Schadensersatzforderung

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem gegenseitigen Vertrag einer Vertragspartei, die selbst vertragsuntreu ist, versagt ist, gegen die andere Vertragspartei Schadensersatzansprüche aus einer Vertragsverletzung geltend zu machen.

Aus den Gründen: Hat danach die Kläger an sich gegen die Wettbewerbsabrede verstoßen, so hätte die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzforderung, sofern ein Schaden entstanden ist, ohne Prüfung nur aberkannt werden können, wenn der Kläger für ihren Verstoß ein Rechtfertigungsgrund zur Seite gestanden hätte oder der Beklagte mit der Geltendmachung seines Schadens missbräuchlich handelte.

Das Berufungsgericht ist der Auff., dem Beklagten stehe eine Schadensersatzforderung nicht zu, weil er selbst sich nicht vertragstreu und nicht wettbewerbsgemäß verhalten habe Einen Rechtsgrundsatz, dass, wer selbst nicht vertragstreu sei, Schadensersatz wegen einer Vertragsverletzung des Gegners nicht beanspruchen könne, gibt es in dieser Allgemeinheit indessen nicht, wie der BGH im Anschluss an die Rspr. des BG wiederholt ausgesprochen hat:

Nach übereinstimmender Meinung von Rspr. und Schrifttum kann bei einem beiderseitigen Vertragsverhältnis allerdings der Gläubiger, der selbst vertragstreu ist, sich nicht mit der Begründung, dass der Gegner sich im Verzuge befinde, oder der Vertragszweck durch eine Vertragsverletzung des Gegners gefährdet sei, nach §§ 325, 326 BGB vom Vertrag lösen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Soweit es sich um einen angeblichen Verzug des Gegners handelt, liegt in Wahrheit ein Verzug nicht vor. Hat derjenige, der einen Schadensersatzanspruch aus § 326 BGB geltend machen will, selbst seine Vertragspflichten nicht erfüllt, so ist der Vertragsgegner nach § 320. BGB berechtigt, seine Leistung zu verweigern. Diese ihm zustehende Einrede hindert den Eintritt des Verzuges, ohne dass sie besonders vorgebracht zu werden braucht. Was aber die Berufung auf eine sonstige Vertragsverletzung des Gegners betrifft, so kann es gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn derjenige, der die eigene Vertragspflicht verletzt, aus einer Vertragsverletzung des Gegners das Recht. herleiten will, sich vom Vertrage zu lösen. Wie das BG und ihm folgend der erk.. Sen. in den angeführten Urt dargelegt haben, ist von dieser Fallgestaltung aber der Fall zu unterscheiden, dass der Gläubiger als Schadensersatz gerade Ersatz des Schadens verlangt, den er durch die Vertragsverletzung des Gegners erlitten hat. Im ersten Fall ist die Vertragsverletzung des Gegners nur der Anlass, der zur Auflösung des Vertrages führen soll, und der Schaden, dessen Ersatz begehrt wird, wird daraus hergeleitet, dass der Vertrag wegen der Auflösung nicht mehr erfüllt werden kann. Im zweiten Fall wird der Bestand des Vertrages nicht berührt; der Schaden erwächst unmittelbar aus der Vertragsverletzung. Ein Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt wird durch eigene Vertragsuntreue des Geschädigten grundsätzlich nicht berührt. Der innere Grund liegt darin, dass zwar die Befugnis, sich vom Vertragsgefüge zu lösen und das Vertragsverhältnis in ein einseitiges Schadensersatzverhältnis umzuwandeln, nach Treu und Glauben nur dem Teil vorbehalten sein kann, der selbst vertragstreu ist. Dagegen ist einem Vertragsteil niemals eine eigene Vertragsverletzung um einer Vertragsverletzung des anderen Teiles willen gestattet, wie bereits das BO ausgeführt hat.

Im vorliegenden Fall steht nicht ein Anspruch wegen Nichterfüllung nach §§ 325, 326 BGB in Frage; vielmehr wird der Schadensersatzanspruch daraus hergeleitet, dass die Kläger durch eine bestimmte Handlung die zwischen den Parteien getroffene Wettbewerbsabrede verletzt und dadurch dem Beklagten Schaden zugefügt habe. Der Beklagte macht nicht etwa geltend, dass er von einem Vertrage über Erwerb von Leitpfosten zurückgetreten und, weil der Vertrag infolgedessen nicht mehr erfüllt werde, nicht in der Lage gewesen sei, die Firma IKG mit Leitpfosten zu beliefern, die ihm andernfalls die Kläger zu liefern verpflichtet gewesen wäre, und dass ihm dadurch ein Gewinn entgegen sei. Ein Dauerlieferungsvertrag bestand überhaupt nicht. Beiden Parteien stand es frei, Jahr für Jahr einen neuen Vertrag zu schließen. Die Begründung für den Schadensersatzanspruch geht vielmehr ersichtlich dahin, die Kläger habe zu einer Zeit, für die die Wettbewerbsabrede noch gegolten habe, die Hauptkundin des Beklagten, die Firma IKG, abgeworben, so dass diese als Abnehmerin von Leitpfosten ausgefallen sei. Die vom Beklagten beabsichtigte Bestellung von Leitpfosten für das Jahr 1.967 sei deshalb gegenstandslos geworden. Wäre die Kläger nicht mit der Firma IKG in Verkaufsverhandlungen getreten, so würde er mit der Kläger einen neuen Rahmenvertrag für 1967 geschlossen und die alsdann von der Kläger bezogenen Leitpfosten an die Firma IKG weiterveräußert haben. Den Schaden, der ihm dadurch erwachsen sei, dass die Firma IKG Leitpfosten nicht mehr bei ihm bestellt habe, macht der Beklagte mit der Klage geltend. Auf diese Fallgestaltung trifft mithin der vom Berufungsgericht angezogene Grundsatz, dass Schadensersatz nicht verlangen könne, wer selbst vertragsuntreu sei, nicht zu.

