Rechtsmissbrauch

Die Kläger könne die Vertragsstrafe auch nach Treu und Glauben nicht fordern, weil sie das die Verwirkung der Strafe auslösende Verhalten des Beklagten selbst bewusst herbeigeführt habe. Auch das rügt die Revision mit Erfolg. Die Kläger missbraucht nicht ihre Rechte, wenn sie vom Beklagten die Bezahlung der Strafe verlangt. Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Geltendmachung der Vertragsstrafe durch den Gläubiger der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengesetzt werden kann, wenn der Schuldner durch das Verhalten des Gläubigers veranlasst worden ist, vertragswidrig zu handeln. Diese Voraussetzungen sind jedoch entgegen der Annahme des Berufsgerichts im Streitfall nicht gegeben.

Das Berufsgericht hat übersehen, dass der Anstoß zu den Abwerbungsversuchen nicht von dem Kläger ausgegangen ist. Soweit es um die Fortführung der von den Vertretern des Beklagte angebahnten Gespräche geht, rügt die Revision mit Recht, dass die Feststellung des Berufsgericht, die Kläger habe ihren Mitarbeitern den Auftrag erteilt, die Gespräche fortzuführen und sogar die Abwerbungsversuche des Beklagte selbst provoziert, weder durch die Bekundungen der Zeugen noch in anderer Weise belegt wird. Das Berufsgericht hat die Zeugen nicht selbst vernommen; aus den Niederschriften ihrer Aussagen vor dem Landgericht, von denen allein das Berufsgericht somit in Ermangelung anderer Erkenntnismittel ausgehen konnte, ergeben sich entsprechende Tatsachen nicht. Nach den Feststellungen des Landgerichts, das die Beweiserhebung durchgeführt hat, wusste die Kläger lediglich von den Gesprächen und hat geduldet, dass sie fortgeführt wurden; das Landgericht hat - rechtsfehlerfrei vom Vernehmungsergebnis ausgehend - nicht als erwiesen erachtet, dass die Kläger ihre Vertreter angewiesen habe, von sich aus die Sache voranzutreiben. Davon konnte das Berufsgericht allein aufgrund der Protokollinhalte nicht ohne Rechtsverstoß abweichen.

Ob die Kläger durch rechtzeitiges Einschreiten die unmittelbaren Gespräche zwischen dem Beklagte und ihren Mitarbeitern hätte verhindern können, ist für die Frage eines Rechtsmissbrauchs ohne Bedeutung; denn es ist mit dem Zweck der Vertragsstrafe vereinbar und auch aus anderen Gründen nicht zu missbilligen, wenn der Gläubiger eines Strafversprechens in einem Fall wie dem vorliegenden zunächst den weiteren Verlauf der auf Initiative des Schuldners begonnenen Abwerbungsgespräche abwartet, um sowohl ausreichende Beweise für ein vertragswidriges Verhalten des Vertragsgegners in die Hand zu bekommen, als auch zu sehen, wie weit dieser geht und mit welchen Methoden seines Vorgehens gerechnet werden muss.

Entgegen der Ansicht des Berufsgericht wird der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gläubiger mit Erfolg einen Unterlassungsanspruch wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens hätte gerichtlich geltend machen können; denn es gehört gerade mit zu den Zwecken einer Vertragsstrafevereinbarung, den Gläubiger der Notwendigkeit einer prozessualen Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs zu entheben.

Der Anspruch der Kläger ist auch, wie bereits das Landgericht zutreffend angenommen hat, in der geltend gemachten Höhe von 200000 DM begründet.

Der Beklagte hat in vier Fällen gegen die übernommene Verpflichtung verstoßen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen sind die vier Vertreter der Kläger an verschiedenen Tagen aufgrund von vier besonders getroffenen Terminvereinbarungen vom Beklagte angesprochen worden. Ein Fortsetzungszusammenhang zwischen den einzelnen Zuwiderhandlungen kann deshalb im Streitfall nicht angenommen werden. Denn einer Zusammenfassung von Fortsetzungstaten stehen nur dann keine Bedenken entgegen, wenn die Auslegung des Vertrages nach § 157 BGB dies gestattet. Das ist hier nicht der Fall. Nach dem Willen der Parteien, wie er sich aus der Unterlassungsverpflichtung des Beklagte ergibt, mag die Auslegung möglich sein, dass mehrere mit Gesamtvorsatz begangene, aber stets wieder denselben Mitarbeiter betreffende Versuche zu einer einzigen Fortsetzungstat zusammengefasst werden sollten. Es verbietet sich aber eine Deutung des Strafversprechens dahin, dass auch bei mehreren sich jeweils auf einen anderen Vertreter - und damit auf einen jeweils neuen, weiteren Interessenbereich der Kläger - beziehenden Versuchen die Vertragsstrafe nur einmal verwirkt sein sollte.

