Rückforderungsverfahren

Bei einer nach dem Wortlaut der Urkunde unbefristeten Bürgschaft mit der Klausel auf erste Anforderung zu zahlen wird der vom Gläubiger bestrittene Einwand des Bürgen, seine Verpflichtung sei zeitlich begrenzt, erst im Rückforderungsverfahren geprüft (Fortführung von BGHZ 74, 244 = LM vorstehend Nr. 27 = NJW 1979, 1500).

Zum Sachverhalt: Die Kläger hatten im März 1979 der Firma R, der Streithelferin der Beklagte, für ein Bauvorhaben den Auftrag für die Erd-, Kanal-, Maurer- und Stahlbetonarbeiten erteilt. Dessen Bestandteil sind Besondere Vertragsbedingungen (im folgenden BesVB). Sie bestimmen unter III 6: Es gilt als vereinbart, dass eine Sicherheitsleistung für die Dauer von einem Jahr einbehalten wird. Die Höhe derselben richtet sich nach der Gesamtabrechnungssumme und beträgt 5 vom H. der Summe der Endrechnung. Der einbehaltene Betrag wird nach Ablauf von einem Jahr ausbezahlt, soweit er nicht zur Beseitigung etwaiger Mängel in Anspruch genommen wurde. Die Sicherheitsleistung kann nach VOB, Teil B, § 17 (4) auch durch eine Bankbürgschaft abgelöst werden. § 17 Nrn. 3, 6, 7 und 8 der VOB, Teil B, wird hiermit ausdrücklich ausgeklammert. ...

VII 7: ... Die Gewährleistungsfrist beträgt für alle Gewerke 5 Jahre laut BGB und beginnt mit dem Tag der Übergabe an den Käufer.

Am 13. 10. 1980 erstellte die Streithelferin die Schlussabrechnung über 1422856,48 DM. In der Schlusszahlungsvereinbarung vom 6. 3. 1981 wurde die Schlusssumme einschließlich Mehrwertsteuer einvernehmlich auf 1327901,11 DM festgestellt. Weiter heißt es: ... Die Schlusszahlung ist hiermit geleistet. Die Gewährleistungsbürgschaft wurde übergeben und in der vorliegenden Form akzeptiert. Die von der Beklagte am 3. 3. 1981 unter Verwendung eines Formulars ausgestellte Bürgschaft lautet auszugsweise: ... Art der Bürgschaft: Vertragsgewährleistungsbürgschaft. Haftungsbetrag 66000 DM. Die Bürgschaft ist selbstschuldnerisch und unbefristet. Der Bürge verzichtet auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage (§§ 770, 771 BGB) sowie auf das Recht aus § 776 BGB und ist bereit, auf erste Anforderung zu zahlen, ungeachtet aller Einwände und Einreden auch von dritter Seite ... Die Kläger rügten erstmals mit Schreiben vom 9. 8. 1982 gegenüber der Streithelferin Mängel bei der Verlegung der Kanäle. Die Streithelferin lehnte eine Haftung ab. Mit Schreiben vom 12. 11. 1982 verlangten die Kläger von der Beklagte aufgrund der Bürgschaft die umgehende Zahlung des Haftungsbetrages von 66000 DM. Dabei legten sie ihre Gewährleistungsansprüche unter Berufung auf ein beigefügtes Sachverständigengutachten über den baulichen Zustand des Kanalsystems dar. Die Beklagte weigerte sich zu zahlen.

Die Vorinstanzen haben die auf Zahlung von 66000 DM gerichtete Klage abgewiesen. Die Revision der Kläger führte zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagte.

Aus den Gründen: Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Bürgschaft die für die Dauer eines Jahres bestehende Forderung auf den 5%igen Sicherheitseinbehalt als Hauptschuld habe sichern sollen. Auch die Bürgschaftsverpflichtung könne sich wegen ihrer Akzessorietät nicht über diesen zeitlichen Rahmen hinaus erstrecken. Da die Kläger die Beklagte nicht innerhalb dieser Frist in Anspruch genommen hätten, könnten sie aus der Bürgschaft keine Rechte mehr herleiten. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht den Inhalt der Bürgschaftsurkunde vom 3. 3. 1981 und den Vortrag der Kläger nicht ausgeschöpft hat.

