Schlusszahlung

Zur Verwirkung eines Rückzahlungsanspruches, wenn die öffentliche Hand die Überzahlung des Unternehmers erst einige Jahre nach der Schlusszahlung - aufgrund eines Hinweises des Rechnungshofes - geltend macht.

Zum Sachverhalt: Die klagende Bundesrepublik beauftragte die Beklagte, die sich zu einer Arge zusammengeschlossen hatten, 1967 mit der Durchführung von Tiefbauarbeiten auf einem NATO-Flugplatz. Aufgrund der Schlussrechnung vom 30. 1. 1968 wurde die Abrechnungssumme auf rund 1,6 Mio. DM festgestellt. Die Schlusszahlung erfolgte im April 1968. Aufgrund eines entsprechenden Hinweises des Bundesrechnungshofes vom B. B. 1973 forderte das Finanzbauamt mit Schreiben vom 25. 7. 1974 die Beklagte zur Rückzahlung von 40829 DM auf, da die Beklagte in dieser Höhe überzahlt seien. Bei einer Position des Leistungsverzeichnisses sei nämlich nicht berücksichtigt worden, dass andere Positionen bereits die Vergütung für den Bodenabtrag enthielten, so dass es insoweit hinsichtlich des Abtrags zu einer Doppelberechnung gekommen sei. Auf Mahnung vom 16. 10. 1974 antwortete die Beklagte zu 1, dass die Feststellung des Bundesrechnungshofes zwar zutreffe, andererseits aber auch Abrechnungsfehler zum Nachteil der Arge vorgekommen seien, so dass lediglich ein Überzahlungsbetrag von 1036 DM verbleibe. Nachdem die Kläger dieser Abrechnung nicht zugestimmt hatte, beriefen sich die Beklagte mit Schreiben vom 2. 4. 1975 auf Verwirkung. Diesen Einwand wies das Finanzbauamt mit Schreiben vom 21. 5. 1975 zurück. Mit Schreiben vom 3. 7. 1975 und 4. 3. 1976 teilte es der Beklagte zu 1 mit, dass die Überprüfung noch nicht habe abgeschlossen werden können. Am 9. 2. 1977 kündigte die Kläger dem Beklagten die gerichtliche Geltendmachung der Forderung an. Die darauf durchgeführten Verhandlungen der Parteien führten zu keinem Ergebnis. Die Kläger erwirkte am 27. 12. 1977 gegen beide Beklagten Mahnbescheide. Die Beklagte erhoben Widerspruch. Die daraufhin durchgeführte Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Die Kläger hat sich in den Vorinstanzen darauf berufen, dass ihr nach Nr. 24 der vereinbarten Zusätzlichen Vertragsbedingungen ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch zustünde, da es sich um Aufmassfehler handele, d. h. um Abweichungen in Aufmasslisten und Abrechnungszeichnungen von der tatsächlichen Ausführung oder untereinander. Während das Landgericht eine Anwendung dieser Bestimmung abgelehnt hat, geht das Berufungsgericht auf diese Frage nicht ein. Da jedoch die Revision hierauf nicht mehr zurückkommt, kann offen bleiben, ob diese Klausel auch dann anwendbar ist, wenn - wie hier - der Abrechnungsfehler auf eine Überschneidung einzelner Positionen im Leistungsverzeichnis zurückgeht.

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass der Kläger an sich ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe der Klageforderung zustehe.

Es hält das Recht aber für verwirkt, da es die Kläger unter Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben illoyal verspätet geltend gemacht habe. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wie die Revision zu Recht rügt, lässt das angefochtene Urteil bei der rechtlichen Würdigung wesentliche Umstände außer Acht und gelangt so zu einer unzutreffenden Beurteilung des Sachverhalts.

Ein Recht ist verwirkt, wenn sich ein Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt in erster Linie von den Umständen des Einzelfalls ab.

Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Richtig ist ferner, dass bei der Berechnung der Zeitspanne hier nicht auf die Einreichung der Schlussrechnung, sondern auf den Tag des Eingangs der Schlusszahlung abzustellen ist. Da die Schlusszahlung der Arge im April 1968 zuging, sind bis zur erstmaligen Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs vom 25. 7. 1974 rund 61/4 Jahre vergangen.

Zu diesem Zeitraum will das Berufungsgericht weitere 2 Jahre und 7 Monate rechnen, da sich die Kläger entgegenhalten lassen müsse, dass sie ihre Ansprüche in der Zeit vom April 1975 bis Dezember 1977 gerichtlich nicht durchgesetzt habe. Nachdem die Beklagte zu 1 mit ihrem Schreiben vom 2. 4. 1975 die Verhandlung abgebrochen und sich auf Verwirkung berufen habe, hätte die Kläger schon im Hinblick auf den bisher verstrichenen Zeitraum alsbald etwas zur Wahrung ihrer Rechte unternehmen müssen. Jedenfalls Ende 1977 hätten die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass die Kläger ihren Rückforderungsanspruch nicht mehr geltend machen werde. Die handels- und steuerrechtlichen Fristen für die Aufbewahrung der den Auftrag betreffenden schriftlichen Unterlagen seien damals längst abgelaufen gewesen. Die Arge habe diese Unterlagen im Wesentlichen bereits vernichtet. Da nach dem glaubhaften Vortrag der Beklagte zwischen den Parteien nach dem Einreichen der Schlussrechnung verhandelt worden sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Art und Weise der Abrechnung, die jetzt Gegenstand der Rückforderung ist, damals einvernehmlich zugunsten der Beklagte festgelegt worden sei. Schließlich hätten sich die Beklagte auch darauf eingestellt, dass die Kläger ihren Rückforderungsanspruch nicht mehr mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen versuchen werde. Da die Kläger auch nach der Ablehnung der Forderung durch die Beklagte im April 1975 nicht alsbald geklagt habe, seien die Bekl zu der Überzeugung gelangt, dass die Kläger von der rechtlichen Durchsetzbarkeit ihres Anspruchs - jedenfalls zunächst - nicht überzeugt gewesen sei. Versuche ein öffentlicher Bauherr dann noch nach Ablauf von mehr als 8 Jahren, seinen Rückforderungsanspruch gerichtlich durchzusetzen, handelte er illoyal gegenüber seinem früheren Vertragspartner.

