Sonderabnehmer

Beanstandet ein Sonderabnehmer von elektrischem Strom das Vertragsangebot des ihn beliefernden Versorgungsunternehmens u. a. wegen der Höhe des darin vorgesehenen Strompreises, bezieht er aber nach wie vor Strom von dem Versorgungsunternehmen, so kann dieses - in entsprechender Anwendung der §§ 315, 316 BGB - berechtigt sein, nach billigem Ermessen die Höhe des Strompreises zu bestimmen und die Aufrechnung mit Gegenforderungen auszuschließen.

Aus den Gründen: I. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, dass der geltend gemachte Vergütungsanspruch der Kläger vertraglicher Natur ist.

1. a) Die Beklagte hat zwar die Annahme des ihr von der Kläger zugesandten Vertragsangebots vom 8.10. 1965 abgelehnt und dies damit begründet, einzelne Bestimmungen des Angebots seien unzumutbar, und die Höhe des Strompreises sei unangemessen. Gleichwohl hat sie weiterhin Strom von der KL bezogen und auch die auf der Grundlage dieses Vertragsangebots berechneten Strompreise zunächst bezahlt.

Nach den Feststellungen des BerGer, besteht für den Strombezug der Beklagte kein fester Tarif der Kläger, der für ihre Stromlieferungen ohne weiteres zugrunde zu legen ist. Vielmehr ist für die Rechtsbeziehungen der Parteien zueinander, ein jeweils zu schließender Sonderabnehmer vertrag maßgeblich, für dessen inhaltliche Ausgestaltung Vertragsfreiheit besteht. Für einen Fall dieser Art kommen die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über das Zustandekommen eines Energielieferungt3vertrages trotz Widerspruch des Abnehmers gegen den tariflich festgesetzten Preis (RGZ 111, 310, 312; BGH Nr. 7 zu BGB Vorbem. zu § 145; Nr. 11 zu Allg. Bed. d. EVU) nicht zur Anwendung. Daher schließt der alsbaldige Widerspruch der Beklagte gegen die in der Vertragsofferte vom 8.10. 1965 enthaltenen, individuell auszuhandelnden Strompreise die Annahme aus, dass diese Preise gleichwohl deshalb Inhalt eines Vertrages zwischen den Parteien geworden sind, weil die Beklagte auch weiterhin Strom von der Kläger bezog und zunächst voll bezahlte.

b) Das Berufungsgericht hat diese Bedenken gegen, die Annahme, dass das tatsächliche Verhalten der Beklagte rechtlich trotz ihres Widerspruchs als Unterwerfung unter das Vertragsangebot der Kläger zu werten sei, gesehen. Es hat daher alternativ einen vertraglichen Vergütungsanspruch der Kläger auf der Grundlage der in ihrem Vertragsangebot enthaltenen Strompreise auch in Anlehnung an die Gedankengänge in dem Senat, BGHZ 41, 271, 273 -276 vorstehend Nr. 5 bejaht In diesem Urteil ist ausgeführt, es entspreche der Lebenswirklichkeit und ersichtlich auch der Vorstellung der Parteien (Milcherzeuger und Molkereigenossenschaft), die kraft gesetzlicher Verpflichtung zwangsläufig als Lieferer und Abnehmer einer Ware zueinander in dauernde Beziehung treten müssten (Pflicht des Milcherzeugers, seine Milch nur an eine bestimmte Molkerei zu liefern, für die ihrerseits Abnahmezwang bestand, § 1 Abs. 1 und 4 des Milch- und Fettgesetzes), dass sie ihre Beziehungen als vertragliche betrachten und nicht in einem vertragslosen Zustand handeln wollten, wobei sich die von ihnen erbrachten und geschuldeten Leistungen nur nach den für derartige Dauerbeziehungen nicht passenden Bereicherungsvorschriften beurteilten würden. Auch bei Fehlen der Einigung über den Kaufpreis sei in derartigen Fällen entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls im Übrigen ein Kaufvertrag zustande gekommen; die verbleibende Vertragslücke müsse gemäß den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen ausgefüllt werden.

