Schutzpflichten einer Bank

Zum Umfang der Schutzpflichten einer Bank, die als Hauptgläubigerin einer Massenkommanditgesellschaft ein eigenes Interesse an deren Sanierung hat, gegenüber Kommanditisten, die sie aufgefordert hat, die Gesellschaft mit von ihr finanzierten Darlehen zu unterstützen.

Zum Sachverhalt: Der Beklagte ist 1972 als Kommanditist mit einer Einlage von 100000 DM in die W-KG, eine Publikums-KG, eingetreten. Seine Einlage hat er bezahlt. Die W-KG errichtete im Erbbaurecht eine Klinik, die sie später betreiben wollte. Das Projekt sollte unter anderem mit langfristigen Bankkrediten von 6 Mio. DM und Kommanditeinlagen von 4 Mio. DM finanziert werden. Die Kläger hatte als Hausbank die Zwischenfinanzierung übernommen und für den Klinikbau kurzfristige Kredite gewährt, die 1973 auf etwas über 6 Mio. DM - weit über den vorgesehenen Umfang und die vorhandenen Sicherheiten hinaus - angewachsen waren. Die W-KG geriet im Laufe dieses Jahres kurz vor Fertigstellung des Klinikgebäudes in Zahlungsschwierigkeit en. Die Kläger war nicht mehr bereit, den Kredit zu erhöhen. In Gesellschaftsversammlungen am 10. und 24. 11. 1973 und 2. 2. 1974 wiesen die Geschäftsführung der W-KG und Vertreter der Kläger auf diesen Umstand hin und erklärten, die Restfinanzierung könne nur gesichert werden, wenn die zusätzlich benötigten, auf 1,4 bis 2 Mio. DM geschätzten Mittel von den Kommanditisten aufgebracht werden würden. Die Kläger bot dafür den Gesellschaftern Darlehen an. In der Gesellschaftsversammlung vom 24. 11. 1973 wurde daraufhin beschlossen, dass die Darlehensanträge nur dann für die Restfinanzierung verwendet werden dürfen, wenn die Fertigstellung des Klinikbaus gewährleistet erscheine, der Beirat habe über die Freigabe der Gelder zu entscheiden. Von diesem Beschluss erlangte die Kläger und - durch Rundschreiben an die Kommanditisten - der Beklagte Kenntnis. Mit Formularschreiben vom 27. 2. 1974, das von der Klägerentworfen und an diese adressiert war, erklärte sich der Beklagte bereit, der Gesellschaft ein Darlehen von 50000 DM zu gewähren. Zu dessen Finanzierung beantragte er bei der Kläger einen Barkredit in gleicher Höhe ohne Berechnung von Zinsen und Spesen für mich. Schließlich sollte der Kreditbetrag zu Lasten des von der Kläger neu zu eröffnenden Kontos des Beklagten (eine Kontoeröffnungskarte lag dem Schreiben bei) unverzüglich der W-KG zur Verfügung gestellt werden. Mit Schreiben vom 4. 3. 1974 bestätigte die Kläger den Kreditauftrag und teilte mit, dass sie das Darlehen unverzüglich der W-KG zur Verfügung stellen werde. Noch am 4. 3. 1974 überwies die Kläger 50000 DM auf das Konto der W-KG. Zu dieser Zeit lagen von einigen Kommanditisten Bereitschaftserklärungen vor, nach denen mit zusätzlichen Mitteln von 700000 DM gerechnet werden konnte. Wegen der anhaltend schlechten finanziellen Situation der W-KG kündigte die Kläger am 25. 4. 1974 endgültig die dieser gewährten Kredite, nachdem sie schon am 7. 2. 1974 gekündigt, daraus aber keine Folgerungen gezogen hatte. Dies führte zur Einstellung des Anfang Februar 1974 teilweise aufgenommenen Klinikbetriebs und zum Zusammenbruch der W-KG. Das Klinikgebäude hat die Kläger ersteigert. Die Einlagen der Kommanditisten sind verloren, ihre Darlehensforderungen uneinbringlich. Im Oktober 1974 hat die Kläger auch das Darlehen des Beklagten gekündigt.

