Rechtsschutzbedürfnis

Für ein Normenkontrollverfahren ist ebenso wie für jedes andere: gerichtliche Verfahren ein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich. Da das Normenkontrollverfahren nur für Anträge von natürlichen und juristischen Personen eine Rechtsschutzfunktion erfüllt, kann freilich nur bei diesen Antragstellern, nicht aber bei Anträgen von Behörden ein Rechtsschutzbedürfnis verlangt werden. Bei Behördenanträgen wird stattdessen gefordert, dass die Behörde an der Klärung der objektiven Rechtslage interessiert sein muss. Es ist vielleicht etwas mißverständlich, wenn das BVerwG dieses Interesse ebenfalls als Rechtsschutzinteresse bezeichnet; besser erscheint die Bezeichnung als Klarstellungsinteresse. Das Rechtsschutzbedürfnis ist in aller Regel gegeben, wenn die Antragsbefugnis vorliegt, d. h. durch den Bebauungsplan ein Nachteil im Sinn des §47 Abs. 2 VwG0 eintritt. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht dadurch, dass der Antragsteller zuvor eine Baugenehmigung nach §33 erhalten und dabei die Festsetzungen des Bebauungsplans anerkannt hat. Dieses Anerkenntnis erfolgt nämlich unter der Voraussetzung, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans wirksam sind. Es geht nicht an, den Inhaber einer Baugenehmigung nach §33 BauGB an die möglicherweise einschneidenden Beschränkungen eines für unwirksam erkannten Bebauungsplans zu binden, während dieser für die übrigen Grundstückseigentümer keine Bedeutung hat. Erst recht fehlt das Rechtsschutzbedürfnis nicht deswegen, weil der Antragsteller es unterlassen hat, innerhalb der Auslegung des Bebauungsplans Anregungen und Bedenken nach §3 Abs. 2 zu erheben. Allerdings kommt nach dem Beschluss des BVerwG vom 9.11.1979 die Antragsbefugnis in Wegfall, wenn die Beeinträchtigung der Belange des Antragstellers für die Gemeinde nicht erkennbar war.

Ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Normenkontrollverfahren entfällt allerdings, wenn der durch den Bebauungsplan bewirkte Nachteil bereits eingetreten ist und die bestehenden Verhältnisse auch dann, wenn der Bebauungsplan im Normenkontrollverfahren für nichtig befunden wird, praktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund des Bebauungsplans eine Baugenehmigung erteilt wurde und das genehmigte Bauvorhaben bereits verwirklicht ist oder die Abwehrrechte des Nachbarn inzwischen verwirkt sind. Zwar kann auch in einem derartigen Fall theoretisch die Baugenehmigung noch zurückgenommen werden und der Abbruch des Gebäudes angeordnet werden, praktisch scheidet diese Möglichkeit aber wegen des Vertrauensschutzes des Bauherrn aus. Hat der Bauherr dagegen von der ihm erteilten Baugenehmigung noch keinen Gebrauch gemacht, ist die Möglichkeit einer Rücknahme der Baugenehmigung nach §48 VWVJG durchaus noch gegeben, so dass ein Interesse des Nachbarn an der gerichtlichen Feststellung der Ungültigkeit des Bebauungsplans nicht von vornherein verneint werden kann. Die gleichen Grundsätze gelten, wenn aufgrund des Bebauungsplans sonstige Maßnahmen getroffen worden sind, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Das OVG Lüneburg hat angenommen, das Rechtsschutzbedürfnis entfalle ferner dann, wenn eine im Bebauungsplan festgesetzte Bebauung bereits vorher vorhanden war und Bestandsschutz genießt, so dass der Antragsteller gegen sie nicht mehr vorgehen kann. Dem kann nicht zugestimmt werden. Soweit der Antragsteller wegen des Bestandsschutzes die Bebauung hinnehmen muss, fehlt es bereits an der Antragsbefugnis, weil der Bebauungsplan für den Antragsteller keine nachteilige Veränderung der bestehenden Situation zur Folge hat. Wenn der Bebauungsplan dagegen eine Erweiterung des vorhandenen Baubestands zulässt, kann dem dadurch beeinträchtigten Nachbarn das Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag nicht abgesprochen werden, da der Bestandsschutz keine Erweiterungen abdeckt. Das Rechtsschutzbedürfnis kann sich auch daraus ergeben, dass der Antragsteller beabsichtigt, Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung oder Entschädigungsansprüche wegen enteignungsgleichen Eingriffs geltend zu machen. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist allerdings dann zu verneinen, wenn der Antragsteller in einem wirksamen Vertrag mit der Gemeinde darauf verzichtet hat, den Bebauungsplan mittels eines Normenkontrollverfahrens anzugreifen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum nicht ebenso wie im sonstigen Verwaltungsprozeßrecht auch beim Normenkontrollverfahren ein Rechtsmittelverzicht möglich sein sollte.

