsachen in der Zeit bis zum 3. 6. 1971 habe die Zweiwochenfrist nicht erst später anlaufen lassen, sie sei daher am 21. 5. 1971 abgelaufen.
a) Das Berufungsgericht ist hinsichtlich des Beginns der Zweiwochenfrist davon ausgegangen, dass bei einem sich länger hinziehenden, immer wieder in Erscheinung tretenden vertragswidrigen Verhalten, wie es die Beklagte dem Kläger anlasten, die Frist nur eingehalten sei, wenn während der letzten beiden Wochen vor der Kündigung dem Dienstberechtigten Vorfälle bekannt geworden sind, die ein weiteres und letztes Glied der Ereignisse bilden, die zum Anlass der Kündigung genommen wurden. Dieser Ausgangspunkt entspricht, auch der Ansicht des Senats. (ebenso BAG, Um vom 17. 8. 1972 - 2 AZR 359/71 = AP § 626 BGB - Ausschlussfrist - Nr. 4 Leitsatz 2). Es bestehen ferner keine Bedenken dagegen, dass das Berufungsgericht nicht schon in der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer am 12. 5. 1971 zugleich eine fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags gesehen hat. Die Beendigung des Organverhältnisses und die Kündigung des Anstellungsvertrags haben unterschiedliche. Voraussetzungen und können verschiedene Wege gehen (vgl. Fiele, WM 1968, Sonderbeilage Nr. 3, S. 12 unter e m. w. Nachw.). Die zudem noch mit dem Angebot auf einvernehmliche Aufhebung des Dienstverhältnisses und Abfindung verbundene Abberufung des Geschäftsführers hätte nur unter besonderen Umständen zugleich als fristlose Kündigung angesehen werden können, wofür der Sachverhalt nichts hergibt und die Revision auch nichts vorträgt.
b) Das angefochtene Urteil konnte jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil nach dem für die Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachverhalt die Berufung des Klägers auf den ungenutzten Ablauf der Zweiwochenfrist gegen Treu und Glauben verstößt. Hierbei bestehen keine Zweifel, dass § 242 BGB auch gegenüber der Zweiwochenfrist durchgreifen kann (offengelassen vom BAG, Urteil vom 12. 2. 1973 - 2 AZR 116/72 EzA § 626 n. F. Nr. 26 unter 3 a). Wie der Senat schon in einer früheren Entscheidung ausgeführt hat (BGHZ 43, 235 [237] = NJW 1965, 1137 = Nr. 13 zu § 12 VVG), gibt es keine allgemein geltenden Bestimmungen für die Behandlung gesetzlicher Ausschlussfristen. Je nach Art und Inhalt des Rechts, das erlöschen soll, richtet sich, welcher Zweck mit der Frist verfolgt wird und welche Interessen berücksichtigt werden müssen oder können. Die im Jahre 1969 eingeführte Vorschrift des § 626 II BGB hat den Zweck, alsbald Klarheit über die Reaktion des Kündigungsberechtigten eintreten zu lassen. Diesem Zweck läuft es nicht zuwider, wenn bei zeitlich fest begrenzten Verhandlungen über die einvernehmliche Beendigung des Dienstverhältnisses die Zweiwochenfrist solange nicht als abgelaufen behandelt wird.
Aus dem Schreiben vom 12. 5. 1971 folgt, dass der Kläger erklärt hat, er werde den Beklagten bis zum 31. 5. 1971 die endgültige Antwort auf deren Angebot mitteilen. Die Beklagte haben dazu noch unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Kläger die Bedenkzeit gewünscht habe, um das Angebot prüfen zu können. Bei dem Gespräch am 12. 5. 1971 sei er nicht im unklaren darüber gelassen worden, dass im Fall des Scheiterns der Verhandlungen seine fristlose Kündigung in Betracht kommen würde. Die weiteren in diesem Zusammenhang interessierenden Tatsachen sind wiederum unstreitig, dass nämlich der Klägererst mit Schreiben vom 28. 5. 1971 das Angebot beantwortete und die Beklagte mit Schreiben vom 3. 6. 1971 (Donnerstag nach Pfingsten) das Dienstverhältnis fristlos kündigten. Hat der Kläger durch seinen Wunsch veranlasst oder auch die Beklagte nur darin bestärkt, ihm eine Bedenkzeit bis zum 31. 5. 1971 einzuräumen, so setzt er sich in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten und verstößt damit gegen Treu und Glauben, wenn er der von den Beklagten unverzüglich nach Ablauf der Bedenkzeit erklärten Kündigung die Versäumung der Zweiwochenfrist entgegenhält.
c) Das Berufungsgericht hat diesen rechtlichen Gesichtspunkt nicht beachtet und keine Feststellungen hierzu getroffen. Damit es die Feststellungen nachholt und auch die Parteien noch Gelegenheit zu entsprechender Ergänzung ihres Vortrags haben, war die Sache im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.