Schadensersatzansprüche

Wenn bei dieser Sachlage das Berufsgericht unter umfassender Würdigung die Sittenwidrigkeit der im Vertrag vom 28. 1. 1964 übernommenen Bierbezugsverpflichtung festgestellt hat, so lässt dies keinen Rechtsfehler erkennen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob - worauf die Rev. in erster Linie abstellt - die einzelnen Vertragsklauseln jeweils einem berechtigten Sicherungsbedürfnis der Beklagten entsprachen. Entscheidend ist viel- mehr, dass die Klauseln in ihrer Gesamtheit und in ihrem Ineinandergreifen die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit des Kläger über Gebühr einengten und ihn in eine mit den Anforderungen des redlichen geschäftlichen Verkehrs nicht mehr zu vereinbarende Abhängigkeit zur Beklagten brachte. Das hat das Berufsgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Auch der Senat würde bei eigener Würdigung zu keinem anderen Ergebnis kommen. Ist aber bereits die im Vertrag vom 28. 1. 1964 enthaltene Bierbezugsverpflichtung wegen Sittenwidrigkeit nichtig, so kommt es auf die Nachtragsvereinbarung vom 30. 6. 1965 nicht mehr an.

Nach Ansicht der Rev. hätte das Berufsgericht auch dann, wenn es zu Recht die im Vertrag vom 28. 1. 1964 vereinbarte Laufzeit für übermäßig lang und damit sittenwidrig hielt, jedenfalls prüfen müssen, ob der Vertrag nicht mit einer kürzeren Laufzeit aufrechtzuerhalten war; da aber die Beklagten ihre Schadensersatzansprüche ausdrücklich auf den Betrag beschränkt habe, der zur Abwehr der Klageforderung notwendig sei, und da ihr durch die Nichterfüllung der Bierbezugspflicht seit dem 10. 4. 1967 - dem Tag der Versteigerung der Gaststätte und ihrer Räumung durch den Kläger - ein durchschnittlicher Schaden von jährlich 3600 DM entstanden sei, würde schon bei einer Gesamtlaufzeit von nur 6 Jahren seit Abschluss des ersten Vertrages der Zahlungsanspruch durch Aufrechnung getilgt und das Zurückbehaltungsrecht an der Spülmaschine begründet sein.

Diese Ansicht der Rev. geht fehl. Zwar kann nach st. Rechtsprechung des Senates ein Bierlieferungsvertrag, bei dem lediglich die übermäßig lange, insbesondere eine über 20 Jahre hinausgehende Bindung des Gastwirts als sittenwidrig zu beanstanden ist, in entsprechender Anwendung des § 139 BGB unter Umständen mit einer kürzeren Laufzeit aufrechtzuerhalten sein, wenn dies dem Willen der beiden Vertragsteile entsprechen würde. In derartigen Fällen, in denen der Vertrag - abgesehen von der Dauer der Bezugsbindung inhaltlich nicht zu beanstanden ist, sich vielmehr die sittenwidrige Einengung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Gastwirts nicht von Anfang an, sondern erst im Laufe der Zeit auswirkt, entspricht eine Aufrechterhaltung des Vertrages in einem zeitlich vertretbaren Umfang in aller Regel den schutzwürdigen Interessen beider Vertragspartner.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Bierlieferungsvertrag nicht nur wegen der Länge der Laufzeit zu beanstanden ist, sondern wenn der Vertrag auch und vor allem im Hinblick auf den inhaltlichen Umfang der Getränkebezugsverpflichtung und insbesondere die sonstigen vertraglichen Bindungen an die Brauerei von Anfang an den Gastwirt in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit unzulässig einengt. In derartigen Fällen ist für einen rechtsgestaltenden richterlichen Eingriff in das Vertragsverhältnis und dessen inhaltliche Rückführung auf ein vertretbares Maß kein Raum; vielmehr trägt hier das Risiko der Nichtigkeit des Vertrages die Brauerei als derjenige Vertragsteil, der die durch § 138 Abs. 1 BGB gezogenen Grenzen der Vertragsfreiheit missachtet hat.

So liegen die Umstände hier. Wie oben dargelegt, geriet der Kläger - insbesondere im Hinblick auf Nr. 4 des Vertrages vom 28. 1. 1964 und die sich insoweit für ihn aus der Grundschuldbestellung ergebenden Gefahren - bereits mit Vertragsabschluss in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Beklagten, die mit den guten Sitten nicht mehr zu vereinbaren ist und für die die zeitliche Dauer der Bezugsbindung nicht von ausschlaggebender Bedeutung war.

Der Beklagten stehen somit Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Verletzung der Bierbezugsverpflichtung nicht zu. Aber auch im Übrigen erweisen sich die Angriffe der Rev. gegen die Höhe des Zahlungsanspruchs im Wesentlichen als unbegründet.