Sachmangel-Schadensersatz

Kann der Käufer vom Verkäufer wegen eines Sachmangels Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung und zugleich aus unerlaubter Handlung (§§ 823ff. BGB) verlangen, so verjährt der Deliktanspruch - unabhängig von der für den Vertragsanspruch geltenden Regelung des § 477 BGB - in drei Jahren (§ 852 BGB).

Anmerkung: In diesem Urteil befasst sich der VIII Zivilsenat des BGH mit der Frage, ob der Käufer einer mangelhaften Sache, dessen Gewährleistungsansprüche einschließlich eines auf den Sachmangel gestützten Schadensersatzanspruchs aus positiver Vertragsverletzung gemäß § 477 BGB verjährt sind, seinen Anspruch auch nicht mehr auf unerlaubte Handlung (fahrlässige Verletzung des Eigentums; § 823 I BGB) stützen kann, - ob mithin bei allen Schadensersatzansprüchen, die sich auf einen Sachmangel stützen, einheitlich die kurze Verjährungsfrist des § 477 BGB maßgebend ist. Diese Frage ist seit langem umstritten.

1.Die Mehrheit des Schrifttums hat sie verneint und - ausgehend von- dem Grundsatz, dass Schadensersatzansprüche aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung in echter Anspruchskonkurrenz zueinander stehen und damit nach Voraussetzung, Inhalt und Durchsetzung selbständig zu beurteilen sind - für die Verjährung des Deliktanspruchs die- dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB als maßgebend angesehen (vgl. etwa Staudinger-Ostler, BGB, 11. Aufl. Vorb. 23 zu § 459; Mezger, in: RGRK, 12. Aufl., § 477 Anm. 11; Palandt-Putzo, BGB, 35. Aufl., vor § 459 An. 2f.; Schlechtriem, in: Festschr. f. Rheinstein, 1969, Bd. II, S. 683 ff., 690 [699] sowie in VersR 1973, 581ff. [588]; Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt, 1934, S. 146ff.; Enneccerus-Lehmann, SchuldR, 15. Aufl., S. 1007; Schmitz, NJW 1973, 2081 [2084]). Neben dogmatischen Erwägungen, wie sie sich aus dem Wesen der Anspruchskonkurrenz ergeben, steht hinter dieser Ansicht ersichtlich auch das Unbehagen an der starren, für viele Fälle des Handelsverkehrs als zu kurz empfundenen und vor allem wegen der Anknüpfung des Fristbeginns an den Zeitpunkt der Ablieferung nicht selten zu grob unbilligen Ergebnissen führenden sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 477 BGB, deren unerwünschte Rechtsfolgen man jedenfalls im Bereich der fahrlässigen Eigentumsverletzung durch das Zurückgreifen auf den- nicht zuletzt auch wegen des Fristbeginns für den Käufer günstigeren - Deliktsanspruch mildern kann. So ist auch der BGHin den vergleichbaren Fällen des Werkvertragsrechts (§ 638 BGB; vgl. BGHZ 55, 392 Nr. 17 zu § 638 BGB und BGHZ 61, 203 = Nr. 25 zu § 638 BGB) und der gegen Spediteure, Lagerhalter und Frachtführer gerichteten Schadensersatzanspreche aus Vertrag (§ 414 HGB; vgl. BGHZ 9, 301 = Nr. 1 zu § 414 HGB) von einem Nebeneinander von vertraglichen und deliktischen Ansprüchen mit unterschiedlicher Verjährungsregelung ausgegangen:

2. Demgegenüber mehren sich beim Kaufrecht vor allem in der Rechtsprechung (vgl. etwa Oberlandesgericht Düsseldorf, NJW 1975, 453) die Stimmen, die - ausgehend von dem rechtspolitischen Sinn der kurzen Verjährung des § 477 BGB, den Streit über Sachmängel im Interesse der baldigen Wiederherstellung des Rechtsfriedens im Handelsverkehr und der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten möglichst rasch zu beenden - von einer Verdrängung des § 852 BGB durch § 477 BGB ausgehen. Sie können sich dabei auf die gefestigte Rechtsprechung des BGH zum Mietrecht berufen, in dessen Bereich - und zwar aus eben denselben Erwägungen - die Ansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache auch insoweit einheitlich der kurzen Verjährungsfrist des § 558 I BGB unterstellt werden, als sie aus unerlaubter Handlung hergeleitet werden könnten (BGHZ 47, 53 = Nr. 9 zu § 558 BGB).

