Schlechterfüllung

Zur Frage der Schlechterfüllung einer im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts übernommenen Vertriebspflicht für ein gemeinsam herauszugebendes mehrbändiges Nachschlagwerk.

Zum Sachverhalt: Die Klägerin, eine schweizer Verlagsgesellschaft, plante die Herausgabe eines mehrbändigen Nachschlagwerks unter dem Titel Persönlichkeiten Europas. Im Jahre 1974 erschien der Band Schweiz, 1975 der Band Österreich. In den Jahren 1976 bis 1977 sollten die Bände Deutschland I-III folgen. Da der Verkauf der aufwendig ausgestatteten Bände nicht den Erwartungen der Kläger entsprach, setzte sie sich 1976 mit der Beklagten in Verbindung, um deren Vertriebserfahrungen zu nutzen. Die Parteien einigten sich auf eine Zusammenarbeit, nachdem sie abgesprochen hatten, den Preis, das Format und den Umfang der Ausgabe zu ändern. Am 11. 6. 1976 schlossen sie einen Vertrag über die Produktion und den Vertrieb des zunächst auf 5 Bände festgelegten Werkes. Von dem in einer Auflage von 10000 Exemplaren zunächst gedruckten Band Deutschland I lieferte die Kläger je einen Teil im Oktober 1976 und im Juli 1977 an die Beklagten aus; nach einer Abrechnung der Beklagten vom 31. 12. 1978 wurden von diesem Band insgesamt 667 Exemplare verkauft. In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Differenzen. Die weiter geplanten Bände sind bislang nicht erschienen. Die Kläger hat ihre Verlagsproduktion im Frühjahr/ Sommer 1977 eingestellt. Sie verlangt von der Beklage Schadensersatz in Höhe von 640000 DM. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Beklage ihre Vertriebspflicht verletzt habe.

Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklage die Klage abgewiesen. Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht hat das Klagebegehren in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Verzugshaftung aus § 326 BGB geprüft und das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür verneint.

Die vom Berufsgericht in erster Linie geprüfte Verzugshaftung nach § 326 BGB würde voraussetzen, dass die geschuldete Leistung ganz oder teilweise überhaupt nicht erbracht worden ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Nach dem Klagevorbringen geht es nicht darum, ob die Beklagten mit ihrer vertraglich übernommenen Vertriebspflicht in Verzug geraten ist, sondern darum, ob sie sich unzureichend um den Vertrieb gekümmert, den Vertrag mithin schlecht erfüllt hat. Der Vertrieb ist im Streitfall nicht gänzlich unterblieben; denn von dem zunächst gedruckten Band Deutschland I sind 667 Exemplare verkauft worden. Die Kläger hat ihre Klage dementsprechend darauf gestützt, dass die Beklagten nicht alles getan habe, was für einen erfolgreichen Vertrieb erforderlich gewesen wäre; insbesondere nicht hinreichend für das gemeinsame Werk geworben habe.

Für diese Beurteilung kommt es entscheidend auf die Rechtsnatur und den Inhalt des Vertrages an. Das Berufsgericht hat zwar darauf hingewiesen, dass der Vertrag der Parteien vom 11. 6. 1976 in starkem Maße gesellschaftsrechtliche Bestandteile enthält; es hat jedoch letztlich seine Rechtsnatur offen gelassen. Da es keiner weiteren Tatsachenfeststellungen bedarf, kann das RevGer. diese Frage selbst abschließend entscheiden. Der Vertrag vom 11. 6. 1976 ist seinem Inhalt und Wesen nach unter Berücksichtigung der von den Parteien zugrunde gelegten Zweckverfolgung als Gesellschaftsvertrag zu beurteilen. Die Parteien haben sich zur Förderung eines gemeinsamen Zweckes zusammengeschlossen. Die Ziele der Kläger, die die Herstellung und Vervielfältigung des Werkes übernommen hat, und die der Beklage begegnen sich in dem gemeinsamen Interesse an der von der Beklagten übernommenen Verbreitung des unter einem gemeinsamen Impressum heraus- zugebenden Werkes. Die für den Gesellschaftsvertrag wesentliche Zweckgemeinschaft kommt auch darin zum Ausdruck, dass beide Parteien das wirtschaftliche Risiko gemeinsam tragen. Von dem Nettoverkaufspreis eines jeden Bandes von 26.40 DM erhalten sowohl die Kläger für die zur Verfügung gestellten Rechte und die Produktion als auch die Beklagten für Werbung und Vertrieb einen Kostenanteil von je 10,80 DM, während der verbleibende Betrag von 4,80 DM je Band zwischen ihnen hälftig geteilt wird.

Die - wie das Berufsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat - nicht fristgebundene Vertriebspflicht der Beklagten war nach dem Vertrag vom 11. 6. 1976 als gesellschaftsrechtliche Verpflichtung zur Leistung von Diensten, die über einen längeren Zeitraum fortlaufend zu erbringen waren, ausgestaltet. Dieser Vertriebspflicht ist die Beklagten nach dem Klagevorbringen unzureichend nachgekommen; sie soll also ihre Vertriebspflichten schlecht erfüllt haben. Ein solcher Fall der Schlechterfüllung ist aber bei Verträgen ohne gesetzliche Gewährleistungsvorschriften - wie den Gesellschaftsverträgen - allein nach den Grundsätzen über die Haftung für positive Vertragsverletzung zu beurteilen. Einer Abmahnung entsprechend der in § 326I BGB enthaltenen Regelung bedurfte es bei der besonderen Fallgestaltung nicht. Es liegt in der Natur des auf eine längere Dauer angelegten Gesellschaftsverhältnisses der Parteien, dass die Vertriebspflicht der Beklage nicht fristgebunden, sondern fortlaufend zu erfüllen war. Die Schlechterfüllung einer solchen Verpflichtung zeigt sich in aller Regel erst, wenn der Erfolg ausbleibt. Die Frage, ob die Kläger die Einstellung der Verlagsproduktion der Beklage hätte ankündigen müssen, kann allerdings im Rahmen des zu prüfenden Mitverschuldens bedeutsam werden.

Die Kläger kann ihren Anspruch im Streitfall auch unmittelbar gegen die Beklagten geltend machen. Denn angesichts der klaren Aufgabenteilung und der wirtschaftlichen Selbständigkeit der beiderseits erbrachten Aufwendungen bedarf es mangels eines Gesellschaftsvermögens ausnahmsweise keiner gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung. Der dem Streitfall zugrunde liegende Vertrag ist so gestaltet, dass er lediglich Einzelansprüche beider Vertragspartner vorsieht.