Reproduktion der Arbeitskraft

Reproduktion der Arbeitskraft - Wiederherstellung der im Arbeitsprozess verausgabten Arbeitskraft (einfache Reproduktion) bzw. allseitige Entwicklung der Potenzen der Werktätigen im Sozialismus (erweiterte Reproduktion) zur Sicherung der ununterbrochenen Fortführung der gesellschaftlichen Produktion und der gesellschaftlichen Entwicklung auf wachsender Stufenleiter. Die Reproduktion der Arbeitskraft ist ein Prozess der stetigen Erneuerung und Erweiterung der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existieren und die er in Bewegung setzt, sooft er Gebrauchswerte irgendeiner Art produziert. Da die Arbeitskraft als Element des Arbeitsprozesses an den Menschen gebunden ist, umschließt ihre Reproduktion alle notwendigen gesellschaftlichen wie individuellen Anstrengungen und Aufwendungen für Nahrung, Kleidung, Wohnung, für Gesundheit, Kultur, Bildung und Nachwuchs. Die Reproduktion der Arbeitskraft ist folglich ständige Regeneration der werktätigen Menschen - der wichtigsten Produktivkraft der Gesellschaft -, Wiederherstellung, Erhaltung, Schutz, Vermehrung und qualitative Anreicherung ihres Arbeitsvermögens, Grundbedingung der Existenz und Entwicklung der menschlichen Gesellschaft (Arbeit, Arbeitsbedingungen). Die Reproduktion der Arbeitskraft wird durch die Gesetzmäßigkeiten des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses, vom Charakter und Inhalt der Arbeit, der Arbeitsteilung und von vielfältigen anderen gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten sowie demographischen Einflussfaktoren bestimmt. Die Reproduktion der Arbeitskraft vollzieht sich in ständiger Mobilität der sozialen, sozial-ökonomischen, zweigmäßigen, regionalen, altersmäßigen, geschlechtsmäßigen, beruflichen, bildungsund qualifikationsmäßigen Struktur der Bevölkerung und der Beschäftigten. Sie wird nicht nur sichtbar in der Entwicklung der Bevölkerungs- und Arbeitskräfteanzahl, sondern auch in der Gesundheit und im materiellen und geistig-kulturellen Wohlstand, in der Verlängerung der Lebensdauer der Menschen und ihrer Arbeitsfähigkeit, in der Vermehrung des Wissens und Könnens, der Arbeitsfreude, Einsatzbereitschaft, des Schöpfertums und der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen. Sie wirkt über die Zunahme der Anzahl der Arbeitskräfte und ihrer Qualifikation sowie über die Erhöhung des Wirkungsgrades ihrer Arbeit auf die Produktionsentwicklung ein. Die Reproduktion der Arbeitskraft ist zugleich wesentliches Moment der Entwicklung der Sozialstruktur der Gesellschaft. Man unterscheidet zwischen a) einfacher und erweiterter Reproduktion der Arbeitskraft; b) gesellschaftlicher und individueller Reproduktion der Arbeitskraft; c) Quantität und Qualität der Reproduktion der Arbeitskraft; d) extensiver und intensiver Reproduktion der Arbeitskraft. Zw. den jeweiligen Seiten dieser Kategorien besteht ein direkter Zusammenhang, sie bedingen einander und wirken vereint. - Die im Arbeitsprozess verausgabte Arbeitskraft und die aus dem gesellschaftlichen Produktionsprozess ausscheidenden Arbeitskräfte müssen ständig ersetzt werden. Dies geschieht durch die einfache Reproduktion der Arbeitskraft. Damit sich die menschliche Gesellschaft weiterentwickelt, muss erweitert reproduziert werden. - Die erweiterte Reproduktion der Arbeitskraft beinhaltet einen größeren Umfang und/oder eine höhere Qualität des Arbeitsvermögens. - Die erweiterte Reproduktion der gesellschaftlichen Arbeitskraft beruht vor allem auf dem Zuwachs der arbeitsfähigen Bevölkerung und der Anzahl der Beschäftigten und wird bes. durch Erhöhung des Lebensniveaus, eine fortschrittliche Wirtschafts- und Sozialpolitik (einschl. Bevölkerungs-, Gesundheits-, Wohnungs-, Kultur-, Bildungs- und Arbeitskräftepolitik) gefördert. Im Sozialismus besteht zwischen der erweiterten Reproduktion der gesellschaftlichen und der Entwicklung der individuellen Arbeitskraft eine harmonische Einheit. Das Wohl der Arbeiterklasse und aller Werktätigen stehen im Mittelpunkt der Politik der marxistisch-leninistischen Parteien, der sozialistischen Staaten und der Gewerkschaften. - Die quantitative erweiterte