Das gleiche gilt für Rechtsbeziehungen wie sie hier auf Grund wirtschaftlicher und rechtlicher Gegebenheiten zwischen den Parteien vorliegen: Die Beklagte kann, wenn sie nicht auf den Strombezug überhaupt verzichten will, elektrische Energie nur von der Kläger beziehen. Diese Zwangssituation ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetz, sondern aus dem bestehenden Gebietsschutzvertrag, der der Kläger das Alleinbelieferungsrecht für die in ihrem Versorgungsgebiet ansässigen Abnehmer - mithin auch für die Beklagte - sichert. Für die Beurteilung der notwendig auf Dauer angelegten Beziehungen der Parteien zueinander bedeutet dies aber keinen entscheidenden Unterschied. Für die Kläger andererseits besteht ein echter Kontrahierungszwang gemäß § 6 Abs. 1 EnergG, der auch gegenüber Sonderabnehmern gilt.

Das BerGer: schließt aus Verlauf und Inhalt der Vertragsverhandlungen auf den übereinstimmenden Willen beider Parteien, eine vertragliche Einigung wenigstens insoweit zu erzielen, als der Preis bei Verwendung objektiver Kriterien als angemessen zu erachten ist. Lediglich die durch fehlende Einigung über die Vergütungsspitze verbliebene Vertragslücke sucht es durch entsprechende Anwendung des § 315 BGB zu schließen. Auf die Frage der Einigung der Parteien über einen Teil des Strompreises kommt es indessen nicht an. Denn jedenfalls führt die mindestens entsprechende Anwendung des § 316 BGB, wie sie bei den vorstehend gekennzeichneten Beziehungen vertraglicher Art hier geboten ist, hinsichtlich des Strompreises im ganzen zum Bestimmungsrecht der Kläger als derjenigen Vertragspartei, die die Gegenleistung für ihre Stromlieferungen zu fordern hat. Den Belangen der Beklagte, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ihre Beziehungen zur Klage auf eine vertragliche Basis stellen, dabei aber nicht willkürlichen Maßnahmen der Kläger ausgesetzt sein will, wird nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass nach der im Zweifel geltenden Vorschrift des § 315 BGB die Bestimmung der Leistung durch die Kläger nach billigem Ermessen zu treffen ist und nur verbindlich ist, wenn sie diesem Erfordernis entspricht. Tut sie dies nicht, so ist die Leistungsbestimmung im Rechtsstreit Sache des Gerichts.

2. Die Beantwortung der Frage, ob die Preisbestimmung der Klägerbilligem Ermessen entspricht, erfordert die Prüfung und Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Parteien unter Anlegung eines objektiven Maßstabs. Ziel dieser Prü= fung ist nicht die Ermittlung eines gerechten Preises von Amtf3 wegen; es geht vielmehr darum, ob die getroffene Bestimmung sich nach dem gegebenenfalls zu beweisenden Vorbringen der Kläger als der bestimmungsberechtigten Partei noch in den Grenzen der Billigkeit hält (vgl. Senatsurteil BGHZ 41, 271, 279, 280 = vorstehend Nr. 5).

Dagegen, dass das Berufungsgericht diese Frage bejaht hat, wendet die Rev. sich ohne Erfolg.

