Schadensausgleich

Die Steuervergünstigung des § 3411 Nr. 2 EStG für den Schadensausgleich von Verdienstausfall ist kein zugunsten des Schädigers zu berücksichtigender Vorteil.

Zum Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem Verkehrsunfall vom August 1969 in Anspruch, bei dem er erheblich verletzt worden ist. Die Parteien streiten im gegenwärtigen Verfahren nur noch um den Ersatz des Verdienstausfalls des Kläger Auf die vom Kläger insoweit zunächst erhobene Feststellungsklage hat das Landgericht unter Klagabweisung im Übrigen die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz von 85% des Schadens festgestellt. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger ist wegen seiner Ansprüche bis zum 30. 6. 1977 zur Leistungsklage übergegangen und hat insoweit seine Forderung auf 121107,46 DM beziffert. Das Berufsgericht hat dem Zahlungsantrag in Höhe von 24831,84 DM unter Abweisung der weitergehenden Klageforderung stattgegeben. Wegen des Feststellungsantrags hat es das Urteil des Landgerichts bestätigt. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückweisung, die Anschlussrevision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass die Beklagten für den Verkehrsunfall nach § 823 BGB, § 3 PflVersG einzustehen haben, ihre Verantwortlichkeit aber um 15% deshalb gemindert ist, weil sich der Kläger die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeugs als unfallursächlich nach § 254 BGB, § 17 StVG zurechnen lassen muss.

Nach Auffassung des Berufsgericht sind die Beklagten in Höhe dieser Quote von 85% zum Ersatz auch des Verdienstausfalls verpflichtet, den der Kl: verletzungsbedingt erlitten hat. Ohne Erfolg wenden sich die Beklagten mit ihrer Anschlussrevision dagegen, dass das Berufsgericht sie mit ihrem Einwand für beweisfällig gehalten hat, der Kläger müsse sich als Verletzung seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 II BGB entgegenhalten lassen, dass er seine Arbeit nach dem 15. 10. 1970 trotz wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit nicht wieder aufgenommen habe. Das Berufsgericht hat nicht verkannt, dass der Sachverständige den Kläger vom 1. 5. 1970 ab für bestimmte Arbeiten beschränkt arbeitsfähig gehalten hat; es hat sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass er für solche mindere Tätigkeiten bei seiner Arbeitgeberin oder sonst auf dem Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz hat finden können. Dabei ist für das Berufsgericht ausschlaggebend gewesen, dass der Kläger die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen um eine Wiederbeschäftigung unter Vorlage von Urkunden im einzelnen dargelegt hat und die Beklagten auf diesen substantiierten Vortrag nicht eingegangen sind, sondern sich mit Hinweisen auf die ärztlichen Feststellungen begnügt haben. Unter solchen Umständen konnte das Berufsgericht ohne Verfahrensverstoß davon ausgehen, dass der Kläger auch bei Anlegung insoweit gesteigerter Anforderungen das Seine zur Aufklärung beigetragen hat und die Beklagten den gegen eine Verletzung der Schadensminderungspflicht sprechenden Belegen nichts Konkretes entgegensetzen konnten. Mit ihrem Vorbringen sucht die Anschlussrevision letztlich nur die eigene Beweiswürdigung an die des insoweit nach §, 287 ZPO freier gestellten Tatrichters zu setzen; damit kann sie im Revisionsrechtszug keinen Erfolg haben.

Demgegenüber kann das Berufungsurteil vor den Revisionsangriffen des Kläger nicht bestehen bleiben.

Zur Berechnung des Verdienstausfalls hat das Berufsgericht von dem Bruttoverdienst, den der Kläger ohne den Unfall an seinem früheren Arbeitsplatz hätte erzielen können, zunächst Lohnsteuern und Sozialabgaben abgezogen. Auf der Grundlage dieses Nettoverdienstes hat es unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 85% und von auf die öffentlichen Leistungsträger übergegangenen Ansprüchen die dem Kläger zustehende Ersatzforderung auf 27522,60 DM errechnet und zum Ausgleich der Steuerbelastung des Schadensersatzanspruchs einen nach der Jahreslohnsteuertabelle 1978 berechneten Betrag von 3309,24 DM zugeschlagen. Auch das beanstandet die Revision zu Recht.

Zutreffend geht das Berufsgericht davon aus, dass sich - von den hier nicht vorliegenden Fällen einer Lohnfortzahlung während der Ausfall- zeit abgesehen - der zu ersetzende Verdienstausfall nicht allein nach dem entgangenen Bruttoverdienst bestimmt, sondern dass auch steuerliche Auswirkungen mit zu berücksichtigen sind, wie sie hier als Steuerersparnis aufgrund von Steuerbefreiungen für die vom Kläger empfangenen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und für das Arbeitslosengeld in Betracht kommen. Solche steuerliche Entlastung des Geschädigten für den Schadensausgleich von vornherein außer Betracht zu lassen, müsste im Einzelfall mit der Aufgabe des Schadensersatzes in Konflikt geraten, den Geschädigten nach seinen konkreten wirtschaftlichen Verhältnissen genau so, aber nicht besser zu stellen, als er ohne den Unfall gestanden hätte.

