Schadenshaftung eines Reiseunternehmers

Zur Schadenshaftung eines Reiseunternehmers wegen Nichterfüllung eines Luftbeförderungsvertrages.

Die Kläger, eine gemeinnützige Einrichtung für die Jugend, die sich u. a. mit der Organisation und der Vermittlung von Jugendreisen befasst, war im Jahre 1970 von der Deutschen Sportjugend damit beauftragt worden, Flugmöglichkeiten für die Reise einer Jugendleiterdelegation nach Japan vom 10. 8. bis 2. 9. 1970 sicherzustellen. Sie wandte sich deswegen an das beklagte Reiseunternehmen, das sich selbst als Vertragspartner der sowjetischen Fluggesellschaft X. bezeichnet.

Nach längeren vorbereitenden Verhandlungen bat die Kläger mit Fernschreiben vom 15.7.1970 an die l3ekL um nunmehr feste Buchung des Flugs für, eine Gruppe von 39 Teilnehmern von Berlin (Ost)-Schönefeld nach Osaka und zurück. Die Beklagte übersandte der Kläger daraufhin einen Charter(Teil-)Flugbeförderungsvertrag.

Der Beförderungspreis von 1200 DM für jeden Fluggast war von der Klägeran die Beklagte zu zahlen.

Die Parteien einigten sich auf, diese Vertragsbestimmungen. Der Flug konnte jedoch nicht durchgeführt werden, weil weder die Beklagte noch die Fluggesellschaft die erforderliche Landegenehmigung in Japan eingeholt hatten. Die Reiseteilnehmer benutzten deshalb andere Maschinen, um zu dem vorgesehenen Zeitpunkt nach Osaka, zu gelangen. Dadurch sind Mehrkosten entstanden, die die Kläger im vorliegenden Verfahren von der Beklagte ersetzt verlangt.

LG und Oberlandesgericht haben die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Rev. der Beklagte wurde zurückgewiesen.

Aus den Gründen: 1. 1. Das 13erGer. stellt fest, die Kläger habe bei Abschluss des Vertrages mit der Beklagte zwar im eigenen Namen. aber im Auftrag und auf Rechnung der Teilnehmer an dem geplanten Flug gehandelt. Sie sei eine gemeinnützige Einrichtung, die unentgeltlich tätig geworden sei und von ihren Auftraggebern nur Auslagenersatz fordern könne. Der mit der Beklagte vereinbarte Flugpreis von 1200 DM je Fluggast sei für sie ein durchlaufender Posten gewesen.

2: Damit sind die Voraussetzungen für eine Schadensliquidation gegeben, die nach der Rechtsprechung gerade bei der flog. mittelbaren Stellvertretung, wie sie hier Vorliegt, möglich ist (BGIIZ 40, 91, 100 = NJW 63, 2071 Nr. 6 zu § 249 [D] BGB mit Nachweisen).

Zu Unrecht vermisst die Rev. im BerUrt. die Prüfung der Frage, wie die Verträge der Mitglieder der Reisegruppe mit der Klägergestaltet waren. Den Inhalt dieser Vertragsverhältnisse bestimmt das Berufungsgericht, jedenfalls was den Hin- und Rückflug angeht - allein das ist hier maßgeblich - dahin, dass die Kläger lediglich beauftragt war, den Flug bei der Beklagte im eigenen Namen, aber auf Rechnung der Reiseteilnehmer zu buchen. Die Kläger sollte also insoweit gerade nicht selbst Leistungsträgerin sein. Sie wurde nicht etwa auf Grund eines von ihr mit den Reiseteilnehmern geschlossenen Werkvertrags tätig.

II. 1. Das Berufungsgericht nimmt an, die Beklagte habe den Luftbeförderungsvertrag im eigenen Namen geschlossen und nicht als unmittelbare Stellvertreterin der Fluggesellschaft, die den; Flug habe durchführen sollen. Nach ihrem Auftreten gegenüber der Kläger habe sie den Flug als eigene Leistung erbringen und nicht lediglich die Beförderung durch die X. vermitteln sollen. Unter den gegebenen Umständen bedeute die Wendung in dem Vertragstext in Vertretung und Zusammenarbeit mit der X., oder Poolpartner nicht, dass die Beklagte nur für die X. habe handeln wollen. Die Beklagte sei nicht etwa wie ein Reisebüro tätig geworden, das eine Fahrkarte oder einen Flugschein verkaufe. Die

X. sei vielmehr ihre Erfüllungsgehilfin gewesen, deren. Verschulden zu ihren Lasten gehe.

2. Dagegen wendet sich die Rev. ohne Erfolg.

a) Wie der Senat bereits im Urteil BGHZ 61, 275 = NJW 74, 37 = vorstehend Nr. i 25 dargelegt hat, kann ein Reiseunter, nehmen jede Reiseleistung zum Gegenstand eines Vermittlungsvertrags machen. Es kann sich aber auch verpflichten, die Leistung in eigener Verantwortung selbst zu erbringen. Ob das eine oder das andere vorliegt, hängt von der jeweiligen Vertragsgestaltung, insbesondere davon ab, wie der Vertragspartner des Reiseunternehmens dessen Erklärungen und Verhalten verstehen und werten darf.