3. Der VIII. Zivilsenat hält in der jetzigen Entscheidung an dem Grundsatz der Anspruchskonkurrenz und damit an dem Nebeneinander von vertraglicher (§ 477 BGB) und deliktischer Verjährung (§ 852 BGB) fest. Entscheidender Gesichtspunkt ist dabei die Erwägung, dass eine Unterstellung auch der Deliktansprüche im Rahmen der Sachmängelhaftung im weiteren Sinne unter die kurze Verjährung nur dann geboten und gerechtfertigt wäre, wenn andernfalls die Regelung über die kurze Verjährung vertraglicher Ersatzansprüche im Ergebnis ausgehöhlt und damit leerlaufen würde. So ist die Sachlage bei den Ersatzansprüchen des Vermieters, der in aller Regel eine in seinem Eigentum stehende Sache vermieten wird; hier würde in der Tat die Befugnis, auch nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist des § 558 I BGB noch auf die deliktsrechtliche Haftung zurückgreifen zu können, den mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck vereiteln. Anders im Kaufrecht. Hier behält § 477 BGB auch dann seinen Sinn, wenn dem durch mangelhafte Lieferung geschädigten Käufer nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist die Möglichkeit bleibt, seinen deliktsrechtlichen Anspruch weiterzuverfolgen. Entscheidend ist dabei, dass sich in der Tat die Rechtsposition des Käufers nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist des § 477 BGB entscheidend verschlechtern kann, - ein nicht unwesentlicher Schutz des Verkäufers vor der Gefahr, noch nach Jahren mit Schadensersatzansprüchen aufgrund mangelhafter Lieferung in Anspruch genommen zu werden und dadurch in Beweisnot zu geraten; denn nunmehr trifft den Käufer, der sich nicht mehr auf die Beweislastregelung des § 282 BGB berufen kann, in weiten Bereichen die Verpflichtung, ein Verschulden des Verkäufers nachzuweisen. Richtig ist zwar, dass, worauf Graf von Westphalen in seiner kritischen Anmerkung BB 1976, 1097 hinweist, dem Käufer u. U. die für den Bereich der Produzentenhaftung entwickelten Grundsätze über eine - im Ergebnis dem § 282 BGB gleichkommende - Beweislastumkehr zugute kommen. Das gilt jedoch nicht für den weiten Bereich der Kaufverträge zwischen zwei Händlern im Rahmen einer mehrstufigen Handelskette, - also in einem der typischen Fälle, in denen- wie hier - für die Grundsätze der Produzentenhaftung gerade kein Raum ist. Bei dieser Sach- und Rechtslage besteht in der Tat keine Notwendigkeit, dem geschädigten Käufer nach Ablauf der kurzen . Verjährung das Zurückgreifen auf deliktsrechtliche Ansprüche zu versagen. Der vom BGH eingenommene Standpunkt trägt dazu bei, die mit der starren und vielfach sich als zu kurz erweisenden Verjährungsfrist des § 477 BGB für den Käufer verbundenen Härten zu mildern, - und es wäre in der Tat nicht einzusehen, aus welchem Grunde ein durch die Lieferung einer mangelhaften Sache in seinem Eigentum geschädigter Käufer nur deswegen hinsichtlich der Verjährung schlechter als ein Dritter gestellt werden sollte, weil er zu dem Schädiger zugleich in vertraglichen Beziehungen steht.