Satzungsänderung

Zur Beachtlichkeit des Stifterwillens bei Satzungsänderungen.

Zum Sachverhalt: Die Kläger ist eine rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts. Sie wurde im Jahre 1936 von dem inzwischen verstorbenen Dipl.Ing. Eduard S als Familienstiftung errichtet. In ihrer Satzung vom 7. 10. 1936 heißt es u. a.: § 4 Zum Vorstand bestimme ich Herrn Professor Georg S, nach dessen Ableben: Frau Elisabeth S..., nach deren Ableben meinen ältesten Sohn, wenn er zu diesem Zeitpunkt das 30. Lebensjahr erreicht hat. Falls er nach Erreichung dieses Alters den Posten eines Vorstandes nicht annimmt oder nach etwaiger Annahme desselben wieder aufgibt oder etwa selbst verstirbt, soll das Amtsgericht des Sitzes der Stiftung einen Vorstand bestimmen. Außer dem Vorstand hat die Stiftung ein Aufsichtsorgan, über das am Schluss des § 6 der Satzung bestimmt wird: Auch steht dem Aufsichtsorgan das Recht zu, bei dem Amtsgericht... die Abberufung des jeweiligen Vorstandes zu beantragen, falls letzterer trotz Abmahnung ein die Stiftung schädigendes Verhalten fortsetzt oder sonst wie ein wichtiger Grund zu dessen Abberufung vorliegt. Das Stiftungsvermögen besteht heute im Wesentlichen aus der im Jahre 1968 gegründeten R-Werke KG und einem weiteren industriellen Betrieb. Der Beklagten ist der im § 4 der Satzung genannte älteste Sohn des Stifters. Er wir bis zum 30. 9. 1969 als Geschäftsführer eines Unternehmens der Stiftung tätig. Am 15. 3. 1969 beschlossen Vorstand und Aufsichtorgan der Stiftung folgende Änderung des § 4 der Satzung: Scheidet der derzeitige Vorstand der Stiftung, Frau Elisabeth S, aus dem Amt - gleich aus welchen Gründen - aus, bestimmt den neuen Vorstand auf Vorschlag des Aufsichtsorgans die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der Familien S. Diese Satzungsänderung wurde durch die Stiftungsaufsichtbehörde genehmigt. Der dagegen von dem Beklagten gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde durch das KG zurückgewiesen. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Satzungsänderung vom 15. 3. 1969 und über die Frage, ob der Beklagten Vorstand der Kläger ist oder zumindest, das Recht hat, Vorstand der Kläger zu werden. Die Kläger begehrt mit der Klage die Feststellung, dass der Beklagten nicht Vorstand der Kläger ist. Der Beklagten verlangt mit der Widerklage die Feststellung, dass die Satzungsänderung vom 15. 3. 1969 unwirksam ist. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Revision führt zur Aufhebung und gibt Klage und Widerklage statt.

Aus den Gründen:

Das Berufungsgericht hat dem in der Satzung niedergelegten Willen des Stifters für die Beurteilung der Satzungsänderung mit Recht maßgebliche Bedeutung beigemessen. Satzungsänderungen müssen mit dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Stifters in Einklang stehen. Sie sind nach einem allgemeinen Grundsatz des Stiftungsrechts nur zulässig, wenn hierfür ein rechtfertigender Grund besteht, vor allem wenn sie wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse angezeigt sind. Das folgt aus dem Grundprinzip des Stiftungsrechts, den in der Satzung niedergelegten Willen des Stifters zu respektieren und zu verwirklichen. Daher darf durch eine Satzungsänderung der Wille des Stifters nur zeitweise modifiziert, aber keinesfalls in seiner Tendenz verändert werden.

Der erkennende Senat kann, um den Willen des Stifters zu ermitteln, die Satzung der klagenden Stiftung frei auslegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des RG und des BGH, der auch das BAG folgt, sind Stiftungssatzungen revisibel. An dieser Auffassung, die auch im Schrifttum Zustimmung gefunden hat, ist festzuhalten.

Die Revisionserwiderung, die eine abweichende Auffassung vertritt, beachtet auch von ihrem Ausgangspunkt nicht genügend, dass die Satzung der Kläger hier sogar auf Rechtsverhältnisse einwirkt, die nicht alle von dem gleichen Oberlandesgericht, nämlich dem KG, sondern z. B. auch von dem Berufungsgericht, entschieden werden. Bei einer solchen Fallgestaltung kann nicht ernsthaft daran gezweifelt werden, dass die Aufgabe des RevGer., die Rechtseinheit zu wahren, es gebietet, ihm die selbständige Auslegung der Satzung zu gestatten.

Die am 15. 3. 1969 beschlossene Änderung des § 4 der Satzung wird von dem Willen des Stifters nicht gedeckt. Durch diese Satzungsänderung wurde dem Beklagten die durch § 4 der Satzung in der ursprünglichen Fassung begründete Anwartschaft, nach dem Tode seiner Mutter automatisch in das Vorstandsamt einzurücken, in einer gegen den Stifterwillen verstoßenden Weise entzogen.