Deshalb hat die Rechtsprechung des BGH zwar mit unterschied- licher Berechnungsmethode, aber im Ergebnis übereinstimmend, unfallbedingte Steuerersparnisse dem Schädiger gutgebracht, sofern nicht der Verwendungszweck der Steuervergünstigung solcher Entlastung entgegensteht. Freilich kann nicht übersehen werden, dass die schadensrechtliche Erheblichkeit steuerlicher Auswirkungen eines Verdienstausfalls und seines Ausgleichs durch den Schädiger schon wegen der Wesensunterschiede steuerlicher und schadensrechtlicher Berechnung durch keine praktikable Methode der Schadensbemessung zuverlässig voll erfasst werden kann. Zudem ist zu bedenken, dass weder alle Steuervorteile noch alle Steuernachteile, die in äußerem Zusammenhang mit dem Schadenereignis stehen, auch innerlich so mit ihm zusammenhängen müssen, dass ihre Berücksichtigung im Ersatzanspruch geboten ist. Deshalb ist mit gutem Grund wiederholt betont worden, grundsätzlich könne der Tatrichter - zumal wegen der ihm insoweit durch § 287 ZPO eingeräumten freieren Stellung - auf die Feststellung der steuerlichen Auswirkungen verzichten und den Ersatzanspruch nach dem Verdienstausfall vor Steuern brutto bemessen, weil er davon ausgehen dürfe, dass etwaige Steuervorteile durch die für die Ersatzpflicht bestehende Steuerpflicht ausgeglichen würden. Solche Schadensfeststellung ist im Regelfall durchaus auch der vom erkennenden Senat angewandten so genannten modifizierten Nettolohn-Methode vorzuziehen, mit der sämtliche steuerlichen Auswirkungen des Schadensfalls ebenfalls nicht voll erfasst werden können. Die gegen solches Verfahren vorgebrachten Einwände wegen der für den Ersatzbetrag durch § 34 II Nr. 2 EStG eröffneten Möglichkeit, den Steuersatz auf die Hälfte zu ermäßigen, hält der Senat nicht für berechtigt. Diese Regelung soll zusätzliche Steuernachteile verhindern, die sich aus der Steuerprogression für eine einmalige und außergewöhnliche Zusammenballung von Einkünften im Veranlagungszeitraum ergeben. Sofern sich hieraus im

Einzelfall steuerliche Vorteile für den Geschädigten ergeben, beruhen sie allein auf dem vom. Steuergesetzgeber anerkannten Bedürfnis einer vereinfachten Handhabung der Regelung. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist auf den Schadensausgleich zu übertragen, für den die Bemessungsschwierigkeiten insoweit nicht geringer sind.

Im Streitfall stehen aber solcher vereinfachten Schadensberechnung nach dem entgangenen Verdienst vor Steuern schon die sich aus § 3 EStG ergebenden Steuervorteile für den Kläger entgegen. Sie sind zugunsten des Schädigers im Rahmen des Schadensausgleichs zu berücksichtigen. Wie der erkennende Senat schon früher näher dargelegt hat, widerspricht auch der sozialpolitische Zweck dieser Steuerbefreiung solcher Entlastung des Schädigers nicht. Deshalb ist das Berufsgericht mit Grund den steuerlichen Auswirkungen nachgegangen. Dass es dabei im Ergebnis der modifizierten Netto-Methode des erkennenden Senats gefolgt ist, will auch die Revision des Klägers nicht beanstanden.

Zu Recht rügt jedoch die Revision, dass das Berufsgericht sich nicht mit dem Vorbringen des Kläger im Berufungsrechtszug auseinandergesetzt hat, sein Verdienstausfallschaden sei gleichwohl „brutto zu berechnen, weil er ohne den Unfall aufgrund von Steuervergünstigungen von seinem Arbeitsverdienst ebenfalls keine Steuern hätte entrichten müssen. Zwar hatte der Kläger über Art und Gründe solcher Steuerbefreiung nichts Näheres mitgeteilt. Erst im Revisionsverfahren hat er sein Vorbringen dahin präzisiert, dass er für sein im Unfallzeitpunkt im Bau befindliches Haus Steuervergünstigungen nach § 7b EStG habe in Anspruch nehmen können. Der Kläger hat jedoch schon im Berufungsrechtszug eine entsprechende Bescheinigung des Finanzamtes vorgelegt, nach der er für die Jahre 1969 bis 1972 keine Steuern hätte zu bezahlen brauchen. Unter diesen Umständen war er seiner Substantiierungspflicht für den Schaden zunächst hinreichend nachgekommen; das Berufsgericht hätte den Sachverhalt von sich aus aufklären müssen, wenn ihm diese Angaben nicht genügten. Ist somit für das Revisionsverfahren zugunsten des Kläger davon auszugehen, dass er zumindest für einen Abschnitt des Berechnungszeitraums auch ohne den Unfall von seinem Arbeitsverdienst keine Steuern zu entrichten gehabt hätte, dann durfte das Berufsgericht den Verdienstausfall insoweit auch nicht in der geschehenen Weise um Lohn- und Kirchensteuer bereinigen die der Kläger unfallbedingt gar nicht erspart hätte. Die Frage, ob der Kläger Steuerfreiheit hätte in Anspruch nehmen können, kann im Streitfall auch nicht etwa deshalb dahingestellt bleiben, weil das Berufsgericht die netto ermittelte Ersatzforderung um einen nach der Lohnsteuertabelle 1978 errechneten Steuer -Betrag aufgestockt hat, im Ergebnis also dem Kläger einen dem Bruttoverdienst jedenfalls angenäherten Ersatz zuerkannt hat, wobei das Berufsgericht allerdings außer Ansatz gelassen hat, dass auch der für diesen Steuerabzug gewährte Betrag ebenfalls steuerpflichtig ist. Der Steuernachteil, der möglicherweise darin liegt, dass der Kläger nach dem zu unterstellenden Sachverhalt Abschreibungen nach § 7b EStG unfallbedingt nicht machen konnte, ist damit nicht erfasst. Wenn aber für den Verdienstausfall die steuerliche Seite der Schadenentwicklung berücksichtigt werden muss, um unberechtigte Steuervorteile des Geschädigten aufzufangen, muss im Grundsatz gleiches auch zu seinen Gunsten für die Ermittlung unfallbedingter Steuernachteile gelten.