Auch die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Strafe liegen im Streitfall nicht vor. Dafür kann dahinstehen, ob das Landgericht zu Recht von der Kaufmannseigenschaft des Beklagten und von der Abgabe des Vertragsstrafeversprechens im Betrieb seines Handelsgewerbes ausgegangen ist und deshalb die Herabsetzung schon im Hinblick auf § 353 BGB i. V. mit § 348 HGB ablehnen durfte. Denn auch, wenn eine Herabsetzung nicht schon nach diesen Vorschriften ausscheiden müsste - die Voraussetzungen einer für den Fall eines Abschlusses kraft Gesetzes allein noch in Betracht kommenden Herabsetzung nach den Grundsätzen des Wegfalls oder der Änderung der Geschäftsgrundlage liegen ersichtlich nicht vor -, besteht im vorliegenden Fall kein Grund für die Herabsetzung gemäß § 343 I BGB. Denn die hier versprochene und in vier Fällen verwirkte Strafe von je 50 000 DM ist nicht unverhältnismäßig hoch, sondern den berechtigten und schätzenswerten Interessen der Kläger angemessen. Dies kann das RevGer. selbst beurteilen, da alle für diese - auch schon vom Landgericht vorgenommene - Würdigung maßgeblichen Tatsachen in den Vorinstanzen bereits - insoweit rechtsfehlerfrei - festgestellt worden sind.

Die Kläger hatte aus mehreren Gründen ein erhebliches Interesse an einer hohen Vertragsstrafeverpflichtung: Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen sollte die von dem Beklagte übernommene Unterlassungsverpflichtung eine durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigte einstweilige Verfügung ersetzen, durch die dem Beklagte bereits verboten worden war, die Abwerbung von Vertretern der Kläger zu versuchen. Erlassen worden war die einstweilige Verfügung, weil die Kläger glaubhaft gemacht hatten, dass der Beklagte seit Juli 1978 planmäßig versucht hatte, verschiedene ihrer Vertreter für sein neu gegründetes oder noch zu gründendes Unternehmen zu gewinnen. Die damit schon einmal erkennbar gewordene Bereitschaft des Beklagte zum Vertragsbruch stellte einen gewichtigen Grund für die Vereinbarung einer hohen Strafe - als Schutz vor danach nicht fern liegenden erneuten Vertragsverletzungen - dar. Hinzu kam, dass es sich bei den Mitarbeitern, deren Abwerbung der Beklagte versucht hat, um Vertreter handelte, deren Abwerbung wegen ihrer Stellung in der Vertriebsorganisation der Kläger und wegen ihres möglichen Einflusses auf andere Mitarbeiter zu erheblichen Störungen und Einbußen im Vertriebssystem der Kläger hätte führen können, während andererseits die genannten Möglichkeiten der Abgeworbenen für den Beklagte beträchtliche wirtschaftliche Chancen eröffnen und ihn veranlassen konnten, eine nicht abschreckend hohe Vertragsstrafe bewusst in Kauf zu nehmen. Bei den somit in Frage stehenden, erheblichen wirtschaftlichen Interessen der Kläger einerseits und der bereits einmal erwiesenen Bereitschaft des Beklagten zu vertragswidrigem Vorgehen andererseits konnte nur eine hohe Vertragsstrafe einen angemessenen Schutz gewährleisten. Die hier vereinbarte Höhe von 50000 DM, die sich als nicht einmal ausreichend zur Verhinderung weiterer Versuche erwiesen hat, kann unter diesen Umständen nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Darauf, dass in den konkreten Verletzungsfällen die Abwerbungsversuche den Beklagten nicht zu einem Schaden geführt haben, kommt es nicht an.