Charterflüge machen dabei keine Ausnahme. Wie in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem anerkannt ist, können Luftbeförderungsverträge einmal zum Inhalt haben, dass der Charterer die Beförderung selbst im eigenen Namen übernimmt und sich des den Flug ausführenden Luftfahrtunternehmens (Vercharterer) lediglich als Erfüllungsgehilfen bedient (vgl. auch § 49a LuftVG). Zum anderen kann der Charterer den Beförderungsvertrag zwischen dem Fluggast und dem Vercharterer nur vermitteln. Was gegeben ist, hängt auch hier von den Umständen des Einzelfalles und von der Auslegung der jeweiligen Erklärungen ab (BGHZ 52, 194, 198f. = NJW 69, 2008 m. Naeb.w.; vgl. auch Weber in der Anm. zu diesem Urteil Nr. 4 zu Warschauer Abkommen; aus dem neueren Schrifttum Schwenk, BB 70, 282, 284/285; Hofmann, Luftverkehrsgesetz, 1971 Anm 2, 3, 5 zu § 44, Anm. 4 zu § 49a LuftVG).

b) Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht im vorl. Falle annimmt, die Beklagte habe den Luftbeförderungsvertrag mit der Kläger im eigenen Namen geschlossen, sich also selbst verpflichtet, die Luftbeförderung durchzuführen. Dabei spielt keine entscheidende Rolle, ob das Berufungsgericht insoweit lediglich Individualerklärungen zu deuten oder mustermäßige typische Vertragsbedingungen auszulegen hatte. Seine Auff. ist rechtsfehlerfrei und - bei freier Nachprüfbarkeit - auch richtig.

aa) Die Beklagte bezeichnet sich auf ihren Geschäftsbögen in auffallenden Buchstaben als Vertragspartner von X.. Schon das deutet eher auf eine selbständige Rechtsstellung der Beklagte nach beiden Seiten, als auf eine bloße Vermittlertätigkeit, für die gewöhnlich andere Bezeichnungen (etwa Agent) verwendet werden. Das Berufungsgericht stellt denn auch fest, dass die Beklagte die Verträge für die jeweiligen Charterflüge mit der X. ebenfalls im eigenen Namen und zu ganz anderen Bedingungen zu schließen pflegt, als mit ihren Kunden.

Entscheidend kommt es aber auf das Vertragsverhältnis mit der Kläger an. Insofern hebt das Berufungsgericht zutreffend hervor, dass im Vertragstext an verschiedenen Stellen von der eigenen Beförderungsleistung der Beklagte die Rede ist, an die auch der ausgemachte Flugpreis zu zahlen war, der sich von dem von der Beklagte an die X. für die Ausführung der Beförderung zu entrichtenden Entgelt wesentlich unterscheidet. In einer Vertragsbestimmung ist für einen dort näher bezeichneten Fall der Beklagte ein vertragliches Rücktrittsrecht eingeräumt. Auch in der Haftungsbeschränkungsklausel ist in erster Linie - äußerlich hervorgehoben - die Worte X. oder Poolpartner sind nur unauffällig angefügt.

bb) Allein die Wendung, die Beklagte werde die aufgeführte Passagierzahl in Vertretung und Zusammenarbeit mit der X. oder Poolpartner befördern, könnte daran zweifeln lassen, ob die Beklagte eine eigene Leistung übernehmen wollte und sollte.

Mit Recht nimmt das Berufungsgericht aber an, der Vertragstext sei in diesem Punkt für die Kläger bei objektiver Betrachtungsweise (§§ 135, 157 BG-B) keineswegs dahin zu verstehen gewesen, dass die Beklagte nur als unmittelbare Stellvertreterin der X. aufgetreten sei. Dem ist zuzustimmen. Der Gegenüberstellung in Vertretung und Zusammenarbeit konnte die Kläger allenfalls entnehmen, die Beklagte wolle neben ihrer eigenen Verpflichtung auch die unmittelbare Haftung der X. gegenüber der Kläger bzw. den Fluggästen begründen. Daran, dass die Beklagte selbst die Beförderung als Leistung in eigener Verantwortung schuldete ändert sich dadurch nichts.

