Rechtsstaatsprinzip

Diesen Ausführungen ist das BVerG im Beschluss vom 22. 11. 1983 aus folgenden Gründen nicht gefolgt: Das Rechtsstaatsprinzip, das in der Verfassung nur zum Teil näher ausgeformt ist, enthält keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote und Verbote; es bedarf der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten; dabei müssen allerdings fundamentale Elemente des Rechtsstaats und die Rechtsstaatlichkeit im ganzen gewahrt bleiben... Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers, dem Rechtsstaatsprinzip bei der Normsetzung Rechnung zu tragen; erst wenn sich bei Berücksichtigung aller Umstände, und nicht zuletzt der im Rechtsstaatsprinzip selbst eingelegten Gegenläufigkeiten unzweideutig ergibt, dass rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, kann eine Regelung als rechtsstaatswidrig beanstandet werden... Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen verkündet werden; denn die Verkündung stellt einen integrierenden Teil der förmlichen Rechtsetzung dar, ist also Geltungsbedingung. Verkündung bedeutet regelmäßig, dass die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können... Diese Möglichkeit darf auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein. Konkrete weitere Gebote für die Ausgestaltung des Verkündungsvorgangs im einzelnen ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip unmittelbar nicht. Es obliegt vielmehr dem zuständigen Normgeber, das Verkündungsverfahren so auszugestalten, dass es seine rechtsstaatliche Funktion erfüllt, der Öffentlichkeit die verlässliche Kenntnisnahme vom geltenden Recht zu ermöglichen. Dem Rechtsstaatsprinzip lassen sich indessen keine bestimmten Aussagen dazu entnehmen, in welchen Fällen es für die Verkündung einer Rechtsnorm ausreichen kann, sie nicht in einem gedruckten Publikationsorgan zu veröffentlichen, sondern nur auf einer Dienststelle zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten. Ebenso wenig kann aus dem Rechtsstaatsprinzip eine bestimmte zeitliche Abfolge von Verkündung und Inkrafttreten hergeleitet werden; ein generelles Gebot, dass die Verkündung einer Rechtsnorm ihrem Inkrafttreten vorausgehen müsse, enthält es nicht. Die Grenzen, die sich für die Rückwirkung ergeben, bleiben unberührt. Der Gesetzgeber unterliegt bei seiner Ausgestaltung des Verkündungsvorganges allerdings insofern einer verfassungsrechtlichen Grenze, als er schutzwürdige Interessen nicht verletzen, insbesondere dem Rechtsschutz der Betroffenen nicht unangemessen verkürzen darf.

Das BVerfG kommt zum Ergebnis, dass die Vorschriften über die Verkündung und das Inkrafttreten von Bebauungsplänen der Überprüfung an diesen Maßstäben standhalten: Angesichts der Besonderheiten der Bebauungspläne, die aus einem zeichnerischen und einem textlichen Teil bestehen und nur ein eng begrenztes Gebiet betreffen, konnte der Gesetzgeber sich mit einer Regelung begnügen, dass die Gemeinde sie zu jedermanns Einsicht bereithalten und ortsüblich bekanntmachen, bei welcher Dienststelle sie eingesehen werden können... Dass die Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplanes gemäß § 12 Satz 3 BBauG bereits mit dem Wirksamwerden der Bekanntmachung und somit zu einem Zeitpunkt eintritt, in dem die Pflicht der Gemeinde, ihn zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten, gemäß Satz 1 erst beginnt, verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip... Der Zeitabstand zwischen dem Inkrafttreten des Bebauungsplanes und der Möglichkeit, seinen Inhalt kennen zu lernen, ist kurz, mißt nämlich nur die Zeitspanne zwischen dem Wirksamwerden der Bekanntmachung und den nächstfolgenden Dienststunden der Dienststelle, die den Bebauungsplan zur Einsicht bereithält; zudem können die Betroffenen die Entstehung des Bebauungsplanes bereits im Aufstellungsverfahren verfolgen.

