Rechtssatz

Im Hinblick auf den Adressatenkreis wird die Unterscheidung zwischen Rechtssatz und Verwaltungsakt im allgemeinen mit Hilfe des Begriffspaares generell bzw. individuell vorgenommen. Eine Regelung ist generell, wenn damit eine zahlenmäßig unbestimmte Vielheit von betroffenen Adressaten erfasst werden soll; sie ist dagegen individuell und damit ein Verwaltungsakt, wenn sie sich an einen bestimmten oder doch zumindest bestimmbaren Adressaten wendet. Prüft man den Bebauungsplan an Hand dieser Kriterien, so zeigt sich, dass von seinen Festsetzungen ein beim Erlass des Plans zahlenmäßig noch unbestimmter Personenkreis betroffen wird. Der Bebauungsplan ist nicht an einzelne Grundstückseigentümer adressiert, sondern trifft alle gegenwärtigen und künftigen Eigentümer, aber auch Nutzer, Nachbarn und öffentliche Verwaltungsträger. Die Unbestimmtheit des Adressatenkreises muss jedoch noch nicht zwangsläufig für den Rechtssatzcharakter des Plans sprechen, denn auch bei Verwaltungsakten kann der Adressatenkreis offen sein. Nach § 35 Satz 2 Altern.2 VwVfG gibt es auch Verwaltungsakte, die sich nicht unmittelbar an bestimmte Adressaten wenden, sondern die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betreffen. Durch diese Verwaltungsakte wird nicht ein unmittelbares menschliches Verhalten gefordert, sondern der Zustand einer Sache geregelt; es handelt sich bei diesen Verwaltungsakten nicht um Verfügungen an bestimmte Personen oder Personenmehrheiten, sondern um intransitive Zustandsregelungen. Für Bebauungspläne lässt sich immerhin die Auffassung vertreten, dass durch sie Nutzungsverhältnisse an den betroffenen Grundstücken geordnet werden, so dass sie deswegen als dingliche Verwaltungsakte angesehen werden müßten. Das Abstellen auf den Adressatenkreis führt daher bei der Beurteilung des Bebauungsplans im Ergebnis nicht weiter. Maßgebend für den materiellen Rechtscharakter des Bebauungsplans sind sowohl sein Inhalt als auch seine Stellung und Funktion im System gestufter Entscheidungsebenen. Im Hinblick auf den Inhalt wird zur Unterscheidung zwischen Rechtssatz und Verwaltungsakt im allgemeinen darauf abgestellt, ob die getroffene Regelung abstrakt oder konkret ist. Sie ist konkret, wenn mit ihr ein bestimmter Fall geregelt wird; sie ist dagegen abstrakt, wenn sie eine unbestimmte Vielzahl von Fällen erfasst. Für die Entscheidung zugunsten des Rechtsnormcharakters reicht es aus, wenn einzelne Elemente Rechtssatzqualität besitzen. Der Bebauungsplan ist auf einen bestimmten räumlichen Bereich bezogen, für den er rechtsgestaltende Festsetzungen trifft. Dies unterscheidet ihn von den Rechtsnormen herkömmlicher Art. Der Bebauungsplan ergeht im Angesicht einer konkreten Situation. Das für die Abwägung erforderliche Material muss aus der jeweiligen Lage heraus ermittelt werden. Insoweit hat er eine konkrete, wirklichkeitsbezogene Ausgangsbasis. Der Bebauungsplan reagiert mit seinen Festsetzungen auf die vorgefundene Örtlichkeit und Situation. Wegen dieser Sachbezogenheit weist sein Inhalt Merkmale einer konkreten Zustandsregelung auf. Dennoch reicht dies allein nicht aus, um im Bebauungsplan die Regelung eines Einzelfalles zu sehen. Hierzu wäre man erst dann gezwungen, wenn der Inhalt des Bebauungsplans eine einheitliche und abschließende Gesamtentscheidung im Hinblick auf die konkrete Sache darstellen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Bebauungsplan ist keine Vollzugsnorm, sondern als rahmensetzendes Instrument der Vollzugsebene übergeordnet. Er trifft selbst noch keine endgültigen Entscheidungen, sondern bildet nach § 8 Abs. 1 Satz 2 erst die Grundlage für den Vollzug. Er bedarf zu seinem Vollzug der Umsetzung durch weitere Maßnahmen, in der Regel durch Verwaltungsakte. Erst aufgrund dieser Einzelentscheidungen auf der Vollzugsebene werden die Rechtsverhältnisse der Betroffenen endgültig bestimmt bzw. geregelt. Dies schließt nicht aus, dass der Bebauungsplan, soweit er Festsetzungen trifft, unmittelbar wirkt; diese Regelung ist jedoch nicht abschließend. Der Bebauungsplan ist im Regelfall nicht in der Lage, die Entscheidungen auf der Vollzugsebene vollständig zu determinieren. Er legt die Vollzugsakte nicht bis ins einzelne genau fest und gibt auch nicht erschöpfend Auskunft über das baurechtliche Schicksal jedes einzelnen Grundstücks. Der Bebauungsplan ergeht zwar im Angesicht einer konkreten Situation, doch kann er auf die Situation nicht individuell-konkret reagieren, sondern muss sich auf ihm zur Verfügung stehenden Festsetzungsmöglichkeiten nach §9 und der BauNVO beschränken. Diese müssen, planungsrechtlich relevant, ebenenspezifisch und typisiert sein. Es gehört somit zum Wesen des Bebauungsplans, dass er auf eine konkrete Situation mit nicht-konkreten Mitteln reagiert. Hieraus ergibt sich, dass auf der Vollzugsebene im Regelfall ein Entscheidungsspielraum zur Feinsteuerung verbleibt. Der Bebauungsplan überlässt dem Vollzug eine unbestimmte Vielzahl von zukünftigen Entscheidungen über raumbedeutsame Nutzungen im Plangebiet, die zeitlich, örtlich und sachlich voneinander unabhängig sind. Er unterscheidet sich insoweit von einem Planfeststellungsbeschluss, der alle Für den Vollzug erforderlichen Entscheidungen in sich einschließt. Bei der Zulassung von Vorhaben nach Maßgabe von §31 Abs. 2 BauGB und § 15 Abs. 1 BauNVO 1977/1990 darf sogar von den Festsetzungen im Einzelfall abgewichen werden, ohne dass hierdurch der Plan selbst geändert wird. Diese Rechtsfolge lässt sich nur erklären, wenn man den Bebauungsplan als Rechtssatz betrachtet; wäre er ein Verwaltungsakt, so würde ein Abweichen durch einen späteren Vollzugsakt stets eine Aufhebung bzw. Änderung der früher getroffenen Entscheidung voraussetzen bzw. zur Folge haben. Dem Bebauungsplan ist im System gestufter Entscheidungsebenen eine Stellung zugewiesen worden, die der Vollzugsebene vorgelagert ist. Er weist insoweit typische Merkmale einer Rechtsnorm auf. Seine Stellung und Funktion im System gestufter Entscheidungsebenen qualifizieren ihn damit als Rechtsnorm.

