Rechtssekretär

Zu den Pflichten des Rechtssekretärs einer gewerkschaftlichen Rechtsstelle, der einen der Gewerkschaft angehörenden ausländischen Gastarbeiter in einer Kündigungsangelegenheit berät.

Zum Sachverhalt: Der türkische Kläger nimmt den beklagte Gewerkschaftsbund wegen verspäteter Einreichung einer Kündigungsschutzklage auf Zahlung von 10000 DM Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger war seit 1966 bei einem Polsterwarenhersteller beschäftigt. Am 19. 4. 1979 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in Gegenwart eines Dolmetschers mündlich zum 30. 6. 1979. Eine Woche später suchte der Kläger - begleitet von einem Sozialhelfer für Türken - den Rechtssekretär T des Beklagten in dessen Rechtsstelle wegen eines arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits auf, den er gegen seinen Arbeitgeber über die Lohnfortzahlung in einem Krankheitsfall führte. In dem Rechtsstreit vertrat T den Kläger Dieser behauptet, anlässlich des Besuches am 26. 4. 1979 T von der Kündigung seitens des Arbeitgebers berichtet zu haben. T habe ihm geraten, sich die Kündigung schriftlich geben zu lassen. Hingegen habe er ihn weder auf die Möglichkeit hingewiesen, gerichtlich gegen die Kündigung vorzugehen, noch ihn über die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG unterrichtet. Infolgedessen sei es zu einer verspäteten Einreichung der Kündigungsschutzklage gekommen. Dadurch sei ihm ein Schaden von mindestens 10000 DM entstanden. Demgegenüber hat der Beklagte vorgetragen: Der Kläger habe T bei der Unterredung am 26. 4. 1979 lediglich mitgeteilt, dass sein Arbeitgeber von der Möglichkeit einer ein verständlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 30. 6. 1979 gesprochen habe. Die Frage, ob er einer solchen zugestimmt habe oder ob ihm bereits gekündigt worden sei, habe der Kläger verneint. Allerdings sei es T nach den Erklärungen des Klägers zweifelhaft gewesen, ob diesem nicht doch schon gekündigt worden sei. Er habe ihn deshalb aufgefordert, mit dem Sozialbetreuer zu seinem Arbeitgeber zu gehen und diese Frage zu klären. Außerdem habe er den Kläger auf die dreiwöchige Klagefrist für den Fall einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses hingewiesen. Erst am 16. 5. 1979 habe er wieder von der Sache gehört und erfahren, dass der Arbeitgeber dem Kläger schon am 19. 4. 1979 gekündigt habe. Darauf habe er am nächsten Tag eine Kündigungsschutzklage eingereicht.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Mit den Vorinstanzen kann zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Sachlegitimation des Beklagten gegeben ist und der Kläger bei dem Gespräch am 26. 4. 1979 von T auch in der Kündigungsangelegenheit rechtlich beraten werden sollte. Dennoch kann die Revision keinen Erfolg haben.

1. Das Berufungsgericht hat nicht feststellen können, dass T bei der Unterredung am 26. 4. 1979 die Kündigungserklärung vom 19. 4. 1979 bekannt geworden ist. Die hiergegen gerichteten verfahrensrechtlichen Rügen der Revision erachtet der Senat nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung sieht er gemäß § 565 a ZPO ab. Bemerkt sei lediglich, dass die widersprüchlichen Angaben der Zeugen E und T zum Inhalt der Besprechung vom 26. 4. 1979 bei ihrer erstinstanzlichen Vernehmung das Berufungsgericht nicht nötigten, sie erneut zu vernehmen, zumal auch nicht ersichtlich ist, dass dadurch eine bessere Aufklärung des Sachverhalts zu erzielen gewesen wäre.

