Sofortige Zwangsvollstreckung

Hat ein Darlehensnehmer in einer vorformulierten notariellen Urkunde über die Bestellung einer Sicherungsgrundschuld die persönliche Haftung für die Zahlung des Grundschuldbetrages übernommen und sich deswegen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen, so wird diese Zwangsvollstreckung nicht bereits dann unzulässig, wenn die Grundschuld in der Zwangsversteigerung gemäß 91 I ZVG erloschen ist, der Gläubiger aber keine Befriedigung aus dem Erlös erlangt hat.

Zum Sachverhalt: Die kl. Eheleute betrieben früher ein Bauträgerunternehmen als GmbH & Co. KG (im folgenden: Gesellschaft); die Ehefrau war alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der Komplementär- GmbH, der Ehemann handelte als ihr Bevollmächtigter. Im Juli 1982 gewährte die beklagte Bank der Gesellschaft und den Kläger als Gesamtschuldnern ein Darlehen über 1,2 Mio. DM zum Zwecke der Vorfinanzierung der Erlöse aus dem beabsichtigten Verkauf zweier der Gesellschaft gehörender Grundstücke. Die Darlehensrückzahlung sollte in zwei Raten von 500000 DM und 700000 DM zum 15. 11. 1982 und 15. 4. 1983 erfolgen. Als Kreditsicherheit dienten eine erstrangige Grundschuld von 1 Mio DM auf dem einen und eine nachrangige Grundschuld von 200 000 DM auf dem anderen Grundstück. In den - von der Beklagte vorformulierten - notariellen Grundschuldbestellungsurkunden vom 28. 6. 1982 heißt es jeweils unter Nr. 5:

Für die Zahlung des Grundschuldbetrages nebst Nebenleistungen übernehmen

1. Firma K-GmbH & Co. KG, Bauträgergesellschaft

2. Architekt L K

3. Kauffrau H K (Darlehensnehmer)

- mehrere Personen als Gesamtschuldner - die persönliche Haftung, aus der sie ohne vorherige Zwangsvollstreckung in das belastete Grundeigentum in Anspruch genommen werden können. Sie unterwerfen sich wegen dieser persönlichen Haftung der Gläubigerin gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in das gesamte Vermögen.

Die Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag wurden später von den Darlehensnehmern nicht erfüllt. Die Gesellschaft fiel in Konkurs. Das vorrangig zugunsten anderer Gläubiger belastete Grundstück wurde zwangsversteigert; die Grundschuld der Beklagte über 200000 DM erlosch gemäß § 91 ZVG, ohne dass die Beklagte Befriedigung aus dem Erlös erlangen konnte. Sie betreibt nunmehr die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde über 200000 DM in das Vermögen der Kläger aufgrund der persönlichen Haftungsübernahme. Dagegen haben die Kläger Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Kläger die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig erklärt (OLG Celle, WM 1989, 1870 = WuB I F 33.90 m. Anm. E. Schneider). Die Revision der Beklagte führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: 1. Der Rechtsprechung des BGH folgend ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Übernahme der persönlichen Haftung in der Grundschuldbestellungsurkunde ein abstraktes Schuldversprechen darstellt (BGHZ 98, 256 [259] = NJW 1987, 319 = LM § 1 AGBG Nr. 6 m. w. Nachw.), dessen Vereinbarung in AGB der Inhaltskontrolle nach §§ 9, 11 Nr. 15 AGB-Gesetz standhält (BGHZ 99, 274 [282] = NJW 1987, 904 = LM § 3 AnfG Nr. 30) und für die Schuldner jedenfalls dann nicht überraschend i. S. des § 3 AGB- Gesetz ist, wenn diese - wie hier - zugleich die persönlichen Kreditnehmer sind und Geschäftserfahrung haben.

2. Der Inanspruchnahme der Kläger aus dem Schuldversprechen steht nach Auffassung des Berufungsgerichts aber die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung nach § 812 I 1 BGB entgegen, weil durch das Erlöschen der Grundschuld in der Zwangsversteigerung der Rechtsgrund für das Schuldanerkenntnis entfallen sei. Die zu diesem Ergebnis führende Auslegung der Haftungsübernahmeklausel ist nicht frei von Rechtsirrtum.

a) Das bei der Grundschuldbestellung verwendete Formular enthält keine ausdrückliche Zweckerklärung für die darin vereinbarten Sicherheiten; auch anderweitig ist es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu einer ausdrücklichen Sicherungsabrede gekommen. Der Darlehensvertrag vom 23./26. 7. 1982 führt als Sicherheiten nur die beiden Grundschulden an, erwähnt das persönliche Schuldversprechen aber nicht. Dessen Rechtsgrund kann sich daher nur aus einer Auslegung des sonstigen Inhalts der Formularurkunde oder aus einer konkludenten Individualvereinbarung ergeben, die ihre Grundlage in den Umständen des Einzelfalls finden könnte und der nach § 4 AGB-Gesetz Vorrang gebührte (vgl. BGH, NJW 1986, 1807 = LM § 4 AGBG Nr. 5 = WM 1986, 577 [zu II 2]).

