Schutzpflichten der Bundesbank

Zur Frage der Schutzpflichten der Deutschen Bundesbank im Abrechnungsverfahren.

Zum Sachverhalt: Die Kläger, eine Privatbank, macht die Deutsche Bundesbank dafür verantwortlich, dass sie durch den Zusammenbruch des Bankhauses H Schaden erlitten hat. Dabei handelt es sich um folgendes: Die Beklagten hat bei ihrer Zweiganstalt, der Landeszentralbank in Hessen, Hauptstelle Frankfurt, der Deutschen Bundesbank eine Abrechnungsstelle eingerichtet. Die Kläger ist dort zum Abrechnungsverkehr zugelassen und unterhält bei der Beklage ein Girokonto. Abrechnungsteilnehmerin bei dieser Abrechnungsstelle und ebenfalls Inhaberin eines LZB- Kontos war auch die Frankfurter Zweigniederlassung von H. Die Kläger lieferte am 26. 6. 1974 eine Platzübertragung über 54826075 DM an H zum ersten Einlieferungstermin bei der Abrechnungsstelle ein. Sie hatte am 24. 6. 1974 mit H ein Devisen-Kassageschäft über 21,5 Mio. US-Dollar abgeschlossen und war daraus verpflichtet, den angegebenen DM-Betrag am 26. 6. 1974 auf dem Frankfurter LZB-Konto von H anzuschaffen; der Dollar-Betrag sollte ihr am gleichen Tage über eine Korrespondenzbank der H in New York zur Verfügung gestellt werden. Die Beklage übergab die Platzübertragung der Kläger mit den anderen für H eingelieferten Abrechnungspapieren gegen 11.30 Uhr einem Boten von H. Die nach Verstreichen des auf 13.30 Uhr festgesetzten Abrechnungstermins vorgenommene Abrechnung führte zu einem Passivsaldo der Kläger, zu dessen Deckung diese um 15.14 Uhr telegrafisch 17,7 Mio. DM auf ihr Frankfurter LZB-Konto überweisen ließ. Im Laufe des 26.6. 1974 waren Sanierungsverhandlungen für H gescheitert, die am 24.6. 1974 unter Mitwirkung von Vertretern des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, der Beklagten und von drei Großbanken begonnen hatten. Nach der Behauptung der Kläger waren die Verhandlungen über einen Stützungsversuch spätestens um 12.30 Uhr abgebrochen worden. Die Beklage bringt hingegen vor, erst um 14.00 Uhr hätten sich die Sanierungsverhandlungen endgültig zerschlagen und habe der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen die Schließung der H beschlossen. Die Verfügung, dass H die Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften entzogen werde, wurde H um 16.15 Uhr zugestellt. Die Klägerin hat den Dollar-Betrag aus dem Devisen Kassageschäft nicht mehr erhalten, da die amerikanische Korrespondenzbank wegen des Zeitunterschiedes vor der Auszahlung von der Schließung der H Kenntnis erlangt hatte.

Die Kläger meint, die Beklage sei ihr gegenüber verpflichtet gewesen, H spätestens nach dem Scheitern der Sanierungsverhandlungen aus der Abrechnung des laufenden Tages auszuschließen. Dies wäre noch vor dem Abrechnungstermin möglich gewesen. Zumindest aber hätte die Beklage sie warnen und auf die bevorstehende Schließung hinweisen müssen. In diesem Falle hätte die Kläger noch durch Kündigung oder durch Nichtdeckung des Sollsaldos auf ihrem Girokonto auch noch nach dem Abrechnungstermin aus der Abrechnung ausscheiden können. Ihrer Schadensersatz- und Feststellungsklage hat das Landgericht stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklage zurückgewiesen. Ihre Revision hatte dagegen Erfolg.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht hält den Klageanspruch aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung für begründet. Zwischen der Beklagten und den übrigen Teilnehmern am Abrechnungsverfahren bestehe ein Vertragsverhältnis. Daraus sei der Beklagten zum Schutze der Teilnehmer die Verpflichtung erwachsen, H aus der laufenden Abrechnung am 26.6. 1974 auszuschließen. Dies sei geboten gewesen, nachdem die Stützungsverhandlungen gescheitert gewesen seien und der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen beschlossen gehabt habe, H die Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften zu entziehen. Spätestens um 14.00 Uhr sei dies der Fall gewesen. Da zu dieser Zeit das Abrechnungsverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei, sei die Beklagten tatsächlich und rechtlich in der Lage gewesen, das Vertragsverhältnis mit H mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Dann wäre der durch die Platzübertragung der Kläger überwiesene Betrag H nicht mehr zugeflossen und der Schaden der Kläger vermieden worden.

Diesen Ausführungen vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Beklage stellt das Abrechnungsverfahren in Erfüllung einer öffentlichrechtlichen Verpflichtung dem Rechtsverkehr zur Verfügung. Sie hat es aber privatrechtlich geregelt und steht daher, wie das Berufsgericht auch angenommen hat, zu den einzelnen Teilnehmern in einem auf eine Geschäftsbesorgung gerichteten privatrechtlichen Vertragsverhältnis. In diesem Rechtsverhältnis hat die Beklagten zweifellos keine allgemeine, über die korrekte Abwicklung des Verfahrens hinausgehende Sorgfaltspflicht, die Teilnehmer vor Vermögensverlusten zu bewahren; die Geschäftsbeziehungen, in denen diese zueinander stehen, und das Risiko oder die Zweckmäßigkeit der von ihnen in die Abrechnung eingebrachten Vorgänge gehen sie nichts an, sie kennt sie in der Regel gar nicht. Sieht man davon ab, dass es sich bei den Abrechnungsteilnehmern außerdem noch um Kreditinstitute handelt, die keines fremden Schutzes bedürfen, so liegen hier die Dinge ähnlich wie im allgemeinen Überweisungs-, Scheckeinziehungs- oder Lastschriftverkehr, wo die Banken nur zum Zwecke eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs tätig werden und schon wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge sich grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern haben. Allerdings hat die Rechtsprechung dort gerade für Sonderfälle der hier interessierenden Art gewisse Ausnahmen gemacht. Ist der beauftragten Bank der unmittelbar bevorstehende Zusammenbruch des Zahlungsempfängers oder die Zahlungseinstellung der Empfangsbank bekannt, so kann sie unter Umständen nach Treu und Glauben aus dem Geschäftsbesorgungsverhältnis verpflichtet sein, den Auftrag nicht ohne vorherige Rückfrage beim Auftraggeber auszuführen, um diesen vor einem ersichtlich drohenden Schaden zu bewahren. Diese Grundsätze, an die die Kläger anknüpfen möchte, lassen sich aber auf den Abrechnungsverkehr und die hier bestehenden Pflichten der Beklagten nicht einfach übertragen, auch wenn dieser im Laufe eines Abrechnungsverfahrens bekannt wird, dass einem beteiligten Kreditinstitut die Schließung droht. Im normalen Überweisungsverkehr kann einer Bank ohne weiteres das Recht eingeräumt und die Pflicht zugemutet werden, den Überweisungsvorgang abzubrechen, wenn sie erkennt, dass der Zweck der Überweisung, dem Empfänger einen Geldbetrag zukommen zu lassen, wegen der Lage seiner Bank durch eine Gutschrift auf deren Konto nicht mehr erreicht werden kann. Dies dient allein dem Interesse des Oberweisungsempfängers; Rechte Dritter werden dadurch nicht betroffen, und der Eingriff hat auch sonst keine weitergehenden Auswirkungen, als dass eben gerade ein Einzelauftrag nicht ausgeführt wird.