a) Das Berufungsgericht ist insbesondere auf Grund der von der Kläger vorgelegten Jahreserfolgsrechnung ihrer Stadtwerke für das Jahr 1966 sowie auf Grund der Aufstellung der Kläger über ihren bei der Belieferung der Beklagte im Jahr 1966 erzielten Reingewinn zu der Überzeugung gelangt, dass die - auf etwa 3,5% errechnete - Gewinnspanne der Kläger sich innerhalb der Grenzen halte, die ihr bei Würdigung ihrer Verpflichtung, im Interesse des Gemeinwohls die Energieversorgung so sicher und billig wie möglich zu gestalten (Hinweis auf die Präambel des Energiewirtschaftsgesetzes), gezogen seien. Es hat dabei auf den Jahresgewinn allein aus den Stromlieferungen abgestellt und offen gelassen, ob die Kläger das Entgelt für diese Lieferungen so hoch hätte ansetzen dürfen, dass sie die im Bereich der Gasund Wasserversorgung eingetretenen Fehlbeträge hätte decken können.

Vergeblich macht die Rev. demgegenüber geltend, das Berufungsgericht habe nicht den Gewinn zugrunde legen dürfen, der sich nach Abzug der Steuern ergebe; vermeide man diesen Fehler, so mache die Gewinnspanne 8,87% aus. Für die hier erörterte Frage kommt es jedoch nicht darauf an, ob das Berufungsgericht einen betriebswirtschaftlich zutreffenden Begriff des Gewinns zugrunde gelegt hat, sondern darauf, ob der erzielte Gewinn eine Überschreitung der Grenzen der Billigkeit erkennen lässt. Dass das Berufungsgericht unter diesem Gesichtswinkel darauf abgestellt hat, was der Kläger nach Abzug der Steuern verbleibt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Auch das weitere Bedenken der Rev. greift nicht durch, in der Jahreserfolgsrechnung der Kläger sei zu Unrecht eine seitens der Stadtwerke an die Kläger gezahlte Konzessionsabgabe in Ansatz gebracht. Die Rev. stellt dabei darauf ab, dass die Stadtwerke keine eigene Rechtspersönlichkeit hätten und dass deshalb die Konzessionsabgabe ein künstlicher Kostenfaktor sei. Für die Einhaltung der Grenzen der Billigkeit im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB kommt es jedoch nicht auf die Rechtsform an, die die KL für die Stromversorgung gewählt hat. Wie sie - wovon ersichtlich auch die Rev. ausgeht - von einem als juristische Person organisierten Versorgungsunternehmen die Konzessionsabgabe fordern könnte, so steht es ihr auch frei, die Entrichtung einer solchen Abgabe als Kostenfaktor anzusetzen, soweit es um die Frage geht, ob die durch sie getroffene Strompreisbestimmung der Billigkeit entspricht.

Nicht beizutreten vermag der Senat allerdings der Auff. des Berufungsgerichts, dass für die Kläger als Selbstverwaltungskörperschaft in folgender Hinsicht eine besondere Situation gegeben sei: Nach § 11 EigVO Rheinland-Pfalz sollten Eigenbetriebe nach Maßgabe des § 85 (RhPf.) GO einen Überschuss für den Haushalt der Gemeinde abwerfen. Die Einschränkung dieses Überschussgrundsatzes durch die gebotene Beachtung der öffentlichen Aufgaben der Gemeinde bedeutet für diese nur, dass sie in ihrem Eigenbetrieb nicht den überhaupt möglichen Höchstgewinn erzielen dürfe. Die vom Berufungsgericht angeführten Vorschriften sind inhaltlich an die Adresse der Gemeinden gefightet, räumen diesen aber nicht im Privatrechtsverkehr eine Sonderstellung ein. Ein Verhalten, das anderen Unternehmen als Eigenbetrieben der Gemeinden versagt ist, ist bei Eigenbetrieben nicht aus dem Grunde rechtlich anders zu beurteilen, weil diese für sich in Anspruch nehmen, nach jenen Vor- Schriften zu gewinnbringender Tätigkeit gehalten 2u sein. Dies verhilft der Rev. jedoch nicht zum Erfolg, da es sich bei den hier erörterten Ausführungen des Berufungsgerichts ersichtlich nur um Hilfserwägungen handelt, auf die es für den Bestand des Urteil nicht ankommt.