Schiff

Wird ein Schiff durch die nautisch falsche Fahrweise eines anderen Fahrzeugs zu harten Ruder -und Maschinenmanövern veranlasst und krängt es dadurch mit der Folge, dass seine hohe Decklast verrutscht und zum Kentern des Schiffes führt, so besteht zwischen diesem Ereignis und der nautisch falschen Fahrweise des anderen Fahrzeugs ein adäquater Zusammenhang.

Aus den Gründen: Dem angefochtenen Urteil ist folgender Unfallhergang zu entnehmen:

MS T. fuhr etwa Strommitte zu Tal. Es kündigte das Aufdrehmanöver - zumindest zweimal - durch das Schallzeichen 1 x lang, 2 x kurz an. Es verminderte außerdem die Geschwindigkeit erheblich, so dass es bei Beginn des Wendens praktisch nur noch trieb. Nach Ausdrehen des Ruders nach Backbord bemerkte seine Führung, daft das - etwa in Kiellinie folgende - MS M. stetig näher kam. Da sie befürchtete, MS M. werde dem nach Backbord eindrehenden MS T. in die Backbordseite laufen, legte sie das Ruder hart nach Steuerbord. Außerdem stellte sie die Maschine auf voll voraus. MS M. gelang es, MS T. nach Steuerbord freizufahren und das Heck dieses Fahrzeugs mit einem Meter Abstand zu passieren. Das Ruder- und Maschinenmanöver des MS T. bewirkte allerdings, dass dieses Fahrzeug, das sieh bereits infolge der Drehbewegung nach Backbord etwas zur Steuerbordseite geneigt hatte, bis auf 10 Grad nach Steuerbord krängte was zunächst zu einem teilweisen Verrutschen der Decklast nach Steuerbord, sodann zu einer verstärkten Steuerbordschräglage des Schiffes und schließlich, nachdem das Wasser zunächst das Maschinenraumsiill und sodann den Tennebaum überspült hatte, zu dessen Kentern führte.

Das Berufsgericht wirft dem Beklagten vor, gegen § 46 Nr. 3 RheinSchPolVO 1954 verstoßen zu haben. Nach dieser Vorschrift habe er nach Abgabe des Aufdrehsignals durch MS T. die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs soweit vermindern und den Kurs in der Weise ändern müssen, dass das angekündigte Manöver ohne Gefahr habe ausgeführt werden können. Der Beklagten habe jedoch entweder die eine oder die andere Maßnahme unterlassen. Das ergebe sich daraus, dass er das Heck des MS T. mit MS M. in einem Abstand von nur einem Meter passiert habe. Dabei sei der Beklagten auch auf Grund der allgemeinen Sorgfaltspflicht eines Schiffers verpflichtet gewesen, unmittelbar nach der rechtzeitig erfolgten Ankündigung des Aufdrehmanövers den Kurs seines Fahrzeugs nach Steuerbord zu verlegen, zu- mal der Abstand zwischen MS M. und MS T. nach seinen eigenen Angaben zu dieser Zeit nur 200 m betragen habe, die Art der Durchführung des Wendemanövers für ihn nicht von vornherein zu Übersehen und außerdem erkennbar gewesen sei, dass das mit hoher Decklast fahrende MS T. auf der Steuerbordseite tiefer im Wasser gelegen habe als auf der Backbordseite.

Diese Ausführungen sind entgegen der Ansicht der Rev, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Wieso das Berufsgericht damit die „Anforderungen an das Verhalten eines nachfolgenden Schiffes im Zusammenhang mit einem Aufdrehmanöver des vorausfahrenden Schiffes überspannt haben soll, hat die Rev. nicht näher dargelegt, ist auch nicht ersichtlich. Wie der Vorschrift des § 46 Nr. 3 RheinSohPo1VO 1954 zu entnehmen ist, hat die durchgehende Schifffahrt, sofern dies nötig ist und ihre eigene Sicherheit nicht gefährdet, das Wenden zu Berg vom Zeitpunkt seiner Ankündigung an durch Ruder- oder Maschinenmanöver zu unterstützen, damit das Aufdrehen ohne Gefahr geschehen kann. Das geschieht nicht, wenn ein dem Aufdrehen nachfolgendes Fahrzeug seinen Kurs oder die Geschwindigkeit so wählt, dass es sich dem Aufdrehenden bis auf einen geringen Abstand nähert oder in einem solchen Ab- stand an dessen Heck vorbeifährt. Denn damit setzt das nachfolgende Fahrzeug den Aufdrehenden der Gefahr einer Kollision aus. Dass es hier so lag, konnte das Berufsgericht ohne Rechtsverstoß der Angabe des Beklagten vor der Wasserschutzpolizei entnehmen, der Abstand zwischen dem Achterschiff des MS T. und dem Vorschiff des leicht nach Steuerbord versetzten MS M. habe etwa 1 m betragen, als MS T. mit dem Drehen angefangen habe. Es war deshalb auch nicht so, wie die Rev. entgegen dieser Angabe vorträgt, dass die Annäherung der beiden Fahrzeuge bis auf 1 m eine Folge der Unterbrechung des Wendemanövers des MS T. gewesen sei. Daher vermag auch alles, was die Rev. aus diesem Vortrag zugunsten des Beklagten herleitet, diesen nicht zu entlasten, zumal er nach seinen weiteren Bekundungen vor der Wasserschutzpolizei trotz der von ihm erkannten Absicht des etwa 200 m vor ihm fahrenden MS T., bei Oberapay über Backbord aufzudrehen, den Kura seines Fahrzeugs nicht zum rechten Ufer hin verlegte und diesem Fahrzeug weiter in Kiellinie auflief, obwohl er an dessen Schraubenschlag sah, wie es die Fahrt verminderte. Somit hat das Berufsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagten die Vorschrift des § 46 Nr. 3 RheinSchPolVO 1954 fahrlässig verletzt sowie gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht eines Schiffers schuldhaft verstoßen hat.