Reproduktion der Arbeitskraft ist dabei ihrem Inhalt nach extensive Zunahme des Arbeitsvermögens, das zahlenmäßige Wachstum der Arbeitskräfte bei gleich bleibendem qualitativen Niveau. Sie findet im Sozialismus vor allem in der Vollbeschäftigung ihren Niederschlag. In hat z. B. die Zahl der Bürger im arbeitsfähigen Alter seit 1970 wieder zugenommen und erreichte 1975 mit über zehn Mill. einen Stand, der zuletzt 1963 registriert wurde. Schneller wuchs die Zahl der Beschäftigten. Sie lag 1975 mit 2,3% über 1970, das sind 179000 Werktätige mehr (ohne Lehrlinge). Diese Entwicklung ist hauptsächlich auf die weitere Zunahme der Berufstätigkeit der Frauen zurückzuführen, deren Anteil an den Gesamtbeschäftigten im Jahre 1976 auf 49,4% stieg. Bei einem erreichten Beschäftigtengrad der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter von über 92 % (Frauen 88 %) werden die Beschäftigtenzahlen bis 1980 vor allem durch den Eintritt geburtenstärkerer Jahrgänge in das Berufsleben in der Industrie um 130000, im Bauwesen um 36000 und im Dienstleistungsbereich um 110000 wachsen. - Dagegen bedeutet qualitative erweiterte Reproduktion der Arbeitskraft wachsendes Bildungs- und Qualifikationsniveau, höhere Leistungsfähigkeit und hohe Arbeitsmoral. Qualitative erweiterte Reproduktion der Arbeitskraft ermöglicht steigende Arbeitsproduktivität und/oder relative Abnahme des quantitativen Arbeitskräftebedarfs. - Im Gegensatz zur extensiven erweiterten Reproduktion der Arbeitskraft, in der das potentielle und aktive gesellschaftliche Arbeitsvermögen nur quantitativ zunehmen, erhöhen sich in der intensiven erweiterten Reproduktion der Arbeitskraft der volkswirtschaftliche Bildungsfonds und der Reproduktionsaufwand pro Mensch bzw. Arbeitskraft, womit das Niveau der Volksgesundheit, die Lebenserwartung, der kulturell-technische und ökonomische Bildungsstand, das politisch-moralische Niveau und die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des einzelnen gehoben und damit Grundlagen für ein noch schnelleres Wachstum des Nationaleinkommens geschaffen werden. Mit fortschreitender Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft werden die qualitative und intensive Reproduktion der Arbeitskraft zu einem entscheidenden Wachstumsfaktor. Die Aufwendungen für Bildung, Gesundheits- und Sozialwesen, für Mutter- und Kinderschutz, Kultur und Sport sowie für Erholung und sinnvolle Freizeitgestaltung, für die Gestaltung persönlichkeits- und produktivitätsfördernder Arbeitsbedingungen sowie für den Arbeitsschutz nehmen ständig zu. Ein Resultat der intensiven Reproduktion der Arbeitskraft ist u. a. die ständige Verbesserung der Qualifikationsstruktur der Werktätigen in der sozialistischen Wirtschaft. In Einheit mit der qualitativen Reproduktion der Arbeitskraft erhält die Ökonomie der lebendigen Arbeit und ihre Wirkung auf die vergegenständlichte Arbeit bei der Senkung des Gesamtaufwandes pro Einheit des bedarfsund qualitätsgerecht produzierten Nationaleinkommens zunehmende Bedeutung. Es gilt, das gesellschaftliche Arbeitsvermögen für die Vertie¬fung der Intensivierung der Volkswirtschaft, die Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und die Erhöhung der Qualität der Arbeit so gut wie möglich zu nutzen. Auf dem Wege der sozialistischen Rationalisierung sind z. B. von 1976 bis 1980 jährlich 240 bis 260 Mill. Arbeitsstunden Zeitgewinn zu erzielen, das entspricht der Jahresarbeitszeit von 60500 Werktätigen, und mittels wissenschaftlicher Arbeitsorganisation jährlich mindestens 180000 bis 200000 Arbeitsplätze mit verbesserten Tätigkeitsbedingun¬gen neu- oder umzugestalten. Der rationelle Einsatz des Arbeitsvermögens und die effektive Nutzung des vorhandenen Bildungspotentials dienen der tatsächlichen Entäußerung des angereicherten individuellen Arbeitsvermögens, der Selbstverwirklichung des Menschen in seiner Arbeit, einer Grundbedingung sozialistischer Persönlichkeitsentfaltung. Sie sind ein objektives Erfordernis des Gesetzes der Ökonomie der Zeit. Der mit der Reproduktion der Arbeitskraft verbundene soziale Fortschritt wird damit zunehmend in gesellschaftliche Aktivität umgesetzt.

