Sattelzugmaschine

Im Rahmen einer Veräußerung seines Fernverkehrgeschäftes verkaufte der Beklagte durch schriftlichen Vertrag vom 11. 1. 1969 dem Kläger u. a. eine Sattelzugmaschine und einen Sattelauflieger. Als Preis für die beiden Fahrzeuge wurde im Vertrag der am Tag der Übernahme gültige DAT-Taxpreis plus 11 % Mehrwertsteuer vereinbart. Der Sachverständige Dr. S., Leiter der DAT-Schätzungsstelle I., untersuchte im Auftrag des Beklagten die beiden Fahrzeuge am 28. 2. 1969 und erteilte unter dem 7. 3. 1969 zwei Schätzungsurkunden, in denen der Markt- z eitwert der Zugmaschine mit 9 000 DM, derjenige des Aufliegers mit 5 000 DM angegeben ist. Auf der Rückseite der Schätzungsurkunden sind die Schätzungsbedingungen der DAT (Deutsche Automobil-Treuhand GmbH in S.) abgedruckt. Der Kläger übernahm die beiden Fahrzeuge und die Schätzungsurkunden und zahlte die in den beiden Schätzungsurkunden genannten Beträge nebst 11 % Mehrwertsteuer an den Beklagten

Kurz darauf beauftragte der Kläger den Dipl.-Ing. W., Leiter der DATSchätzungsstelle in 0., mit einer erneuten Schätzung. Er bemerkte, die Fahrzeuge seien seit dem Ankauf lediglich von W. nach 0 überführt worden. Die Schätzungen durch Dr. S. ließ der Klägergegenüber Dipl,- Ing. W. unerwähnt. Letzterer untersuchte die Zugmaschine am 31. 3. 1969, den Auflieger am 8. 4. 1969 und setzte sodann in den beiden Schätzungsurkunden vom 3. bzw. 8. 4. 1969 den Wert der Zugmaschine auf 6 300 DM, den des Aufliegers auf 2 000 DM fest.

Der Kläger wies in einem an die DAT-Zentrale in S. gerichteten Schreiben vom 14. 4. 1969 sowie in einem weiteren Schreiben seines Bevollmächtigten, des RAs Dr. S. vom 19. 5. 1969, auf die Abweichungen der beiden Schätzungen hin und bat um Überprüfung. Am 22. 5. 1969 übersandte die DAT-Zentrale darauf dem Bevollmächtigten des Klägers neu ausgestellte Urkunden und erklärte in dem Anschreiben, die Differenz zwischen den Bewertungen der Schätzungsstellen I. und 0. sei auf die unterschiedlichen Erhaltungszustände der Reifen zurückzuführen. Diese beiden neuen, von der DAT-Zentrale ausgestellten Schätzungsurkunden nennen - wie die ursprünglichen Schätzungsurkunden des Dr. S. - den 28. 2. 1969 als Zeitpunkt der Untersuchung beider Fahrzeuge und den 7. 3. 1969 als Datum der Unterzeichnung durch Dr. S. Dessen Name ist in den neuen Urkunden allerdings nur in Maschinenschrift angebracht (gez. Dr. S.), während unter der zusätzlichen Datumsangabe 22. 5. 1969 ein Prokurist und ein Handlungsbevollmächtigter der DAT-Zentrale die beiden Urkunden handschriftlich unterzeichnet haben. In diesen beiden Urkunden ist die Zugmaschine auf 7 400 DM, der Auflieger auf 3 300 DM geschätzt. Die Beträge liegen somit wesentlich unterhalb der ursprünglichen Schätzung Dr. S., sind freilich höher als in der Schätzung Dipl.-Ing. W.

Ausgehend von der Schätzung der DAT-Zentrale verlangt der Klägerdie Rückzahlung des Differenzbetrages von 3 663 DM nebst Zinsen, den er im Vertrauen auf die Richtigkeit der ursprünglichen Schätzung Dr. S. an den Beklagten zu viel gezahlt habe. Er behauptet, die DAT-Zentrale habe das in Vb der Schätzungsbedingungen vorgesehene Überprüfungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt, so dass gemäß Vd die Neufestsetzung maßgebend sei.