Bei der Beurteilung der Rechtsnatur des Bebauungsplans ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Maßgebend ist, welchen typischen Regelungsgehalt der Bebauungsplan im gesetzlich vorgesehenen Regelfall entfaltet. Der Charakter des Bebauungsplans wird daher auch dann nicht in Frage gestellt, wenn seine Festsetzungen im Einzelfall den Charakter einer konkret-individuellen Einzelfallentscheidung annehmen.

Auch atypische Bebauungspläne haben darum Satzungscharakter. Dies gilt insbesondere für

- den Einzelfallbebauungsplan, das ist ein Bebauungsplan, der sich nur auf ein bestimmtes Grundstück beschränkt;

- den anlagenbezogenen Bebauungsplan, das ist ein Bebauungsplan, der sich nur auf ein bestimmtes Vorhaben beschränkt;

- den eine Fachplanung ersetzenden Bebauungsplan. Dies ist ein Bebauungsplan, der an die Stelle einer an sich gebotenen Planfeststellung tritt. Eine solche Fachplanung durch Bebauungsplan ist eine Planung, die nur äußerlich in die Rechtsform des Bebauungsplans gekleidet ist. In materieller Hinsicht weist sie aber starke Elemente einer Einzelfallentscheidung auf. Die Rechtsform des Bebauungsplans wird dennoch nicht verändert.