Die Reproduktion der Arbeitskraft im Sozialismus ist der im Kapitalismus grundsätzlich überlegen: a) Im Kapitalismus verschärft die Reproduktion der Arbeitskraft die Ausbeutung und vermehrt das Heer der politisch und ökonomisch Entrechteten sowie der Arbeitslosen. Dagegen ist sie im Sozialismus Reproduktion freier und sozial verbündeter, machtausübender Menschen, die die Voraussetzungen schaffen für den allmählichen Obergang zur klassenlosen Gesellschaft. b) Sie unterliegt im Kapitalismus dem allg. Gesetz der kapitalistischen Akkumulation, der Anarchie und Spontanität sowie der zyklischen Bewegung des Kapitals. Diese bewirken tiefe Widersprüche zwischen dem zunehmenden potentiellen gesellschaftlichen Arbeitsvermögen und seiner volkswirtschaftlichen Nutzung. Es herrscht chronische Arbeitslosigkeit, zunehmend bereits von den Schulbänken weg. Dagegen ermöglicht der planmäßig verlaufende Prozess der Reproduktion der Arbeitskraft im Sozialismus Vollbeschäftigung und rationelle Verteilung des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens. c) Die Reproduktion der Arbeitskraft führt im Kapitalismus zu einem unüberbrückbaren Widerspruch zwischen der Reproduktion der gesellschaftlichen und der individuellen Arbeitskraft. Die Vergeudung von gesellschaftlicher Arbeitskraft im großen durch Aufrüstung, Aufblähung des Staatsapparates und Militarisierung, Kriege u. ä. geht einher mit einem intensiven Raubbau an der individuellen Arbeitskraft (zunehmende Unfallzahlen, wachsende Frühinvalidität, verbreitete Herz-, Magen- und Nervenkrankheiten u. a.). Dagegen sind Erhaltung, Schutz, Pflege und Förderung der individuellen Arbeitskraft Grundforderungen der sozialistischen Gesellschaft. d) Die Reproduktion der Arbeitskraft vergrößert im Kapitalismus den Widerspruch zwischen geistiger und körperlicher Arbeit. Dagegen bildet die Reproduktion der Arbeitskraft im Sozialismus eine Einheit mit der sozialistischen Kultur- und Bildungsrevolution, der Entfaltung der sozialistischen Demokratie und der Schaffung sozialistischer Lebens- und Arbeitsbedingungen. Die Reproduktion der Arbeitskraft verschärft im Kapitalismus den Grundwiderspruch zwischen Arbeit und Kapital und vertieft die allg. Krise. Sie ist im Sozialismus Ausdruck des realen Humanismus des sozialistischen Staates und seiner aus der Hauptaufgabe des Sozialismus entspringenden Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Bedeutung der Reproduktion der Arbeitskraft wird im Programm ausdrücklich unterstrichen, in dem es heißt: Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands geht stets davon aus, dass der Mensch die Hauptproduktivkraft ist, zu dessen Nutzen die Intensivierung der Produktion durchgeführt und dessen Arbeit dadurch erleichtert wird. Sie schenkt der Entwicklung und rationellen Nutzung des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens große Beachtung.