Der Beklagte hat das bestritten und hat Klageabweisung verlangt.

Die von der DAT und von ihren örtlichen Schätzungsstellen verwendeten Formulare einer Schätzungsurkunde enthalten auf der Vorderseite u. a. folgenden Text:

Der Schätzwert gilt nur Im Zusammenhang mit den umstellenden Schätzungsbedingungen. Wer diesen Schätzwert beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts zugrunde legt oder Besitz oder Eigentum- an der Urkunde erwirbt, erkennt damit die Schätzungsbedingungen an.

In den auf der Rückseite des Formulars abgedruckten Schätzungsbedingungen heißt es u. a.:

c) Der Auftraggeber erklärt sich ausdrücklich bereit, über ihm bekannte frühere DAT-Schätzungen des vorgeführten Fahrzeugs Aufklärung zu geben und etwa in seinem Besitz befindliche DAT-Schatzungsurkunden dem Schätzer unaufgefordert vorzulegen, da jeder Schätzer im Interesse des Auftraggebers verpflichtet ist, sich über eine an einer anderen durch die DAT anerkannten Schätzungsstelle vorausgegangene Schätzung Aufschluss zu verschaffen, bevor er schätzt.

f) Der Schätzwert ist ungültig, wenn dem Schätzer eine frühere DAT-Schätzung nicht bekanntgegeben wurde. ...

IV. a) Über jede vorgenommene Wertermittlung wird von dem Schätzer eine Schätzungsurkunde ausgefertigt und dem Auftraggeber ausgehändigt....

b) Einzelheiten und das Verfahren der Schätzwertermittlung, welches alleiniges geistiges Eigentum der DAT ist, werden - auch dem Auftraggeber - nicht bekanntgegeben.

V. a) Der Auftraggeber und die Parteien eines Kauf-, Kredit-, Versicherungs- oder sonstigen Vertrages, zu dessen Erfüllung die Schätzung herbeigeführt wird, sowie der Inhaber der Urkunde können innerhalb eines Monats, vom Ausstellungsdatum der Urkunde ab gerechnet, die Nachprüfung des Schätzungswertes, die gebührenfrei erfolgt, bei der DAT, S., beantragen. ...

b) Die DAT S. ist berechtigt, auch ohne Vorlegen eines Nachprüfungsantrags eine neue Urkunde auszustellen, wenn sie bei einer eventuell Rev. einen Fehler feststellen sollte.

d) Wer ein Rechtsgeschäft über ein geschätztes Fahrzeug abschließt und dabei den Schätzwert zur Kenntnis nimmt, erkennt damit auch eine etwaige Neufestsetzung des Schätzwertes an.

i) Die Schätzungsstellen sind nicht berechtigt, Urkunden zu berichtigen oder durch neue zu ersetzen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Rev. blieb erfolglos.

Aus den Gründen zu Leitsatz 6: . . . II. Das Berufungsgericht führt aus, die Parteien hätten im Vertrag vom 11. 1. 1969 die Anwendung der DATSchätzungsbedingungen vereinbart, denn dort werde von dem am Tag der Übernahme gültigen DAT-Taxpreis gesprochen. Vorher schon hätten die Parteien in zumindest einem Falle ein Fahrzeug von der DAT schätzen lassen. Es sei ihnen deshalb bekannt gewesen, dass diese Bedingungen auch eine Überprüfung und Neufestsetzung der Schätzung enthielten. Das spätere Verhalten der Parteien bestätige diesen Geschäftswillen: Der Kläger habe die Urkunden mit den Schätzungsbedingungen widerspruchslos vom Beklagten entgegengenommen und sich in der Folgezeit selbst auf diese Bedingungen berufen.

Gegen diese ihr günstige Auslegung des Kaufvertrages bringt die Rev. nichts vor. Die Wertung des Parteiverhaltens wie im BerUrteil vorgenommen, ist rechtlich jedenfalls möglich und deshalb der weiteren Prüfung zugrunde zu legen.

