Scheinzessionar

Hat der Gläubiger dem Schuldner angezeigt, dass er die Forderung abgetreten habe, ist die Abtretung jedoch nicht erfolgt oder unwirksam und hat der Schuldner noch nicht an den Dritten gezahlt, so bleibt der Gläubiger auch dann zur Klageerhebung und damit zur Unterbrechung der Verjährung berechtigt, wenn er die Zustimmung des Scheinzessionars zur Rücknahme der Anzeige noch nicht erlangt hat.

Anmerkung: Zeigt der Gläubiger dem Schuldner an, dass er die Forderung abgetreten habe, ist die Abtretung aber tatsächlich nicht erfolgt oder aus Rechtsgründen unwirksam, so wird zumindest der Schuldner durch § 409 BGB geschützt: Sofern er nicht gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. BGH, Betr 1955, 603), kann der Schuldner an denjenigen, der ihm als der neue Gläubiger bezeichnet worden ist (Scheinzessionar), so lange mit befreiender Wirkung leisten, bis dieser der Rücknahme der Anzeige zugestimmt hat. Dem wahren Gläubiger (Scheinzedenten) gegenüber kann der Schuldner die Leistung bis dahin verweigern.

Aus dieser Regelung ergeben sich Schwierigkeiten für den Fall, dass die Zustimmung des Scheinzessionars nicht alsbald zu erlangen ist. Es besteht die Gefahr, dass die Forderung nur deshalb verjährt, weil Scheinzedent und Scheinzessionar sich nicht einigen oder letzterer möglicherweise nicht auffindbar ist. Dass der wahre Gläubiger dann zur gerichtlichen Geltendmachung und damit zur Unterbrechung der Verjährung gemäß § 209 BGB berechtigt sein muss, weil der Schuldner sonst einen ihm vom Gesetz nicht zugedachten und der Sache nach auch nicht gerechtfertigten Vorteil erhalten würde, kann eigentlich nicht zweifelhaft sein. Angesichts der nicht eindeutigen Rechtsprechung des RG hatte der BGH aber Anlass zu einigen grundsätzlichen Ausführungen.

I. Das RG hatte nämlich einmal gesagt, dass die Anzeige der Abtretung insofern konstitutive Wirkung habe, als sie zugunsten des Schuldners die Abtretungserklärung ersetze und als wahre Abtretung wirke (JW 1926, 2529, 2530). Diese Formulierung hat zu der allerdings nur vereinzelt vertretenen Ansicht geführt, dass die inhaltlich unrichtige Anzeige Kraft besitze (so Staudinger-Werner, BGB 9. Aufl., § 409 BGB Anm. 1), der Scheinzedent also seine Forderung verliere. Dass das RG diese Konsequenz tatsächlich nicht hatte ziehen wollen, ergibt sich nach Auffassung des BGH indessen aus seiner sonstigen, vom Schrifttum einhellig gebilligten Rechtsprechung, wonach der Schuldner durch § 409 BGB nicht gehindert wird, sich dem angeblich neuen Gläubiger gegenüber auf die Unwirksamkeit der Abtretung zu berufen (RGZ 55, 416 [420]; 70, 88 [89]; 93, 74 [76]). Das ist nur möglich, wenn der Scheinzedent Rechtsträger bleibt, der Anzeige mithin die rechtsgestaltende Wirkung fehlt. Damit wäre nicht einzusehen, weshalb die Rechtsgestaltung nur im Verhältnis zum Schuldner, nicht aber auch zum Scheinzessionar möglich sein soll. Gemeint haben kann das RG mit jenem Satz von der konstitutiven Wirkung daher nur, dass der Schuldner nach Anzeige der Abtretung nicht zu prüfen braucht, wer der Berechtigte ist, und dass er auch dann frei wird, wenn er trotz der Unwirksamkeit der Abtretung, ja selbst in Kenntnis dieses Umstandes an den Scheinzessionar leistet (so später noch RGZ 126, 183 [185] und ihm folgend der BGH, Nr. 6 zu MRG 53, sowie - wenngleich mit einschränkendem Hinweis auf § 242 BGB -in dem bereits erwähnten Urteil, BGH, Betr 1955, 603).

II. Die Rechtsträgerschaft des Scheinzedenten allein genügt freilich nicht zur gerichtlichen Geltendmachung des hier in Rede stehenden Anspruchs. Soll die Klage die Verjährung unterbrechen, muss der Scheinzedent im Zeitpunkt der Klageerhebung auch zur Verfügung über die Forderung berechtigt gewesen sein (BGHZ 46, 221 [229] = Nr. 1 zu § 76 ZVG).

Der BGH hat das bejaht. Er hat angenommen, dass der nur scheinbar abgetretene Anspruch lediglich mit einer Einrede behaftet ist, die auf die Berechtigung des Scheinzedenten zur Durchsetzung seiner Forderung keinen Einfluss hat. Sache des Schuldners ist es, diese Einrede zu erheben. - Wie Schubert in einer Anmerkung zu der hier kommentierten Entscheidung zutreffend betont (JR 1975, 503), ist der BGH damit der in JW 1926, 2529 vertretenen Ansicht des RG nicht gefolgt, dass die Klage ohne weiteres abgewiesen werden müsse, wenn die Zustimmung des Scheinzessionars nicht nachgewiesen oder durch rechtskräftiges Urteil ersetzt worden ist. Als ausschlaggebend hat der BGH dabei angesehen, dass der Schuldner die Forderung gültig erfüllt (vgl. Raape, JW 1926, 2529), wenn er ohne Zustimmung des Scheinzessionars an den wahren Gläubiger leistet. Die Rechtslage ist deshalb nicht mit derjenigen vergleichbar, die sich dann ergibt, wenn der Nachlaßschuldner an den Erben zahlt, eine der Nachlaßverwaltung unterliegende Forderung zu erfüllen, oder wenn der Erbe eine derartige Forderung geltend macht (vgl. BGHZ 46, 221 [229] = Nr. 1 zu § 76 ZVG).

III. Die von Schubert (aa0) bejahte Frage, ob § 409 II BGB auch die Interessen des Scheinzessionars wahren soll (so das RG, WarnRspr 1922 Nr. 52 und pX7 1926, 2529; Planck-Siber, 4. Aufl., § 409 BGB Anm. 1 b; Soergel-Schmidt, 10. Aufl., § 409 BGB Anm. 6; Enneccerus- Lehmann, 14. Bearb., § 80 II 1 d) oder ob diese Bestimmung dem Scheinzessionar zwar zugute kommen mag, seinen Schutz aber nicht bezweckt (so Larenz, SchuldR I, 10. Aufl., § 341V), hat der BGH bewusst offen gelassen. Da der Scheinzessionar bei unwirksamer Abtretung ohnehin nach § 812 BGB zur Zustimmung oder, falls der Schuldner bereits an im gezahlt hat, nach § 816 BGB zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet ist, liegt es allerdings nahe, den Zweck jener Vorschrift allein in der besseren Sicherung des Schuldners zu sehen.