Der Grundsatz, dass trotz eigener Vertragsuntreue ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Vertragspflicht: nicht ausgeschlossen wird, stellt entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht etwa eine Einschränkung für gewisse Fälle dar. Es handelt sich vielmehr um einen allgemeinen Grundsatz, von dem die Rspr. für Sonderfälle Ausnahmen zugelassen hat. So handelt es sich im Falle des vom Berufungsgericht für seine Auff. angeführten Urteil des RG, J W 28, 1931 darum, dass der Käufer von im Jahre 1918 verkauften Aktien gegenüber der Kaufpreisklage mit einer Schadensersatzforderung aufrechnete, die er daraus herleitete, dass der Verkäufer gegen ein zu seinen, des Käufers, Gunsten vereinbartes Wettbewerbsverbot verstoßen habe. Der Verkäufer entgegnete, der Käufer habe, in dem er vertragswidrig die Aufwertung des Kaufpreises verweigert habe, nicht die Verpflichtungen erfüllt, die ihm, dem Verkäufer, erst die Möglichkeit hatten geben sollen, auf die Unterlassung von Wettbewerb einzugehen. Eine Partei, so hat das RG erklärt, könne sich nach § 242 BGB nicht auf eine Vertragsbestimmung berufen, mit deren Anwendung sie sich nach dem Gesamtinhalt des Vertrages und der von den Parteien gewollten Verknüpfung, der Rechte und Verpflichtungen infolge ihres eigenen Verhaltens mit Treu und Glauben in Widerspruch setze. Dass diese auf die besonderen Verhältnisse der Inflation zugeschnittene Entscheidung hier nicht einschlägig ist, bedarf keiner Hervorhebung. Gleiches gilt von der Entscheidung des BGH, in der früheren Gesellschaftern ein ihnen im Auseinandersetzungsvertrag zugebilligter Abfindungsanspruch versagt wird, weil die Berechtigten durch ihr Verhalten in den Geschäftsbetrieb eingegriffen hätten, aus dem allein die Mittel zur Befriedigung der Abfindungsforderung gezogen werden konnten. Wenn, so hat der BGH ausgeführt, die Berechtigten die Fortsetzung dieses Betriebes unzumutbar gemacht hatten, so liege darin ein so schwerer Verstoß gegen ihre aus Treu und Glauben sich ergebenden vertraglichen Nebenpflichten, dass die Geltendmachung der Abfindungsforderung einen unzulässigen Rechtsmissbrauch darstelle. Entsprechend hat der BGH ausgeführt, dass der Anspruch auf ein vereinbartes Ruhegehalt dem Berechtigten, der den Ruhegehaltsschuldner durch vertragswidrigen Wettbewerb geschädigt hatte, nur unter den allgemeinen Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs, insbesondere dann vorenthalten werden könne, wenn der Verstoß die wirtschaftliche Grundlage des Pensionsschuldners gefährdet. Ein Ausnahmefall, der in den vorstehenden Urteil behandelten Art, in dem die Versagung eines an sich gegebenen Anspruches gerechtfertigt sein könnte, liegt hier ersichtlich nicht vor. Auch für das Gebiet des unlauteren Wettbewerbs hat der I. ZS des BGH es abgelehnt, den im Urteil des RG, JW 28, 1931 ausgesprochenen Gedanken auf den allgemeinen Fall beiderseitiger Verletzungen vertraglicher Wettbewerbsverbote auszudehnen.

Das Berufungsgericht führt weiter an, es entspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass sich der eine Vertragspartner dann eigenmächtig von seinen vertraglichen Verpflichtungen lösen dürfe, ohne sich schadensersatzpflichtig zu machen, wenn er seine vertraglich geschützten Interessen als dadurch gefährdet ansehen dürfe, dass infolge des Verhaltens des anderen ein unmittelbarer Schaden bevorstehe. Das Berufungsgericht hat offenbar den im Recht des unlauteren Wettbewerbs entwickelten Begriff der wettbewerblichen Abwehr im Auge. Voraussetzung ist ein wettbewerbswidriger, gegenwärtiger Angriff. Die Abwehrmaßnahme muss sich im Rahmen des zur Bekämpfung des Angriffs Gebotenen halten, muss notwendig, zur Abwehr tauglich und adäquat sein. Auch darf die Abwehrlage nicht zum Anlass für eigene Angriffe genommen werden.

Wieweit die Grundsätze der wettbewerblichen Abwehr überhaupt auch im Bereich außerhalb des eigentlichen Wettbewerbsrechtes neben den gesetzlichen Rechtsbehelfen der Notwehr, des Notstandes und der Selbsthilfe Geltung haben, bedarf keiner Entscheidung. Auf jeden Fall rechtfertigen die Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall nicht ihre Anwendung.