III. Das Berufungsgericht hält jedoch die Neufestsetzung, wie sie durch die beiden vom 22. 5. 1969 datierten Urkunden erfolgte, für nicht verbind- lieh: Nach Va der Schätzungsbedingungen habe die DAT-Zentrale weder verfahren wollen noch verfahren können, denn der Kläger habe die Einmonatsfrist für den Nachprüfungsantrag versäumt; die Schätzungsurkunden Dr. S. datierten vom 7. 3. 1969, frühestens im Schreiben vom 14. 4. 1969 könne ein Nachprüfungsantrag erblickt werden. Die DAT-Zentrale habe hier aber auch nicht, wie sie versucht habe, nach Vb der Schätzungsbedingungen vorgehen können, denn ein Fehler bei einer Rev. sei nicht festgestellt. Die Vorschrift Vb diene der Wahrung des eigenen geschäftlichen Ansehens der DAT durch die Korrektur unrichtiger Schätzungen, sie betreffe somit nur im internen Betrieb der DAT durchgeführte Rev., nicht aber solche Fälle, in denen der verspätete Antrag einer Partei den Anstoß zu einer Nachprüfung gegeben habe. Es gehe nicht an, dass die unter Verstoß gegen der Schätzungsbedingungen vorgenommene Schätzung des Dipl.-Ing. W. vom 8. 4. 1969 im praktischen Ergebnis zur Grundlage einer Neufestsetzung gemacht werde. Zudem fehle es, wie das Berufungsgericht im Einzelnen ausführt, an der Feststellung eines Schätzungsfehlers bei der Schätzung durch Dr. S. Ein Vergleich der Anhänge zu den Schätzungsurkunden Dr. S. und Dipl.-Ing. W. zeige z. B. bereits, dass jedenfalls beim Auflieger die Reifen zwischen den beiden Schätzungen ausgewechselt worden seien; dann aber sei auch nicht ausgeschlossen, dass zwischenzeitlich weitere Veränderungen an den Fahrzeugen vorgenommen worden seien, die man später als Fehler Dr. S. bei der Schätzung gewertet habe.

IV. Die hiergegen erhobenen Angriffe der Rev. sind im Ergebnis unbegründet.

1 Sind die Schätzungsbedingungen der DAT Inhalt des Kaufvertrages geworden, so bestehen rechtlich keine Bedenken gegen die Annahme, dass damit auch das in den Schätzungsbedingungen den Parteien bekanntgegebene Verfahren der Schätzung Vertragsinhalt geworden ist. Sachlich bestehen auch keine Bedenken gegen die Wirksamkeit von Regelungen, welche eine Abänderung der ersten, den Parteien bereits mitgeteilten Schätzung vorsehen, sei es nun, dass eine solche Änderung auf befristeten Antrag einer Partei hin möglich sein soll (V a der Schätzungsbedingungen) oder dass bei einer eventuellen Rev. ein Fehler bei der Schätzung von der Zentrale festgestellt wird (Vb der Schätzungsbedingungen). Beide Möglichkeiten einer Korrektur der ersten Schätzung dienen dem wohlverstandenen Interesse der beiden, von der Schätzung betroffenen Parteien.

2. Die Rev. hält die von der DAT-Zentrale veranlasste neue Schätzung (Neufestsetzung) schon deshalb für verbindlich, weil beide Parteien die DAT-Schätzungsbedingungen anerkannt hätten. Hierdurch haben sich jedoch die Parteien nicht jedem beliebigen, sondern nur einem rechtmäßig eingeleiteten und rechtmäßig durchgeführten Schätzungsverfahren unterworfen.