b) Das Berufungsgericht hat gemeint: Wenn ein Schuldner in einer Grundschuldbestellungsurkunde, die seine schuldrechtliche Kreditverpflichtung inhaltlich nicht erwähne, die persönliche Haftung für die Zahlung des Grundschuldbetrages übernehme, sei - zumindest nach § 5 AGB-Gesetz - als Rechtsgrund nicht die der Grundschuldbestellung zu Grunde liegende Kreditforderung, sondern allein die Grundschuld als solche anzusehen mit der Folge, dass mit deren Erlöschen in der Zwangsversteigerung der Rechtsgrund für das abstrakte Schuldversprechen entfallen sei. Dieser Auslegung ist nicht zu folgen.

Die AGB-Formulierung, die Darlehensnehmer übernähmen für die Zahlung des Grundschuldbetrages . die persönliche Haftung, aus der sie ohne vorherige Zwangsvollstreckung in das belastete Grundeigentum in Anspruch genommen werden können, vermag die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu rechtfertigen. Durch die Bezugnahme auf den Grundschuldbetrag erreicht der Formularverwender zunächst, dass die Höhe des abstrakten Schuldversprechens bestimmt wird, ohne dass der konkrete Betrag an dieser Stelle noch einmal in das Formular eingesetzt zu werden braucht. Darüber hinaus wird allerdings eine Verbindung zwischen Grundschuld und Schuldversprechen auch insoweit geschaffen, als der Gläubiger den für die Grundschuld angegebenen Betrag aus der Urkunde nur einmal verlangen und vollstrecken darf. Wenn die Bank aus der Grundschuld Zahlung und Befriedigung erhält, kann sie aus dem Schuldversprechen nicht mehr vorgehen, selbst wenn ihr weitere Forderungen gegen den Schuldner zustehen (BGH, NJW 1988, 707 = LM § 781 BGB Nr. 18 = WM 1988, 109 [zu II 2]; Rehbein, JR 1989, 158).

Das bedeutet aber nicht, dass auch dann, wenn die Grundschuld in der Zwangsversteigerung erlischt, ohne dass es zu einer Befriedigung des Gläubigers kommt, der Rechtsgrund für das abstrakte Schuldversprechen wegfällt. Diese Folgerung wird auch - abgesehen vom früheren Urteil des Oberlandesgerichts Celle, WM 1985, 1313 (1314) - in der vom Berufungsgericht zitierten sonstigen Rechtsprechung und im Schrifttum nicht gezogen (BayObLG, Rpfleger 1952, 552; Kolbenschlag, DNotZ 1965, 205 [207]; ferner: Clemente, Die Sicherungsgrundschuld in der Bankpraxis, 1985, Rdnrn. 94f., 101; Eickmann, ZIP 1989, 137 [142]). Im Gegenteil hat der BGH bereits in einem Fall, in dem eine Grundschuld aufgrund der Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks erloschen war, der Gläubiger aber aus dem Erlös nur Teilbefriedigung erlangt hatte, wegen des offengebliebenen Grundschuldrestbetrags die weitere Vollstreckung aus dem persönlichen Schuldversprechen zugelassen (BGH, NJW-RR 1987, 59 = WM 1986, 1032 [1033]).

Die abweichende Auffassung des Berufungsgerichts findet im Text der Grundschuldbestellungsurkunde keine hinreichende Grundlage und wird den Interessen der Beteiligten und dem Willen der Vertragspartner bei der Grundschuldbestellung nicht gerecht. Das erkennbare Ziel der persönlichen Haftung, nämlich dem Grundschuldgläubiger eine zusätzliche Sicherung zu verschaffen (vgl. BGH, NJW 1990, 392 = LM § 1191 BGB Nr. 34 = WM 1989, 1862 [zu II 2]), würde nicht erreicht, wenn diese Haftung ausgerechnet dann entfallen sollte, wenn die Grundschuld sich in der Zwangsversteigerung als nicht werthaltig erweist.