Beteiligte, Beiladung - Am Normenkontrollverfahren ist neben dem Antragsteller die Körperschaft beteiligt, die die in Rede stehende Rechtsvorschrift erlassen hat, bei Bebauungsplänen also die Gemeinde Im Falle einer Eingemeindung oder von sonstigen kommunalen Neugliederungsmaßnahmen ist die Gemeinde Antragsgegnerin, die nunmehr für den Erlass eines Bebauungsplan zuständig wäre. Ferner kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift betroffen wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist gegeben werden. Hierbei handelt es sich jedoch um eine bloße Anhörung zur besseren Information des Gerichts; die angehörte Körperschaft erlangt nicht die Stellung eines Beteiligten im Sinne des § 63 VwGO. Die früher sehr umstrittene Frage, ob im Normenkontrollverfahren eine Beiladung zulässig ist, wurde durch den Beschluss des BVerwG vom 12.3.1982 zumindest für die baurechtliche Praxis geklärt. Das BVerwG lehnt zunächst eine notwendige Beiladung ab, weil der Bebauungsplan noch der Umsetzung durch Verwaltungsakte bedürfe und daher nicht unmittelbar ein Rechtsverhältnis mit einem Dritten begründe. Eine einfache Beiladung wurde vom OVG Münster und vom OVG Berlin für zulässig, vom OVG Luneburg und vom VGH Bad.-Württ. für unzulässig gehalten. Das BVerwG hat sich im Beschluss vom 12.3.1982 letzterer Ansicht angeschlossen. Danach ist das Institut der Beiladung auf ein Verfahren über konkrete Rechtstreitigkeiten zugeschnitten, nicht dagegen auf ein Verfahren, in dem es um die abstrakte Frage der Gültigkeit einer Rechtsnorm geht und eine Vielzahl von Normadressaten für eine Beiladung in Betracht kämen. Wegen der Allgemeinverbindlichkeit der Normenkontrollentscheidung nach §48 Abs.6 VwGO bestehe auch kein Bedürfnis für eine Rechtskrafterstreckung auf Dritte. Das BVerwG räumt ein, dass bei Bebauungsplänen, die ihrer Natur nach wesentlich konkreter sind als sonstige Normen - insbesondere aber bei Bebauungsplänen, die nur ein Großbauvorhaben umfassen - ein praktisches Bedürfnis bestehe, den Träger des Vorhabens am Normenkontrollverfahren zu beteiligen; dies könne aber in analoger Anwendung des §47 Abs. 3 Satz 3 VwGO durch eine Anhörung des Vorhabenträgers erfolgen. Diese Anhörung, auf die der betroffene Vorhabenträger keinen Rechtsanspruch hat, stellt freilich keinen vollwertigen Ersatz einer Beiladung dar, weil der Vorhabenträger damit nicht formell Verfahrensbeteiligter wird und damit auch keine Anträge, insbesondere auch keine Beweisanträge stellen kann; ferner erhält er keine Erstattung seiner Verfahrenskosten.