Die Kläger verlangt vom Beklagten die Rückzahlung des Darlehens. Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Kläger hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Vorinstanzen gehen rechtlich einwandfrei davon aus, dass zwischen den Parteien ein Darlehensvertrag zustande gekommen ist. Den ihr daraus grundsätzlich zustehenden Rückzahlungsanspruch kann die Kläger indessen nicht geltend machen, weil sie sich durch die Auszahlung des Darlehens an die W-KG dem Beklagten gegenüber in Höhe der (verlorenen) Darlehenssumme schadensersatzpflichtig gemacht hat.

I. 1. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Kläger hatte die endgültige Fertigstellung der Klinik nur dann eine Chance, wenn die Gesellschafter selbst die notwendigen Mittel zur Finanzierung zur Verfügung stellten. Darauf haben die Geschäftsleitung der W-KG und auch die Kläger auf den Gesellschafterversammlungen hingewiesen. Solange also die Aufbringung des zusätzlich erforderlichen Kapitals, das nach der nicht angegriffenenFeststellung des Berufungsgerichts 1,4 Mio. DM betrug, nicht hinreichend gesichert war, musste mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der W-KG gerechnet werden. Im Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens des Beklagten konnte mit einem Betrag von 700000 DM gerechnet werden. Wie hoch die zusätzlichen Mittel insgesamt sein würden, war nach dem ebenfalls unstreitigen Vortrag der Kläger zu dieser Zeit noch nicht abzusehen. Die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft hatte sich also in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht entscheidend verbessert; die Voraussetzungen für ihren Fortbestand waren nicht gegeben. Unter diesen Umständen bestand für die Geldgeber ein solch hohes Verlustrisiko, dass vernünftigerweise nicht angenommen werden konnte, jemand würde der W-KG in Kenntnis der Verhältnisse ein ungesichertes Darlehen geben.

2. Auf dieses objektiv vorliegende Risiko musste die Kläger den Beklagten vor Auszahlung des Darlehens hinweisen. Zwar ist es grundsätzlich nicht Sache einer Bank, einen Bankkunden, der mit einem anderen Bankkunden Geschäfte abschließen will, aufgrund der zwischen ihnen bestehenden vertraglichen Beziehungen auf Risiken des vorgesehenen Geschäftsabschlusses hinzuweisen (vgl. Senat, WM 1961, 510 [511]). Dies schließt es aber nicht aus, dass sie im Einzelfall dazu nach Treu und Glauben verpflichtet ist. Dies war hier der Fall.

a) Die Kläger hat sich nicht auf die neutrale Rolle als Zahlungsmittlerin beschränkt, die sich um die vertraglichen Beziehungen ihrer Kunden und die Zweckmäßigkeit der ihr erteilten Aufträge regelmäßig nicht kümmern kann und deshalb auch nicht zu kümmern braucht. Sie war vielmehr die Hauptgeldgeberin der W-KG und deshalb an deren Sanierung wirtschaftlich interessiert; überdies hat sie sich aktiv in die Bemühungen eingeschaltet, das notwendige Kapital dafür aufzubringen. Sie selbst hat die Gesellschafter aufgefordert, die W-KG durch Darlehen zu unterstützen, deren Finanzierung sie den Kommanditisten anbot. Aus alldem ergibt sich, dass sich die Kläger ein genaues Bild von den wirtschaftlichen Verhältnissen der W-KG verschafft hat und sie auch wußte, dass deren Zusammenbruch nicht zu verhindern war, wenn die Gesellschafter den Betrag von 1,4 Mio. DM nicht aufbringen würden. Kraft dieser Einsicht in die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten und der auch von ihr ausgesprochenen Empfehlung, die W-KG durch Darlehen zu unterstützen, gehörte es zu den Pflichten der Kläger, auf die Interessen ihrer Kunden als Darlehensgeber der W-KG mehr als üblich Rücksicht zu nehmen und diese auf das ihnen drohende, ohne weiteres zu erkennende Risiko hinzuweisen. Hinzu kommt, dass der Kläger nach der nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts der Gesellschafterbeschluss vom 24. 11. 1973 bekannt war und ihr daraus der Wille der Gesellschafter deutlich geworden ist, der Kläger weitere Gelder nur unter der Voraussetzung zukommen zu lassen, dass damit die Finanzierungslücke auch tatsächlich geschlossen werden würde. Das Berufungsgericht hätte in diesem Zusammenhang auch noch auf die Aussage des Zeugen G, des maßgeblichen Filialdirektors der Kläger hinweisen können, wonach in den Gesellschafterversammlungen immer davon die Rede war, dass sich die Kommanditisten zu weiteren Zahlungen nur verpflichten wollten, wenn tatsächlich die erforderliche Summe zusammenkomme. Wenn die Kläger das Darlehen an die W-KG auszahlen wollte, obwohl die Voraussetzungen dafür noch nicht gegeben waren, war sie verpflichtet, den Beklagten zuvor darauf hinzuweisen.