Mit Recht verweist die Revision darauf, dass ein Gläubiger, dem - wenn man der Auffassung des Berufungsgerichts folgt - die Gefahr droht, bei Ausfall seiner Grundschuld in der Zwangsversteigerung zugleich auch seinen Anspruch aufgrund des abstrakten Schuldversprechens zu verlieren, von Anfang an bestrebt sein müsste, sobald wie möglich gegen die Mitschuldner persönlich vorzugehen, und zwar nicht nur wegen relativ geringer Zahlungsrückstände, sondern sogleich auch wegen der gesamten Schuld. Eine Vereinbarung, die - nach der Auslegung des Berufungsgerichts - den Gläubiger zur Wahrung seiner Interessen zu solchem Vorgehen zwingt, widerspräche auch den Interessen der persönlichen Schuldner. Das gilt insbesondere unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles: Für die Beklagte als Gläubigerin einer nachrangigen Grundschuld bestand in erhöhtem Maße die Gefahr, dass bei einer Zwangsversteigerung, die auch von einem vorrangigen Gläubiger betrieben werden konnte, ihre Grundschuld erlischt, ohne dass sie Befriedigung erlangt. Den Klägern konnte nicht daran gelegen sein, durch eine Vereinbarung, wie sie das Berufungsgericht annimmt, die Beklagte zu veranlassen, zuerst gegen die Kläger persönlich als Mitverpflichtete vorzugehen und nicht vorrangig zu versuchen, Befriedigung aus der Grundschuld bei der Eigentümerin zu erlangen, der die Darlehensmittel zugeflossen waren. Nur eine schuldrechtliche Sicherungsabrede, die der Beklagte die Möglichkeit ließ, bis zur Befriedigung ihrer Ansprüche auf den Grundschuldbetrag auch noch aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis vorzugehen, entsprach dem Interesse und dem Willen beider Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

3. Das Berufungsgericht ist - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - auf die sonstigen Einwände der Kläger gegen ihre Inanspruchnahme aus der Grundschuldbestellungsurkunde nicht eingegangen. Der Senat kann insoweit noch keine abschließende Entscheidung treffen. Das Partei- vorbringen bedarf in einzelnen Punkten noch der Überprüfung durch den Tatrichter.

a) Das gilt allerdings nicht hinsichtlich der Voraussetzungen des § 134 BGB, § 56 1 Nr. 6 GewO. Insoweit reicht bereits der eigene Vortrag der Kläger nicht aus, um die Nichtigkeit des Darlehensvertrages oder gar der in der Grundschuldbestellungsurkunde übernommenen Verpflichtungen zu begründen. Es ist nicht dargetan, dass ein Bankvertreter oder Vermittler im Reisegewerbe tätig geworden ist. Die Übersendung der Vertragsunterlagen an die - im Urlaub befindlichen - Kläger erfüllt den Tatbestand des § 55 I GewO ebenso wenig wie die Unterzeichnung der vollstreckbaren Urkunde durch die Kläger vor der Notarin.

b) Weiterer Überprüfung bedarf jedoch insbesondere die Frage, welche Zahlungen der Kläger auf die Verpflichtungen aus der hier streitigen Grundschuldbestellungsurkunde zu verrechnen sind und damit die Vollstreckungsabwehrklage begründen können.

Die Beklagte kann sich nach Androhung oder Beginn der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde nicht mehr darauf berufen, gemäß Ziff. 8.2 ihrer Allgemeinen Darlehensbedingungen dienten Zahlungen an die Bank nicht zur Tilgung der Grundschuld, sondern seien mit der gesicherten persönlichen Forderung zu verrechnen. Mit Recht verweist die Revision demgegenüber auf die gefestigte Rechtsprechung des BGH, nach der der Schuldner nach Androhung oder Beginn der Zwangsvollstreckung in aller Regel auf den titulierten Anspruch leisten will und kann (NJW 1988, 707 = LM § 781 BGB Nr. 18 = WM 1988, 109 [zu 11 1] m. w. Nachw.). Zu berücksichtigen ist andererseits aber, dass die Beklagte - zumindest ab Januar 1987 - nicht nur aus der Grundschuldbestellungsurkunde UR-Nr. 15/82, gegen die sich die vorliegende Klage richtet, vollstreckte, sondern auch aus der Parallelurkunde UR-Nr. 14/82; das ergibt sich aus dem vorgelegten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 16. 1. 1987. Leistungen, die der Beklagte aufgrund jener Vollstreckung zugeflossen sind, können daher nicht auf den hier streitigen Titel angerechnet werden. Wenn die Zahlung von 35000 DM am 3. 2. 1987 aufgrund des genannten Pfändungs- und Uberweisungsbeschlusses erfolgte, können die Kläger sie daher nicht zur Begründung der vorliegenden Klage heranziehen.

Soweit Zahlungen der Klägerauf die hier streitige Schuld von der Beklagte nicht bestritten werden und vom Gerichtsvollzieher auf dem Schuldtitel UR-Nr. 15/82 vermerkt worden sind, dürfte der Vollstreckungsabwehr- klage das Rechtsschutzinteresse fehlen (BGH, NJW-RR 1989, 124 = LM § 767 ZPO Nr. 76).