Schäden

Das Berufen des Schädigers auf eine für den Verjährungsbeginn ausreichende Kenntnis des Geschädigten von dem Schaden kann für später aufgetretene Verletzungsfolgen, auch wenn sie als solche schon alsbald nach dem Unfall in medizinischen Fachkreisen vorhersehbar gewesen sind, ausnahmsweise dann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn zunächst alle Beteiligten einschließlich der Ärzte von nur vorübergehenden Verletzungsfolgen ausgegangen sind und sich zunächst hierauf einstellen durften und eingestellt haben, die später eingetretene Gesundheitsbeschädigung demgegenüber außergewöhnlich schwer und existenzbedrohend ist.

Zum Sachverhalt: Der Kläger begehrt von den Beklagten Ersatz von materiellen Schäden aus einem Verkehrsunfall. Am 17. 1. 1974 versuchte der damals 30 jährige Kl., den S-Weg in Höhe des Anwesens seiner Eltern zu überqueren. Hierbei wurde er von einem von der Erstbeklagte gesteuerten und bei der Zweitbeklagte haftpflichtversicherten Pkw erfasst und schwer verletzt. Der Kläger erlitt u. a. ein gedecktes Schädelhirntraume mit Hirnkontusion sowie ein Halswirbelsäulen-Schleudertrauma. Ende Juli 1974 war der Kläger wieder zu Bewusstsein gelangt. Zu diesem Zeitpunkt fiel eine Steilhaltung des Halses auf. Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule erwiesen eine deutliche Erweiterung der atlanto-dentalen Distanz. Zur Behandlung wurde dem Kläger eine so genannte Schanzsche Krawatte angelegt. Als der Kläger am 7. 9. 1974 aus der stationären Behandlung entlassen wurde, waren noch eine diskrete Halbseitenlähmung links vorhanden sowie die Beweglichkeit der Halswirbelsäule eingeschränkt. Bei einer weiteren Kontrolle am 4. 10. 1974 wurde die Schanzsche Krawatte abgenommen. Der Kläger wurde mit 6% Jahren eingeschult; mit dem 5. Schuljahr trat er in die Hauptschule über. In Schule und Freizeit betrieb der Kläger auch Sport. Am 7. 10. 1984 kam er bei einem Fußballspiel zu Fall. Kurz darauf stellten sich unkontrollierte Gehbewegungen ein, die Anlass zu mehreren ambulanten und stationären Behandlungen gaben. Im Laufe dieser Untersuchungen wurde Anfang April 1985 eine Spaltbildung zwischen der Spitze des Dens und dem Wirbelkörper festgestellt. Am 3. 5. 1985 erfolgte eine Resektion des Dens. Tags darauf wurden die Densbasis entfernt und Narbengewebe exzidiert. Postoperativ kam es zu einer kompletten Querschnittslähmung mit Atemlähmung, die zudem maschinelle Beatmung des Klägers notwendig macht. Er ist schwerstbehindert und bedarf der Pflege rund um die Uhr. Mit der am 16. 3. 1987 eingegangenen und den Beklagten demnächst zugestellten Klage hat der Kläger die Feststellung der materiellen Schadensersatzpflicht der Beklagte bis zu einem Höchstbetrag von 500000 DM oder bis zu einem Rentenbetrag von jährlich 30000 DM begehrt. Er ist der Auffassung, sein Zustand sei auf die Unfallverletzungen vom 17. 7. 1974 zurückzuführen. Er habe damals einen Bänderriss im Bereich zwischen erstem und zweitem Halswirbel erlitten, der von den behandelnden Ärzten nicht erkannt worden sei. Diese Verletzung habe die weitere Entwicklung bestimmt, die dann zu den operativen Eingriffen im Mai 1985 und den dabei eingetretenen Folgen geführt habe. Im Laufe des Rechtsstreits hat der Kläger seinen Schadensersatzanspruch in Höhe von 144000 DM beziffert und im Übrigen seinen Feststellungsantrag aufrechterhalten. Die Beklagte haben die Kausalität des Verkehrsunfalls vom 17. 7. 1974 für die von dem Kläger hier geltend gemachten Schäden bestritten. Im Übrigen sind sie der Ansicht, der Unfall sei für die Erstbeklagte ein unabwendbares Ereignis i. S. des § 7 II StVG gewesen. Die Beklagte haben weiter die Einrede der Verjährung erhoben, auf ein Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers und auf den Höchstbetrag gemäß § 12 StVG a. F. von 250000 DM hingewiesen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat es dahingestellt sein lassen, ob für eine von dem Kläger allein in Anspruch genommene Haftung der Beklagte nach dem Straßenverkehrsgesetz die Voraussetzungen des § 7I bzw. des § 18 I 1 StVG vorlägen, ob insbesondere die im Jahre 1985 eingetretenen Folgen zumindest mitursächlich auf den Unfall vom 17. 7. 1974 zurückzuführen seien. Denn jedenfalls hält es etwaige Ansprüche des Klägers auf Ersatz seiner Schäden für verjährt. Hierzu hat es im Einzelnen ausgeführt:

Die zweijährige Verjährungsfrist des § 14I StVG a. F., der auf den vorliegenden Schadensfall anzuwenden sei, habe mit der Kenntnis der Eltern des Klägers vom Schaden spätestens im September 1974 begonnen. Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur stelle der aus dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstandene Schaden eine Einheit in dem Sinn dar, dass bereits die allgemeine Kenntnis vom Schaden den Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich für alle Schadensfolgen auslöse, und zwar auch für die später eintretenden Schäden, soweit sie nur als möglich vorhersehbar gewesen seien. Anderes gelte dann, wenn sich aus anfangs ganz leicht erscheinenden Verletzungen später unerwartet Schadensfolgen einstellten. Um einen solchen Ausnahmefall handele es sich vorliegend aber nicht. Dem Kläger bzw. seinen Eltern sei bekannt gewesen, dass er durch erhebliche Gewalteinwirkung gegen den Kopf ein schweres Schädelhirntrauma und - was auch aus der Behandlung nach dem Unfall folge - dabei zusätzlich ein Halswirbelsäulen-Schleudertrauma erlitten habe. Der bei dem Unfall entstandene Riss des Ligamentums, der als solcher zunächst nicht erkannt worden sei, stelle gegenüber den bekannten Unfallfolgen keine selbständige Verletzung dar. Das Zerreißen der Bänder sei für ein schweres Trauma im Bereich des ersten und zweiten Halswirbels, wie der Kläger es erlitten habe, typisch. Deswegen handele es sich bei den nach den Operationen im Jahr 1985 eingetretenen Folgen nicht um die Spätfolgen einer zunächst nach dem Unfall von 1974 unerkannt gebliebenen Verletzung, sondern um die Spätfolgen des erlittenen Schleudertraumas der Halswirbelsäule, das bereits kurze Zeit nach dem Unfall diagnostiziert worden sei. Die Folgen seien schon im September 1974 jedenfalls als möglich voraussehbar gewesen.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht durchweg stand.

Zutreffend sind allerdings die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen für den in § 852 I BGB und § 14 I StVG a. F. gleichermaßen verwendeten Begriff der Kenntnis vom Schaden für den Beginn der Verjährungsfrist folgt. Danach stellt der gesamte aus einer unerlaubten Handlung entspringende Schaden rechtlich eine Einheit dar, so dass es für den Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich nicht darauf ankommt, wann der Verletzte von den einzelnen Schadensfolgen Kenntnis erlangt. Die Ungewissheit über den Umfang und die Höhe des Schadens schließt den Beginn der Verjährung nicht aus, vielmehr gelten grundsätzlich alle Folgezustände mit dieser allgemeinen Kenntnis als dem Verletzten bekannt. An diesem Verständnis von der Schadenseinheit für die Kenntnis vom Schaden i. S. der § 852 I BGB, § 14 StVG ist aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit festzuhalten. Dabei finden die den Schädiger begünstigenden Grundsätze ihre Rechtfertigung vor allem darin, dass es in aller Regel dem Geschädigten zuzumuten ist, schon aufgrund der Kenntnis von der haftungsbegründenden Schädigung sich durch eine Feststellungsklage bezüglich aller weiteren Schadensfolgen gegen eine Verjährung zu sichern.