Schadensersatz für Verdienstausfall

Zum Einfluss auf den Schadensersatz für Verdienstausfall, wenn der sozialversicherte Geschädigte unfallbedingt Altersruhegeld schon mit Vollendung des 63. statt erst des 65. Lebensjahrs in Anspruch nimmt.

Zum Sachverhalt: Der am 1. 4. 1913 geborene Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall am 14. 6. 1972 schwere Verletzungen, für deren materielle Folgen die Beklagten, wie inzwischen durch Grundurteil des Landgerichts rechtskräftig festgestellt ist, gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, § 3 PFIVG in Höhe einer Quote von 70 vom H. einzustehen haben. Infolge des Unfalls war der Kläger bis zum 30. 4. 1973 arbeitsunfähig. Anschließend war er bis zum 31. 12. 1975 wieder in seinem Beruf als Reisevertreter tätig; diese Tätigkeit hat er seit dem 1. 1. 1976 aufgegeben. Seit dem 1. 4. 1976, dem Zeitpunkt der Vollendung seines 63. Lebensjahres, bezieht er von der BfA Altersruhegeld aus der Angestelltenversicherung. Daneben erhält er eine Verletztenrente von der zuständigen Berufsgenossenschaft, die den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt hat, und außerdem eine Rente aus der betrieblichen Altersversorgung. Im Betragsverfahren hat der Kläger u. a. von den Beklagten Ersatz seines Verdienstausfalls abzüglich der Berufsgenossenschafts-Rente verlangt.

Das Landgericht hat ihm den geforderten Verdienstausfall zugesprochen. Von den zugesprochenen Beträgen haben die Beklagten Teilbeträge gezahlt. Gegen das Urteil des Landgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt. Mit ihrer Berufung haben die Beklagten die Anrechnung des Altersruhegelds auf den Verdienstausfall für die Zeit ab 1. 4. 1976 verlangt. Der Kläger hat im Wege der Anschlussberufung u. a. weitere Ersatzforderungen erhoben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten den durch Zahlung nicht erledigten Leistungsanspruch abgewiesen; die Anschlussberufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Die - zugelassene - Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Anrechnung des Altersruhegeldes.

Aufgrund der Feststellungen des Berufsgericht ist davon auszugehen, dass der Kläger ohne den Unfall nach Vollendung seines 65. Lebensjahres am 1. 4. 1978 aus dem Arbeitsleben ausgeschieden wäre; er hat demnach aus dieser Sicht vorzeitig seine Tätigkeit zum 31. 12. 1975 eingestellt sowie Altersruhegeld ab 1. 4. 1976 beantragt, weil er infolge seiner Unfallverletzungen nicht mehr voll arbeitsfähig war. Darum haben die Beklagten dem Kläger nach § 11 StVG im Umfang der festgestellten Haftungsquote von 70 vom H. für den hier geltend gemachten Zeitraum bis zum 1. 4. 1978 den Ausfall zu ersetzen, den er durch Verkürzung seiner Einkünfte durch die vorzeitige Zurruhesetzung erlitten hat. Das würde selbst dann gelten, wenn der Kläger, wofür zwar von den Beklagten nichts vorgetragen ist, was aber das Berufsgericht letztlich offen lässt - trotz der Unfallverletzungen an sich noch in der Lage gewesen sein sollte, die Tätigkeit bei seinem Arbeitgeber über die Vollendung des 63. Lebensjahrs hinaus bis zum 1. 4. 1978 fortzusetzen. Grundsätzlich ist zwar der Verletzte gemäß § 254II BGB dem Schädiger gegenüber verpflichtet, die ihm verbliebene Arbeitskraft einzusetzen, soweit ihm das zugemutet werden kann. Der Schädiger kann aber, von ihm nicht verlangen, im Interesse an der Geringhaltung des Schadens darauf zu verzichten, anstelle einer Weiterbeschäftigung die ihm zustehende soziale Altersversorgung in Anspruch zu nehmen, auch wenn die Ausübung dieser Rechte gegenüber der Versichertengemeinschaft den Schädiger mitbelastet. Ein solcher Verzicht auf die Vorteile der Alterssicherung, die dem Arbeitnehmer mit der sog. flexiblen Altersgrenze unter bestimmten Voraussetzungen die Selbstbestimmung über den Beginn eines wirtschaftlich gesicherten Ruhestandes ermöglichen soll, wäre ein unverhältnismäßiges wirtschaftliches Opfer, das der Schädiger von ihm umso weniger verlangen kann, als er die Gesundheitsbeeinträchtigung, die den Geschädigten zu seiner Entscheidung für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsleben veranlasst, zu verantworten hat. Jedenfalls in Fällen, in denen wie hier von dem Geschädigten die Fortsetzung seiner Tätigkeit nur unter Aufgabe dieser Vorzüge einer sozialversicherungsrechtlichen Existenzsicherung gefordert werden kann, müssen die Interessen des Schädigers hinter dem sozialen Anliegen zurückstehen, das der Regelung der so genannten flexiblen Altersgrenze zugrunde liegt.