Die von der DAT-Zentrale vorgenommene Neufestsetzung wäre deshalb für die Parteien nur verbindlich, wenn für die Neufestsetzung die Voraussetzungen von Vb der Bedingungen erfüllt gewesen wären. Das ist aber nicht der Fall. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Neufestsetzung, wie das Berufungsgericht meint, schon deshalb nicht rechtmäßig war, weil sie nicht aufgrund einer im inneren Betrieb der DAT durchgeführten Revision, sondern auf Veranlassung des Klägers erfolgt ist. Jedenfalls setzt die Rechtmäßigkeit und Verbindlichkeit einer Neufestsetzung nach V b der Bedingungen voraus, dass ein Fehler der früheren Schätzung festgestellt worden ist. Wenn sich der Kläger nunmehr auf die Neufestsetzung beruft, so muss er deshalb das Vorliegen dieser Voraussetzung beweisen. Das hat er nicht getan.

Die ,Rev. macht hierzu geltend, die DAT habe Mitteilungen über Einzelheiten mit dem Hinweis verweigert, es handle sich um Geheimnisse ihres Geschäftsbetriebes. Dieses Verhalten der DAT-Organisation geht zu Lasten des Klägers, denn ihm oblag der Nachweis, dass bei der ursprünglichen Schätzung Dr. S. ein Fehler festgestellt worden ist und dass deshalb die Neufestsetzung rechtmäßig und verbindlich war. Der Kläger genügte seiner Darlegungs- und Beweislast nicht schon dadurch, dass er auf die Unterschiedlichkeit der Schätzwerte als solche und auf die Weigerung der DAT hinwies, nähere Auskünfte über angebliche Fehler der ursprünglichen Schätzung Dr. S. zu erteilen. Wie der Kläger den ihm obliegenden Beweis, dass die Schätzung Dr. S. fehlerhaft war und dass deshalb die DATZentrale eine Neufestsetzung vornehmen konnte, führen wollte (etwa durch ein Gutachten oder durch Erzwingung einer Auskunft der DAT im Klagewege), war seine Sache. Bleibt er beweisfällig, so kann er sich auf die Neufestsetzung nicht berufen.

Anmerkung: Zu Leitsatz b: In seinem materiell rechtlichen Teil befaßt sich das Urteil mit der Verbindlichkeit von DAT-Schätzungen. Die von der DAT-Organisation aufgestellten Schätzungsbedingungen sehen unter V a eine Nachprüfung der Schätzung örtlicher Schätzungsstellen durch die DAT-Zentrale auf Antrag eines Beteiligten innerhalb Monatsfrist vor. Gemäß V b ist aber zusätzlich die Zentrale - zeitlich unbefristet - berechtigt, eine neue Schätzungsurkunde auszustellen, wenn sie bei einer eventuellen Revision einen Fehler feststellen sollte.

Im abgeurteilten Fall hatte der Kläger anlässlich eines beabsichtigten Weiterverkaufs der vom Beklagten erworbenen, zuvor an dessen Heimatort erstmals geschätzten Fahrzeuge eine zweite Schätzung durch eine andere örtliche Schätzungsstelle vornehmen lassen, wobei sich ein wesentlich geringerer Taxpreis als bei der ersten Schätzung ergab. Die vom Kläger erst nach Ablauf der Einmonatsfrist angerufene DATZentrale setzte in einer neuen, von ihr herausgegebenen Urkunde einen Mittelwert als Taxpreis fest, den der Beklagte - unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der ersten Schätzung - nicht anerkannte

Der BGH ist dem Beklagten gefolgt. Dabei hat er dahingestellt sein lassen, ob die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der DAT-Zentrale nach Vb der Schätzungsbedingungen auch dann gegeben sind, wenn sie nicht von sich aus im Rahmen ihrer betrieblichen Organisation einen Fehler feststellt, sondern von einem der Beteiligten erst nach Ablauf der Einmonatsfrist (V a der Schätzungsbedingungen) auf Nachprüfung der Schätzung angegangen wird. Im vorl. Fall fehlte es jedenfalls an der Feststellung eines Fehlers der früheren Schätzung im Rahmen des von der DAT-Zentrale durchgeführten Verfahrens. Der VIII. ZS hat nicht gelten lassen, dass die DAT-Zentrale Fehler der früheren Schätzung zwar behauptete, Einzelheiten hierzu aber mit der Begründung verweigerte, es handle sich um Geheimnisse ihres Geschäftsbetriebs.