Unterrichtung von Behörden und Dritten außerhalb der Verkündung - Die Verkündung des Bebauungsplans ist mit dem in § 12 geregelten 22 Verfahren abgeschlossen. Eine Verpflichtung der Gemeinde, bestimmten Behörden oder sonstigen Trägern öffentlicher Belange das Inkrafttreten eines Bebauungsplans mitzuteilen, ist gesetzlich nicht ausdrücklich festgelegt; auch nicht gegenüber solchen Behörden, die den Bebauungsplan zu vollziehen haben (z.B. Bauaufsichtsbehörden). Der Gesetzgeber ist jedoch davon ausgegangen, dass die Gemeinden andere Behörden, die bei ihrer Verwaltungstätigkeit den Bebauungsplan anzuwenden haben, auch ohne eine bundesgesetzlich geregelte Rechtspflicht über das Inkrafttreten des Plans unterrichten und ihnen erforderlichenfalls eine beglaubigte Abschrift zur Verfügung stellen. Verwaltungsvorschriften der Länder können vorschreiben, dass die Gemeinde bestimmten Behörden eine beglaubigte Abschrift des wirksam gewordenen Bebauungsplans bzw. der Änderung, Ergänzung oder Aufhebung übersendet. So sind nach Nr.38 Nds.VV-BauGB beglaubigte Abschriften folgenden Stellen zur Verfügung zu stellen:

- Bebauungspläne in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten oder Entwicklungsbereichen: Niedersächsisches Sozialministerium;

- dem Landkreis angezeigte Bebauungspläne: Bezirksregierung;

- Bebauungspläne kreisangehöriger Gemeinden, die von der Bezirksregierung genehmigt worden sind: Landkreis;

- vereinfachte Änderungen bzw. Ergänzungen von Bebauungsplänen, die keiner Anzeige und keiner Genehmigung bedürfen: Bezirksregierung bzw. Landkreis;

- Katasteramt;

- Finanzamt.

Sonstigen Behörden und Gerichten ist auf Verlangen im Wege der Amtshilfe nach Maßgabe der §§4 bis 8 VwVIG eine beglaubigte Abschrift des Bebauungsplans zur Verfügung zu stellen. Dritten kann eine Abschrift des Bebauungsplans gegen Erstattung von Kosten überlassen werden.

Gegenstand der Ersatzverkündung nach § 12 - Ausgefertigter Bebauungsplan - Gegenstand der Ersatzverkündung ist der Bebauungsplan mit seinen zeichnerischen und textlichen Festsetzungen zum sachlichen Anwendungsbereich von § 12. Die Ersatzverkündung umfasst nicht nur die Planzeichnung, sondern auch die textlichen Bestandteile des Bebauungsplans. Es ist rechtlich weder erforderlich und im Regelfall auch nicht zulässig, die Texte im Publikationsorgan zu veröffentlichen und lediglich wegen der Zeichnungen und Pläne die Ersatzverkündung vorzunehmen. Maßgebend für § 12 ist der Bebauungsplan in der Fassung, die er 2! durch den letzten Satzungsbeschluss und gegebenenfalls durch einen erforderlichen Beitrittsbeschluss erfahren hat und die Gegenstand des aufsichtlichen Verfahrens nach §11 war. Dieser Plan muss von dem dafür zuständigen Gemeindeorgan ausgefertigt worden sein; erst die Ausfertigung schafft die für die Bekanntmachung nach § 12 erforderliche Unterlage. Zur Ausfertigung. Entwürfe des Bebauungsplans oder Niederschriften über Sitzungen der Gemeindeorgane sind nicht Gegenstand der Ersatzverkündung. Zur Einsichtnahme in Planentwürfe. Bei Änderungen oder Ergänzungen eines Bebauungsplans sind die jeweiligen Änderungs- bzw. Ergänzungssatzungen Gegenstand der Ersatzverkündung. Das gleiche gilt für die Aufhebung eines Bebauungsplans. Wird das Aufhebungsverfahren durchgeführt, um den Rechtsschein eines nichtigen Bebauungsplans zu beseitigen, ist die Aufhebungssatzung Gegenstand der Ersatzverkündung. Neben dem Bebauungsplan ist gemäß § 12 Satz 2 auch die Begründung 2 zur Einsichtnahme bereitzuhalten. Die Begründung ist jedoch nicht Gegenstand der Ersatzverkündung. Dem Verkündungsgebot unterliegen nur die normativen Teile einer Rechtsvorschrift. Die Begründung ist aber kein normativer Bestandteil des Bebauungsplans. Sie ist dem Bebauungsplan lediglich beizufügen; was beizufügen ist, kann nicht Teil des Plans sein. Ihr Inhalt hat nicht die Rechtswirkungen von Festsetzungen. Dies ergibt sich auch aus § 12, wonach der Bebauungsplan rechtsverbindlich wird, während die Begründung lediglich mit dem Bebauungsplan zur Einsicht bereitzuhalten ist. Wird die maßgebliche Begründung nicht bereitgehalten, liegt kein Verkündungsfehler vor.