Allerdings entsprach es dem Willen des Stifters, dass der Beklagten das Amt des Vorstandes nicht übernehmen sollte, wenn er dem; Stiftungszwecke nachhaltig zuwiderhandeln oder sich sonst als ungeeignet erweisen sollte, die Stiftung zu leiten. Der Stifter hat in § 6 III 3 der Satzung vorgesehen, dass ein amtierender Vorstand entlassen werden kann, wenn er trotz, Abmahnung ein die Stiftung schädigendes Verhalten fortsetzt oder sonst wie ein wichtiger Grund für, dessen Abberufung vorliegt. Ferner hat der Stifter in § 4 Satz 2 der, Satzung Vorsorge für den Fall getroffen, dass der Beklagten das Amt des Vorstandes nicht annehme oder nach Annahme wieder aufgebe oder infolge Todes wegfalle. Dem Zusammenhang der beiden Satzungsbestimmungen ist zu entnehmen, dass der Beklagten nach dem Willen des Stifters auch dann nicht in das. Vorstandsamt gelangen sollte,; wenn schon vor Übernahme dieser Tätigkeit ein wichtiger Grund eintrat, der ihn ungeeignet erscheinen ließ, die dem Vorstand der Stiftung obliegen- den Aufgaben sachgerecht wahrzunehmen. Der Stifter hat sich bei der Bestimmung, dass der Beklagten als sein ältester Sohn einmal das Amt des Vorstandes bekleiden sollte, ersichtlich von der Vorstellung leiten lassen, dieser werde aufgrund seiner persönlichen und fachlichen Eigenschaften in der Lage sein, bei seiner Amtsführung die Stiftungszwecke uneigennützig zu verwirklichen und die Interessen der Stiftung und aller als Destinatäre in Betracht kommenden Familienmitglieder unparteiisch wahrzunehmen. Es ist aufgrund des Satzungsinhalts davon auszugehen, dass nach dem Willen des Stifters unerheblich sein sollte, ob diese für die Berufung des Beklagten maßgebende Annahme vor oder nach dem Antritt des Amtes aus wichtigem Grund erschüttert würde.

Die Änderung des § 4 der Satzung führt jedoch dazu, dass die Anwartschaft des Beklagten unter weniger strengen Voraussetzungen, als sie von dem Stifter in der ursprünglichen Fassung der Satzung niedergelegt waren, beseitigt werden kann. Dadurch wird die Regelung des § 4 in der ursprünglichen Fassung unterlaufen und von dem Willen des Stifters erheblich abgewichen.

Zwar ist es unschädlich, dass nach dem geänderten § 4 der Satzung die Aufsichtsbehörde den neuen Vorstand bestimmen soll, während der Stifter in § 6 III der Satzung die Abberufung des Vorstandes dem Amtsgericht übertragen hatte. Als der Stifter die Satzung vom 7. 10. 1936 aufstellte, war nach dem damals geltenden und hier maßgeblichen preußischen Recht das Amtsgericht Genehmigungsbehörde. Demgegenüber ist heute der Senator für Justiz Aufsichtsbehörde für die Stiftungen. Es ist anzunehmen, dass nach dem Willen des Stifters die jeweils als staatliches Aufsichtsorgan berufene Stelle nach § 6 III der Satzung zuständig sein sollte.

Der geänderte § 4 der Satzung weicht insofern zum Nachteil des Beklagten von § 6 III der Satzung ab, als nunmehr die Aufsichtsbehörde auf Vorschlag des Aufsichtsorgans der Stiftung und nach Anhörung der Familie S den Vorstand bestimmen soll. Nach dieser Regelung wäre der Beklagten gegenüber anderen für das Vorstandsamt in Betracht kommenden Personen nicht mehr bevorrechtigt, obschon ihm der Stifter - sofern nicht ein Abberufungsgrund nach § 6 III der Satzung verwirklicht war einen Anspruch auf das Vorstandsamt eingeräumt hatte. Das Aufsichtsorgan wäre nach dem neugefassten § 4 der Satzung nicht gehalten, der Aufsichtsbehörde den Beklagten vorzuschlagen. Es brauchte der Aufsichtsbehörde nicht einmal Gründe für sein Vorgehen darzulegen, wenn es eine andere Person als den Beklagten benennen würde. Die Aufsichtsbehörde wäre nach der Neuregelung auch nicht befugt, die Frage zu prüfen, ob die Übergehung des Beklagten sachlich gerechtfertigt ist. Per Beklagten würde daher seines ihm nach dem Stifterwillen zukommenden Vorrechts aufgrund des § 4 i. d. F. v.7. 10. 1936 verlustig gehen, ohne dass das von dem Stifter zwingend vorgeschriebene Abberufungsver- fahren nach § 6 III stattfände und ohne dass die schwerwiegenden Gründe geprüft würden, von deren Vorliegen der Stifter die Möglichkeit abhängig gemacht hatte, dem Beklagten als der Person seines Vertrauens das Vorstandsamt vorzuenthalten.

Nach alledem bedurfte es keiner Satzungsänderung, um dem Beklagten aus wichtigem Grund die Anwartschaft auf das Vorstandsamt zu entziehen. Hierfür stand - in entsprechender Anwendung dieser Satzungsbestimmung - der in § 6 III der Satzung vorgesehene Weg offen. Der neugefasste § 4 der Satzung widerspricht nach dem Gesagten teilweise der Regelung des § 6 III und verstößt damit in einem wichtigen Punkt gegen den eindeutig geäußerten Stifterwillen. Die Satzungsänderung ist daher aus diesem Grunde unwirksam.

Auf die Abberufung eines Vorstandsmitgliedes einer Stiftung ist § 84 III 4 AktG nicht entsprechend anzuwenden.

Zur Auslegung einer Stiftungsverfassung, nach der ein Vorstandsmitglied, das vom Oberbürgermeister der Stadt zu berufen ist, von diesem aus wichtigen, von politischen Erwägungen unabhängigen Gründen abberufen werden kann.