b) Entgegen der Ansicht der Revision kann aus dem Text des Darlehensantrages des Beklagten vom 27. 2. 1974, der ihm zu gewährende Kredit solle unverzüglich der W-KG zur Verfügung gestellt werden, nichts anderes hergeleitet werden. Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher fehlerfreier Auslegung des Darlehensantrages festgestellt, dass mit der Angabe im Betreff: Bereitstellung zusätzlicher Gesellschaftermittel für die Fertigstellung und volle Inbetriebnahme der Klinik die finanziell gesicherte endgültige Inbetriebnahme der Klinik gemeint war. Muss aber davon ausgegangen werden, dann kann das Wort unverzüglich nur den Sinn gehabt haben, dass das Darlehen dann sofort ausbezahlt werden muss, wenn die Voraussetzungen (Sicherstellung der Restfinanzierung) vorlagen.

c) Auch die Ansicht der Revision vermag der Senat für den vorliegenden Fall nicht zu teilen, es obliege grundsätzlich den Gesellschaftern sich ausreichende Kenntnis von den tatsächlichen Grundlagen für ihren Entschluss zu verschaffen, ihrer eigenen Gesellschaft Geldbeträge zuzuführen; demgegenüber trete eine etwaige Obliegenheit der Kläger, die Gesellschafter aufzuklären, völlig in den Hintergrund. Dieser Gesichtspunkt kann schon deshalb keine Rolle spielen, weil die Kommanditisten auch und gerade durch das von der Kläger entworfene und der W-KG zur Verfügung gestellte Formular aufgerufen waren, ihre Bereitschaftserklärung zusammen mit dem Darlehensantrag und dem Auftrag, das Darlehen auszuzahlen, gleichzeitig abzugeben. Die Verhältnisse bei der Antragstellung konnten deshalb nicht den Ausschlag geben, sondern diejenigen zur Zeit der Auszahlung des Darlehens. Dieser Zeitpunkt war aber dem Beklagten nicht bekannt. Er erfuhr davon erst nach Ausführung des Auftrags.

3. Dass die Kläger vor Überweisung des Darlehensbetrages an die WKG den notwendigen Hinweis an den Beklagten unterlassen hat, verstößt gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Bankkaufmanns und war mithin fahrlässig. Da mangels gegenteiligen Vortrags der Kläger davon auszugehen ist, dass der Beklagte der Auszahlung widersprochen hätte, ist die Kläger dem Beklagten zum Ersatze des Schadens verpflichtet.

II. Einem so begründeten Schadensersatzanspruch gegenüber kann sich die Kläger nicht auf die Freizeichnung in Nr. 10 S. 3 der AGB der Banken (Fassung 1. 1. 1969) berufen, wonach die Bank keine Haftung aus einer etwaigen Unterlassung von Auskünften und Raterteilungen übernimmt. Diese Bestimmung der AGB bezieht sich nicht auf solche Verpflichtungen, die der Bank - wie hier - aus einer mit einem Kunden bestehenden Geschäftsverbindung erwachsen sind (vgl. Senat, WM 1976, 474).

III. Unbegründet ist ferner die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft nicht erörtert, ob den Beklagten ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens treffe. Wie vorstehend unter I dargelegt worden ist, kann dem Beklagten aus der Absendung des Darlehensantrages kein Vorwurf gemacht werden.