Risikoklausel

Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Vertragspflichten aus einem gegenseitigen Vertrag unter dem Gesichtspunkt des teilweisen Wegfalls der Geschäftsgrundlage an eine bei Vertragsabschluss nicht vorausgesehene und nicht voraussehbare Entwicklung angepasst werden können.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht ist jedoch der Ansicht, dass die zu Lasten des Beklagte rechtswirksam vereinbarte Risikoklausel unter dem Gesichtspunkt eines teilweisen Wegfalls der Geschäftsgrundlage einer Anpassung bedürfe, weil die -Parteien bei Abschluss der Vereinbarung vom 26. 5. 1959 von einem Ausfallrisiko von 20% ausgegangen seien und es angesichts des unvorhersehbaren, nicht vom Beklagte verschuldeten Ausfalls von nahezu 50% unbillig erscheine, diesen in vollem Umfang an der Risikoübernahme festzuhalten. Auch diese Ausführungen halten - jedenfalls im Ergebnis - einer rechtlichen Nachprüfung stand.

Das Berufsgericht sieht in dem Umstand, dass unstreitig beide Parteien bei Vertragsabschluss von einem 20%igen Ausfall bei der Rückverschuldung ausgegangen seien, eine Geschäftsgrundlage dieses Vertrages. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Nach gefestigter Rechtsprechung gelten als Geschäftsgrundlage - soweit hier von Interesse - die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein und dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut.

Diese Voraussetzungen lagen nach den insoweit bindenden tatrichterlichen Feststellungen hinsichtlich der Höhe der zu erwartenden Ausfallquote vor. Die Rüge der Rev., das Berufsgericht habe diesen gemeinsamen Ausgangspunkt beider Parteien bei Vertragsabschluss schon deswegen nicht als unstreitig ansehen dürfen, weil die Kläger unter Beweisantritt vorgetragen habe, dass das Ausfallrisiko ausweislich der einzelnen Abkommen mit 30 bis 40% angesetzt und im Rebenpreis einkalkuliert worden sei, geht fehl. Zwar sollte nach dem Rebenveredlungsabkommen vom 28.2. 1956 der Rebenpreis unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Anwuchsergebnisses - nicht Ausfalls, wie die Kläger anzunehmen scheint - von 35% festgesetzt werden. Hier geht es jedoch nicht um die Festsetzung einer angemessenen Vergütung für die Veredlung, sondern die ganz anders gelagerte Frage, welcher Ausfall bei den Wiedereinschulen bereits veredelter und der Kläger vergeblich angebotener einjähriger Pfropfreben zu erwarten war. Insoweit ergibt sich aber gerade aus der Niederschrift über die Besprechung vom 15. 5. 1959, bei der Vertreter der privaten Rebveredler und der Kläger den der Vereinbarung vom 26. 5. 1959 zugrunde liegenden Musterentwurf ausgearbeitet haben, ganz eindeutig, dass die Beteiligten die beiderseits zu erbringenden Leistungen auf der Grundlage eines 20%igen Ausfalls errechnet und ausgehandelt haben, und dass ein Ausfall von fast 50% völlig außerhalb der von beiden Teilen erwarteten Entwicklung lag.

Daraus folgt zugleich, dass es sich - entgegen der Ansicht der Rev. -o bei der Übernahme des Ausfallrisikos durch den Beklagte nicht etwa um ein echtes Risikogeschäft handelte, das diesem eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage verwehrt hätte. Vielmehr hatte der Beklagte nach den übereinstimmenden Vorstellungen beider Parteien bei Vertragsabschluss lediglich ein klar umgrenztes, voraussehbares Risiko übernehmen wollen. In derartigen Fällen ist aber die betroffene Vertragspartei nicht gehindert, sich unter Bezugnahme auf Umstände, die außerhalb des voraussehbaren Verlaufs der Dinge und damit des bewusst übernommenen Risikos liegen, auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen.