Dem Berufsgericht ist im Ergebnis auch darin zuzustimmen, dass sich der Kläger auf seinen Verdienstausfallschaden das von ihm für denselben Zeitraum aus schadensrechtlicher Sicht vorzeitig beanspruchte Altersruhegeld anrechnen lassen muss. Dabei kann offen bleiben, ob es sich rechtsdogmatisch insoweit um ein Problem des Vorteilsausgleichs handelt oder ob insoweit gar kein Schaden des Klägers entstanden ist, wovon das Berufsgericht offensichtlich ausgeht und wofür vieles spricht. In diesem Umfang fehlt es an einem Verdienstausfallschaden des Klägers

Das wird besonders deutlich bei einer Fallgestaltung, bei der der Verletzte, obwohl zur Fortsetzung seiner Tätigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs noch in der Lage, sich für die Zurruhesetzung mit Vollendung des 63. Lebensjahrs und dem Bezug des Altersruhegeldes etwa deshalb entscheidet, weil er sich subjektiv infolge der erlittenen Verletzung den Anforderungen seines Berufes nicht mehr gewachsen fühlt. Wie schon ausgeführt, muss der Schädiger ihm dann zwar die Vermögensnachteile aus seiner Entschließung, statt des Arbeitsverdienstes das Altersruhegeld zu wählen, ersetzen; jedoch nicht mehr als diese Nachteile, die sich regelmäßig in der Differenz zwischen dem ohne den Unfall erzielten Einkommen und dem niedrigeren Altersruhegeld niederschlagen. Denn nur insoweit wirkt sich die Entschließung zur vorzeitigen Zurruhesetzung als Vermögensnachteil für den Verletzten aus.

Nichts anderes gilt im Streitfall. Dass der Kläger, wenn er das Altersruhegeld erst für den Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahrs in Anspruch genommen haben würde, von den Beklagten Verdienstausfallschaden für die vorzeitige Aufgabe seiner Tätigkeit unverkürzt hätte beanspruchen können, weil ihm infolge seiner Verletzungen eine Weiterbeschäftigung objektiv nicht zuzumuten war, ist unerheblich: Durch die Inanspruchnahme seiner Rechte aus der flexiblen Altersgrenze hat er seinen Verdienstausfallschaden von diesem Zeitpunkt ab tatsächlich auf die vorgenannte Differenz gemindert; von diesem Zeitpunkt ab verkürzt sich sein Verdienstausfallschaden auf die Vermögensnachteile, die mit der vorgezogenen Inanspruchnahme des Altersruhegeldes verbunden sind.

Dem kann die Revision nicht mit der Erwägung begegnen, dass dem Kläger das Altersruhegeld nicht wegen seiner Unfallverletzungen, sondern wegen Erreichens der Altersgrenze, d. h. alters-, nicht schadenbedingt gewährt wird. Aus diesem Grund ist es zwar der BfA verwehrt, wegen dieser Versicherungsleistung nach § 77 II AVG, § 1542 RVO Rückgriff bei dem Schädiger zu nehmen, wie das Berufsgericht zutreffend angenommen hat. Das gilt nicht nur für die Fälle, in denen der Versicherte das Altersruhegeld erst mit Vollendung des 65. Lebensjahrs, d. h. mit dem Zeitpunkt in Anspruch nimmt, in dem er ohne den Unfall aus dem Arbeitsleben ausgeschieden wäre, sondern jedenfalls auch dann, wenn es wie hier nicht unter den besonderen Voraussetzungen, unter denen es das Gesetz vor Vollendung des 63. Lebensjahrs bei Schwerbehinderung, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit gewährt, sondern unter der Regelvoraussetzung der Vollendung des 63. Lebensjahrs in Anspruch genommen wird.