Das Berufsgericht hat im Gegensatz zu dem Rheinschifffahrtsger. die Frage bejaht, ob das nautisch fehlerhafte Verhalten des Beklagten für das Kentern des MS T. adäquat ursächlich war, und hierzu ausgeführt:

Ein Ereignis sei für den Eintritt eines Schadens als adäquat ursächlich anzusehen, wenn es im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umstände geeignet sei, den eingetretenen Schaden herbeizuführen. Für diese Beurteilung komme es nicht auf die Einsicht oder Voraussicht des Schädigers, sondern auf eine objektive nachträgliche Prognose an, so dass neben den dem Sehädiger bekannten Umständen alle dem optimalen Betrachter zur Zeit des Ereignisses erkennbaren Umstände zu berücksichtigen seien. Das Verhalten des Beklagten wäre demnach nur dann für das Kentern des MS T. nicht adäquat ursächlich gewesen, wenn das Umschlagen dieses Fahrzeugs als ein gänzlich außerhalb jeder Erfahrung stehendes Ereignis anzusehen sei. Das sei hier nicht festzustellen. Es entspreche einer allgemeinen Erfahrung, dass eine zu dichte Annäherung an einen vorausfahrenden Talfahrer diesen - zur Vermeidung einer Kollision - zu spontanen, möglicherweise unrichtigen Maßnahmen veranlassen könne. Ferner stehe es nicht vollständig außerhalb der Erfahrung und Voraussehbarkeit, dass eine dadurch bewirkte scharfe Ruderlegung verbunden mit einem plötzlichen Maschineneinsatz zu einer erheblichen Neigung eines Motorschiffes zur Seite hin führen könne. Dass dann aber unter besonders ungünstigen Umständen ein mit einer hohen Decklast fahrendes, überdies erkennbar steuerbordlastiges Schiff bei einer seitlichen Neigung auch kentern könne, wenn Wasser in den Schiffskörper eindringe, liege ebenfalls nicht ganz außerhalb eines voraussehbaren Geschehensablaufs.

Die Rev. greift auch diese Ausführungen des Berufsgerichts ohne Erfolg an.

Die Erwägungen des angefochtenen Urteil darüber, wann ein Ereignis in einem adäquaten Zusammenhang mit einem bestimmten Erfolg steht, entsprechen in ihren wesentlichen Punkten der Rechtsprechung des BGH und lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Insoweit hat auch die Rev. keine Bedenken geltend gemacht.

Die Rev. kann nicht bezweifeln, dass eine zu dichte Annäherung eines Fahrzeugs an einen aufdrehenden Talfahrer diesen erfahrungsgemäß zu spontanen Maßnahmen zur Vermeidung einer Kollision veranlassen kann. Sie meint jedoch, hier sei zu beachten, dass die zu dichte Annäherung des MS M. erst eingetreten sei, als das spontane Rudermanöver des MS T. bereits vollzogen gewesen sei. Das ist, wie bereits oben unter 2. aufgezeigt wurde, nicht richtig.

Es bedarf keiner Erörterung, ob es, wie die Rev. ausführt, technisch unmöglich ist, ein Binnenschiff allein durch- extreme Ruder- ui i Maschinenmanöver zum Kentern zu bring: gen. Darum geht es hier nicht. Denn der Streitfall ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass MS T. mit einer hohen Decklast fuhr. Es liegt aber nicht außerhalb jeder Erfahrung, dass eine solche Last, insbesondere wenn sie, was erfahrungsgemäß vorkommen kann, falsch gestaut ist, bei einer stärkeren Krängung des Schiffes verrutschen und sodann zu dessen Kentern führen kann. Wird daher ein Schiff durch die nautisch falsche Fahrweise eines anderen Fahrzeugs zu Ruder- und Maschinenmanövern veranlasst, die eine stärkere seitliche Neigung des Schiffes bewirken und gerät nunmehr seine hohe Decklast ins Rutschen, so besteht zwischen diesem Ereignis und der fehlerhaften Fahrweise des anderen Fahrzeugs ein adäquater. Zusammenhang.

Es ist richtig, dass die auf MS T. zur Vermeidung einer Kollision mit MS M. vorgenommenen Ruder- und Maschinenmanöver nur zu einer Krängung des Fahrzeugs von 10 Grad geführt haben und dass das Schiff bei dieser seitlichen Neigung allein nicht gekentert wäre. Es trifft weiter zu, dass das Wasser; das Maschinenraumsüll erst bei. einer Neigung des MS T. von 21 Grad und den Tennebaum erst bei einer solchen von 29. Grad überspülen konnte. Daraus folgt entgegen der Ansicht der Rev. jedoch nicht, dass das Kentern des Fahrzeugs ein ganz außergewöhnliches Ereignis gewesen wäre und kein adäquater Zusammenhang zwischen der nautisch falschen Fahrweise des Beklagten, den dadurch veranlassten harten Ruder- und Maschinenmanövern des MS T., dem Verrutschen seiner Decklast und dem nachfolgenden Kentern bestanden hätte.

Soweit die Rev. die Schuldverteilung, wie sie das Berufsgericht vorgenommen hat, angreift, hat sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen vermocht. Mit Recht hat das Berufsgericht in: diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Beklagten: durch die ohne weiteres vermeidbare Gefährdung des MS T. einen gewichtigen Beitrag zu der Havarie dieses Fahrzeugs geleistet hat.