2. Das Berufungsgericht ist aufgrund der Aussage des Zeugen T davon aus- gegangen, dass der Klägerdem Zeugen bei dem Gespräch am 26. 4. 1979 erklärt hat, er sei von seinem Arbeitgeber auf die Möglichkeit hinge- wiesen worden, zum 30. 6. 1979 zu kündigen oder das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Das Berufungsgericht hat außerdem festgestellt, dass T dem Kläger aufgetragen hat, sofort durch Rückfrage beim Arbeitgeber zu klären, ob eine Kündigung ausgesprochen worden sei, und dass er, falls das zutreffend sein sollte, sofort wiederkommen solle, weil die Kündigungsschutzklage binnen drei Wochen erhoben werden müsse. Hiervon ausgehend meint das Berufungsgericht, dass T damit seinen Pflichten genügt habe. Er sei nicht gehalten gewesen, die Frage einer Kündigung selbst durch eine Rückfrage beim Arbeitgeber zu klären. Der Rechtssekretär einer Gewerkschaft müsse - ebenso wenig wie ein Rechtsanwalt - sich nicht selbst die für den Rechtsschutz eines Mitglieds bedeutsamen Informationen beschaffen, sondern lediglich auf eine notwendige Sachverhaltsklärung durch dieses hinwirken. Auch habe T sicher sein dürfen, dass der von einem sprachkundigen Sozialbetreuer begleitete Kläger seine Hinweise verstanden habe und sich erforderlichenfalls wieder rechtzeitig melden werde.

Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Ansicht des Ber- Ger., T habe seinen Pflichten als Rechtsberater genügt. Dass sich aus der Satzung oder einer etwaigen Rechtsschutzordnung der IG Metall, die dem ihr angehörenden Kläger Rechtsschutz gewährt hatte, für T ganz bestimmte Einzelpflichten ergeben haben, vermag auch die Revision nicht vorzutragen. Allerdings kann ein Gewerkschaftsmitglied, dem seine Gewerkschaft Rechtsschutz als Vereinsleistung anbietet und ge- währt, von dieser oder einem eingeschalteten Rechtssekretär erwarten, dass es sorgfältig beraten wird und seine Interessen in gleicher Weise wahrgenommen werden. Auch kann es davon ausgehen, dass Schäden und Nachteile im Rahmen des Möglichen von ihm abgewendet werden. Jedoch hängt es grundsätzlich von den Umständen ab, was im Einzelfall von der Gewerkschaftsseite zumutbarer Weise zu verlangen ist. Hier brauchte T nach Lage der Dinge nicht, wie die Revision meint, selbst beim Arbeitgeber des Klägers Rückfrage wegen einer etwaigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses am 19. 4. 1979 zu halten. Denn auch für den Rechtssekretär der Rechtsstelle einer Gewerkschaft, der ein Gewerkschaftsmitglied in einer Rechtsangelegenheit berät, besteht ohne besonderen Anlass nicht die Pflicht, eigene Ermittlungen tatsächlicher Art zu dem ihm von dem Rechtssuchenden unterbreiteten Sachverhalt durchzuführen. Seine Aufgabe ist es in erster Linie, diesen Sachverhalt rechtlich zu beurteilen und das rechtssuchende Mitglied danach zu beraten. Allerdings hat er dort, wo Unklarheiten tatsächlicher Art bestehen, auf deren Klärung hinzuwirken, soweit das für die von ihm übernommene Rechtsberatung bedeutsam ist. Das ist hier aber ausreichend dadurch geschehen, dass T den Kläger aufgefordert hat, sofort die - zweifelhafte - Kündigungsfrage durch Vorsprache bei dem Arbeitgeber zu klären und bei einer schon ausgesprochenen Kündigung sofort wieder zu ihm zu kommen, damit die dem Kläger ebenfalls aufgezeigte dreiwöchige Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht versäumt wird. Auch konnte T, wie das Berufungsgericht rechts fehlerfrei ausgeführt hat, wegen der Mitwirkung eines als Sozialarbeiter tätigen Landsmannes des Klägers und dessen unbestritten genügende Kenntnis der deutschen und türkischen Sprache davon ausgehen, dass ihn der Kläger voll verstanden habe. Dann war er aber nicht, wie die Revision meint, zu einer eigenen Initiative gegenüber dem Arbeitgeber des Klägers verpflichtet, zumal es sich um die Klärung eines einfachen Sachverhalts gehandelt hat und die gesamten Umstände dafür sprachen, dass diese dem Kläger zumindest mit Hilfe des ihn begleitenden Sozialarbeiters ohne weiteres möglich war. Damit, dass der Kläger seine eigenen Interessen trotz sachgerechter Unterrichtung grob vernachlässigte, brauchte T nicht zu rechnen.