cc) Für eine solche Vertragsgestaltung spricht auch die Interessenlage. Die Beklagte wurde nicht etwa, wie das Berufungsgericht zutreffend darlegt, ähnlich einem Reisebüro beim Verkauf von Fahrkarten oder Flugscheinen tätig (BOHZ 52, 194, 198 = NJW 69, 2008 = Nr.4 zu Warschauer Abkommen; BGHZ 61, 275, 278 = NJW 74, 37 = vorstehend Nr. 25). Die Kläger wandte sich vielmehr an sie, um den Flug einer größeren Personengruppe über einen ganzen Kontinent hinweg zu organisieren und durch eine sowjetische Fluggesellschaft ausführen zu lassen. Für, ein solches Vorhaben war der Kläger mit der bloßen Vermittlung eines Charterflugs durch das ausländische Luftfahrtunternehmen als ausschließlichen Vertragspartner nicht de- dient. Das ergab sich schon daraus, dass der Flug, so wie er geplant war, von einem Flughafen außerhalb der Bundesrepublik aus abgewickelt werden sollte. Der Kläger war deshalb daran gelegen, gerade in der Beklagte einem Reiseunternehmen mit Sitz im Bundesgebiet, ihren Vertragspartner und damit den Hauptverantwortlichen für die Beförderung der ihr anvertrauten Jugendleiter zu haben, der die in solchen Fällen meist mit besonderen Schwierigkeiten verbundenen Verhandlungen im Ausland zu führen und dann aber auch für den erstrebten, Erfolg einzustehen hatte. Als ein solcher Vertragspartner erschien der Kläger die Beklagte nach ihrem gesamten Auftreten. Die Interessenlage ist insofern ähnlich wie bei der Beschaffung eines Ferienhauses als Urlaubsunterkunft im Ausland (vgl. B(IIIZ 61, 275, 281 = NJW 74, 37 = vorstehend Nr. 25).

Aber auch für das sowjetische Luftfahrtunternehmen, das den Flug durchführen sollte, war es eine wesentliche Erleichterung, wenn es sich um die Zusammenstellung der Reisegruppe und deren Abfertigung vor dem Flug, sowie um die eventuelle Durchsetzung seiner Ansprüche gegen die Fluggäste in der für sie fremden Bundesrepublik nicht selbst zu kümmern brauchte. Letztlich lag es deshalb auch in seinem, des Vercharterers, Interesse, wenn zwischen ihn und die Fluggäste die Beklagte als selbständiger Leistungsträger zwischengeschaltet wurde.

c) Der vorgesehene Flug ist dadurch, dass es versäumt wurde, die notwendige Landegenehmigung in Japan einzuholen, unmöglich geworden. Eine auf einen bestimmten Zeitraum festgelegte Reise ist nach der Rechtsprechung des Senats in der Regel ein absolutes Fixgeschäft (BGHZ 60, 14, 16 = NJW 73, 318 = Nr. 3 zu § 645 BGB).

(3) Die ,der Beklagte obliegende Leistung ist infolge eines Umstands unmöglich geworden, den sie zu vertreten hat. Für das Versäumnis der X., ihrer Erfüllungsgehilfin, muss sie nach § 278 BGB einstehen. Die Kläger kann daher nach § 325 BGB Ersatz des den Reiseteilnehmern aus der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrags entstandenen Schadens verlangen.

e) Dieser Anspruch unterliegt nicht, wie die Rev. meint, der kurzen Verjährungsfrist des § 638 BGB. Der zwischen den Parteien geschlossene Beförderungsvertrag ist zwar Werkvertrag (BGH, NJW 69, 2014, 2015 Nr. 7 = Nr. 12 in § 638 BGB; Urteil vom 21. 12. 1973 - IV ZR 158/72 - NJW 74, 852 = vorstehend Nr. 26, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen). Auf einen Mangel der von der Beklagte zu erbringenden Leistung stützt die Kläger ihren Anspruch aber nicht. Die Beklagte hat nicht etwa ein mangelhaftes Werk hergestellt. Sie hat den versprochenen Erfolg überhaupt nicht herbeizuführen vermocht. Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung oder verspäteter Erfüllung eines Vertrags verjähren aber in derselben Frist wie der vertragliche Erfüllungsanspruch (BGHZ 57, 191, 195 =- NJW 72, 95 m. Nachw. = Nr, 13 zu § 195 BGB).

1. Das BerGrer. befasst sich noch mit dem Einwand der Beklagte, die Fluggäste hätten wegen der unverhältnismäßig hohen Mehrkosten ganz von der Reise nach Japan absehen müssen. Dazu meint das Berufungsgericht jedoch, es könne weder von einem unverhältnismäßig hohen Schaden gesprochen werden noch sei den Reiseteilnehmern zuzumuten gewesen, überhaupt auf die Reise zu verzichten. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils seien in jedem Falle gegeben, weil die Beklagte zumindest die Kosten der Reiseteilnehmer für die Anreise von ihrem Wohnort nach Berlin erstatten müsse.

2. Auch was die Rev. dagegen vorbringt, greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat ersichtlich nur die Frage behandelt, ob die Reiseteilnehmer auf den Flug ganz hätten verzichten müssen. Das hat es rechtsirrtumsfrei verneint. Damit steht aber einer weiteren Überprüfung der Klageforderung der Höhe nach, wie sie sich das Landgericht vorbehalten hat, nichts im Wege.

Ein Mitverschulden, das die Rev. der Kläger anlasten will, weil auch sie sich nicht rechtzeitig um die ordnungsgemäße Vorbereitung des Flugs gekümmert habe, scheidet allerdings aus. Es war auf keinen Fall Sache der Kläger, die Landeerlaubnis einzuholen oder auch nur zu überwachen, dass sie beigebracht wurde. Diese Voraussetzung für die (technische) Durchführung des Flugs zu schaffen, oblag ausschließlich der Beklagte bzw. dem von ihr zugezogenen Luftfahrtunternehmen.