Richtig ist allerdings, dass gleichwohl eine Anpassung des Vertrages an die veränderten Umstände dann nicht in Betracht käme, wenn das Verdorren der zurückgeschulten Propfreben auf mangelnde Pflege seitens des Beklagte zurückzuführen wäre. Wer selbst ein Abweichen von der bei Vertragsabschluss als sicher vorausgesetzten Entwicklung schuldhaft herbeiführt, kann sich nach Treu und Glauben in aller Regel nicht auf diese ihm nachteilige Entwicklung berufen. Das aber ist hier nach den rechtsirrtumsfreien tatrichterlichen Feststellungen nicht der Fall. Soweit insoweit die Rev. eine Verletzung der Beweislastregeln rügt, verkennt sie, dass das Berufsgericht - gestützt auf das Ergebnis der Beweisaufnahme - ein Verschulden des Beklagte ausdrücklich verneint und damit festgestellt hat, dass dieser für den unerwartet großen Ausfall an Reben nicht verantwortlich war. Soweit das Berufsgericht zusätzlich darauf abstellt, dass angesichts der außergewöhnlichen Dürre, des späten Rückschulungszeitpunkts und der Lage in vergleichbaren Betrieben die Lebenserfahrung für das Vorbringen des Beklagte spreche, handelt es sich ersichtlich um eine Hilfserwägung, die aber ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des prima-facie-Beweises rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Lag das Ausmaß des vom Beklagte nicht zu verantwortenden Ausfalls völlig außerhalb der bei Vertragsabschluss von den Parteien in Betracht gezogenen und voraussehbaren Entwicklung, so war das Berufsgericht nicht gehindert, die vertraglichen Pflichten der Parteien diesen v0eränderten Umständen anzupassen. Der Ansicht der Rev., das Berufsgericht habe insoweit die Anforderungen zu gering bemessen und insbesondere keine hinreichenden Feststellungen dahingehend getroffen, dass die Aufrechterhaltung der Vereinbarung vom 26.5. 1959 für den Beklagte unzumutbar sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Es ist zwar richtig, dass angesichts des überragenden Grundsatzes der Vertragstreue eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur dann in Betracht kommen kann, wenn dies zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin, nicht vereinbarer und damit der betroffenen Vertragsparteien nicht zumutbarer Folgen unabweislich erscheint. Eine derartige Unzumutbarkeit kann sich jedoch - unabhängig von etwaigen finanziellen Folgen für die betroffene Vertragspartei - schon aus Inhalt und Zweck des Vertrages ergeben. So war es hier. Dem Beklagten stand im Frühjahr 1959 hinsichtlich der 5750 Reben gegenüber dem Kläger ein durchsetzbarer Vergütungsanspruch von 4600 DM zu.

Statt dessen erhielt er zwar einen gleichhohen Betriebsmittelkredit, musste ihn jedoch in Höhe des Betrages für diejenigen Reben, die bis zum Frühjahr 1960 bei ihm eingingen und die er daher der Kläger nicht wieder andienen konnte, zurückzahlen. Der Umstand, dass der Kredit zinslos gewährt wurde, gab ihm gegenüber dem fälligen Vergütungsanspruch keinen Vorteil. Die Einschulungsbeihilfe wurde zumindest zu einem erheblichen Teil durch die mit der Wiedereinschulung verbundenen Unkosten aufgezehrt. Bei dieser Sachlage und angesichts des Umstandes, dass der Beklagte sich zur Rückverschulung in erster Linie im Interesse der Kläger bereit gefunden und dabei erhebliche Nachteile und Unannehmlichkeiten in Kauf genommen hatte, hat das Berufsgericht den hohen Ausfall als eine für den Beklagte nicht mehr zumutbare Belastung angesehen und insoweit der Kläger als der durch die Vereinbarung in erster Linie begünstigten Vertragspartei aufgebürdet. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die vom Berufsgericht vorgenommene. Anpassung der vertraglichen Pflichten an die veränderten Umstände - Zubilligung eines Vergütungsanspruchs in Höhe von 1320 DM für diejenigen 1650 Reben, die über eine Ausfallquote von 20% hinaus verdorrt sind - hält sich im Rahmen des pflichtgemäßen tatrichterlichen Ermessens. Sie trägt in zulässiger Weise dem Umstand Rechnung, dass die Kläger, die sich nach den Feststellungen des Berufsgericht im Frühjahr 1959 hinsichtlich der streitigen Reben in Annahmeverzug befand, ohne die Vereinbarung vom 26. 5. 1959 das gesamte Ausfallrisiko gemäß § 324 Abs. 2 oder § 644 Abs. 1 Satz 2 BGB getragen hätte, - ohne dass es in diesem Zusammenhang einer Entscheidung über die Rechtsnatur des Rebveredlungsabkommens vom 28. 2. 1956 bedarf.