Diese Erwägungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.

Zunächst ist festzustellen, dass der Rückzahlungsanspruch noch nicht verwirkt war, als ihn die Kläger durch das Finanzbauamt mit Schreiben vom 25. 7. 1974 erstmals geltend gemacht hat. Wer wie die Beklagte mit der öffentlichen Hand Bauverträge schließt, weiß, dass die Abwicklung größerer Vorhaben regelmäßig von den Rechnungshöfen überprüft wird und dass diese Prüfungen in der Regel erst etliche Jahre nach der Schlusszahlung abgeschlossen werden. Deshalb hat der Senat auch in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass eine Zeitspanne von etwas über 6 Jahren zwischen Schlusszahlung und Rückforderung nicht unangemessen lang ist, so dass eine Verwirkung ausscheidet. Daran hält er trotz der an dem Urteil geübten Kritik fest. Im Hinblick auf die hier gegebenen Umstände besteht kein Anlass, das Rechtsinstitut der Verwirkung über Gebühr auszuweiten, zumal Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung an sich einer gesetzlichen Verjährungsfrist von 30Jahren unterliegen. Diese Frist würde für Ansprüche auf Rückforderung überzahlter Bauforderungen praktisch bedeutungslos, wenn bereits nach 3 bis 5 Jahren in aller Regel der Verwirkungseinwand durchgriffe, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Überprüfung des Bauvorhabens durch den Rechnungshof häufig noch gar nicht abgeschlossen sein wird.

Zu Unrecht geht das Berufungsgericht von einem Zeitraum von 8 Jahren und 10 Monaten aus. Zwar hat die Beklagte zu 1 - insoweit für die Arge handelnd - mit Schreiben vom 2. 4. 1975 die seit der Rückforderung andauernden Verhandlungen zunächst abgebrochen. Die Kläger hat aber im Verlauf des weiteren Schriftwechsels immer wieder deutlich gemacht, dass sie an ihrem. Rückforderungsverlangen festhalte. Damit kann von einem zugunsten der Beklagte wirkenden Vertrauenstatbestand keine Rede sein. Entscheidend ist nicht, ob die Kläger annehmen durfte, die Beklagte würde sich von der Unbegründetheit ihres Standpunkts überzeugen lassen, sondern ob die Beklagte sich darauf verlassen durften, die Kläger werde sich dem Verwirkungseinwand beugen. Das ist indessen nicht der Fall.

Als die Kläger am 25. 7. 1974 ihr Rückforderungsverlangen erstmals geltend machte, waren die damals geltenden handels- und steuerrechtlichen Fristen für die Aufbewahrung der den Auftrag betreffenden schriftlichen Unterlagen noch nicht abgelaufen. Die Frist betrug damals 7 Jahre. Wenn die Beklagte bei dieser Sachlage trotz des Rückforderungsbegehrens der Kläger die schriftlichen Unterlagen vernichteten, haben sie sich daraus etwa entstehende Beweisschwierigkeiten selbst zuzuschreiben. Schon deshalb kann das Argument des Berufungsgerichts nicht überzeugen, die Beklagte seien durch die Vernichtung ihrer schriftlichen Unterlagen unverschuldet in Beweisnot geraten. Im Übrigen haben die Beklagte eingeräumt, dass der Doppelansatz in den hier maßgeblichen Positionen des Leistungsverzeichnisses erst vom Bundesrechnungshof erkannt wurde. Dann können aber die darauf zurückzuführenden Doppelberechnungen nicht schon damals Gegenstand von Verhandlungen gewesen sein. Abgesehen davon haben die Beklagte gar nicht behauptet, die Abrechnung, die jetzt Gegenstand der Rückforderung, ist, sei damals einvernehmlich zu ihren Gunsten festgelegt worden. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die Beklagte hier etwa schon im Hinblick auf die, Rückzahlungsvereinbarung in Nr. 24 ZVB vertraglich verpflichtet waren, die schriftlichen Unterlagen über die gesetzlichen Fristen hinaus aufzubewahren, und ob eine Verwirkung dann, aber in der Regel auch nur dann in Betracht kommt, wenn das Rückforderungsverlangen erst nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen geltend gemacht wird. Hier jedenfalls ist der allein zugrunde zu legende Zeitraum von etwa 6 Jahren zwischen Schlusszahlung und Rückforderung nicht unangemessen lang. Etwaige Beweisschwierigkeiten der Beklagte wären auf deren eigenes Verschulden zurückzuführen.