Nach Wortlaut und Inhalt der Urkunde handelt es sich um eine Gewährleistungsbürgschaft. Das zieht die Beklagte nicht mehr in Zweifel. Sie hat sich verpflichtet, auf erste Anforderung zu zahlen, ungeachtet aller Einwände und Einreden auch von dritter Seite. Gerade darauf berufen sich die Kläger Nach der Rechtsprechung des BGH ist diese Klausel mit dem Wesen einer Bürgschaftsverpflichtung vereinbar (BGHZ 74, 244 = LM vorstehend Nr. 27 = NJW 1979, 1500, dazu Anm. Hickl, BauR 1979, 463, und Rehbein, JR 1980, 17; Senat, NJW 1984, 923 = LM vorstehend Nr. 34 = ZIP 1984, 32). Die Bürgschaft sichert eindeutig den Anspruch auf Gewährleistung aus dem Vertrage vom 26. 3. 1979. Nach dem Wortlaut der Urkunde ist sie unbefristet und entspricht damit Abschn. III Nr. 6 BesVB mit § 17 Nr. 4 VOB/B. Bei dieser Sachlage konnte sich die Erklärung, welche die Zahlungspflicht auslöst, auf die Angabe beschränken, dass Baumängel vorliegen, die einen Zahlungsanspruch aus Gewährleistung im Betrage von mindestens 66000 DM begründen (vgl. zu den Anforderungen Senat, NJW 1984, 923 = LM vorstehend Nr. 34). Das Anwaltsschreiben der Kläger vom 12. 3. 1982 mit dem beigefügten Gutachten eines Bausachverständigen genügt diesen Anforderungen; es begründet schlüssig die Inanspruchnahme aus dieser Bürgschaft, zumal die Gewährleistungszeit (Abschn. VII Nr. 7 BesVB) unstreitig noch nicht abgelaufen war.

Einer weiteren Erläuterung oder gar Beweisführung bedurfte es nach dem Wortlaut der Bürgschaft nicht. Die behauptete zeitliche Begrenzung der Bürgenverpflichtung auf ein Jahr entsprechend dem damit abgelösten Sicherheitseinbehalt von Geld ergibt sich nicht ohne weiteres aus der Bürgschaftsurkunde oder aus dem in Bezug genommenen Vertrag vom 26. 3. 1979 samt den BesVB und § 17 Nr. 4 VOB/B. Das zeigt schon der Streit der Parteien darüber mit aller Deutlichkeit. Deshalb gehört dieser Einwand ebenso in das Rückforderungsverfahren wie die Frage, ob die durch die Bürgschaft gesicherte Hauptforderung, ein Zahlungsanspruch aus Gewährleistung, überhaupt besteht. Nur die offensichtlich fehlende sachliche Berechtigung gibt den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB; vgl. Horn, NJW 1980, 2156; Hickl, BauR 1979, 466; Oberlandesgericht Hambrug, VersR 1984, 170). Davon kann hier keine Rede sein:

Hauptschuld ist der Anspruch auf vertragsmäßige Ausführung der Leistung und die Gewährleistung. Denn nach § 17 I Nr. 2 VOB/B, der nicht abbedungen ist (Abschn. III 6 II BesVB), dient die Sicherheit dazu, die vertragsmäßige Ausführung der Leistung und Gewährleistung sicherzustellen. Als Sicherheit vereinbarten die Kläger und die Streithelferin in erster Linie den Einbehalt von Geld (Abschn. III Nr. 6 I 1 BesVB, § 17 Nr. 2 VOB/B), gleichzeitig aber für den Auftragnehmer die Möglichkeit der Ablösung nach VOB, Teil B, § 17 (4) auch durch eine Bankbürgschaft. Diese Bedingung lautet:

Bei Sicherheitsleistung durch Bürgschaft ist Voraussetzung, dass der Auftraggeber den Bürgen als tauglich anerkannt hat. Die Bürgschaftserklärung ist schriftlich unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage abzugeben (§ 771 BGB); sie darf nicht auf bestimmte Zeit begrenzt und muss nach der Vorschrift des Auftraggebers ausgestellt sein.

Die in § 17 Nr. 2 VOB/B vorgesehenen Sicherheiten sind gleichwertig. Ablösen bedeutet, die eine durch die andere ersetzen (BGHZ 74, 244 = LM vorstehend Nr. 27 = NJW 1979, 1500). Die Bürgschaft der Beklagte entspricht § 17 Nr. 4 VOB/B. Da unbefristet, konnte sie über die ganze vereinbarte Gewährleistungszeit von fünf Jahren (vgl. Abschn. VII Nr. 7 BesVB am Ende) als Gewährleistungsbürgschaft gehen. Unter dieser Bezeichnung ist sie auch nach Vorschrift des Auftraggebers ausgestellt; nach der Schlusszahlungsvereinbarung vom 6. 3. 1981 wurde sie als Gewährleistungsbürgschaft übergeben und in der vorliegenden Form von dem Kläger zu 2 angenommen. Wortlaut und Inhalt der schriftlichen Vereinbarungen, vor allen Dingen der Bürgschaftsurkunde, bieten keinerlei Anhalt dafür, dass entgegen Abschn. III 6 II BesVB mit § 17 Nrn. 1 II, 2 und 4 VOB/B durch die Bürgschaft nur das Recht auf einen Sicherheitseinbehalt von 66 000 DM für ein Jahr habe gesichert werden sollen. Diese erheblichen, nicht ausgeräumten Zweifel gegen eine Befristung der Bürgschaft auf ein Jahr gehen zu Lasten der Beklagte Sie muss deshalb entsprechend ihrer Verpflichtung auf die Anforderung der Kläger zahlen.

Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Unter dem Gesichtspunkt der Bürgschaft zur Zahlung auf erstes Anfordern ist die Sache zur Endentscheidung reif. Die Höhe des Anspruchs ergibt sich aus der Bürgschaftsurkunde, der Ausspruch über die Zinsen ab 23. 11. 1982 aus §§ 284, 286, 288 BGB.