Sonderaufsicht

Bebauungspläne unterliegen einer besonderen Aufsicht des Staates. Diese wird im Rahmen des in §11 geregelten Genehmigungs- bzw. Anzeigeverfahrens ausgeübt. Aufgabe der Sonderaufsicht ist es, für die Rechtmäßigkeit der Bauleitplanung zu sorgen. Die Befugnisse der Sonderaufsicht sind allerdings begrenzt. Sie beschränken sich nach § 11 auf die Rechtskontrolle des Bebauungsplan im Rahmen des Genehmigungs- bzw. Anzeigeverfahrens und die damit verbundenen Mitwirkungsakte und aufsichtlichen Instrumente. Eine zeitlich unbeschränkte und instrumental umfassende Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im Bereich der Bauleitplanung steht der Sonderaufsicht nicht zu. Insbesondere besitzt sie kein eigenes Kassationsrecht. Die Sonderaufsichtsbehörde kann daher die Gemeinde auch nicht anweisen, einen fehlerhaften Bebauungsplan aufzuheben oder nicht mehr anzuwenden. Eine derart weitgehende Kompetenz würde mit der Kommunalaufsicht kollidieren. Hätte der Bundesgesetzgeber den Sonderaufsichtsbehörden eine solche Kontrollbefugnis einräumen wollen, so hätte er damit in unzulässiger Weise in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zur Regelung des Kommunalverfassungsrechts eingegriffen.

Da die Sonderaufsicht nicht über die umfassenden Instrumente einer Staatsaufsicht verfügt, könnte ihre Maßnahme allenfalls darin bestehen, dass sie ihren Beitrag am Planverfahren zurückzieht. Eine aktive Mitwirkung der Sonderaufsichtsbehörde an der Bebauungsplanung ist aber nur bei genehmigungsbedürftigen Bebauungsplänen gegeben. Bei anzeigebedürftigen Bebauungsplänen fehlt dagegen von vornherein ein aktiver Mitwirkungsbeitrag, der zurückgezogen werden könnte. Anzeigepflichtige Bebauungspläne bedürfen nämlich, anders als genehmigungspflichtige, für ihr Zustandekommen nicht der konstitutiven Mitwirkung der Aufsichtsbehörde. Bei ihnen ist die aufsichtliche Prüfung nicht in das Planverfahren als dessen Bestandteil integriert. Ist ein angezeigter Bebauungsplan fehlerfrei, ergeht im gesetzlich vorgesehenen Regelfall keine Entscheidung der Aufsichtsbehörde gegenüber der Gemeinde; der betreffende Bebauungsplan kann vielmehr nach Ablauf der gesetzlichen Sperrfrist von drei Monaten ohne weiteres in Kraft gesetzt werden. Bei genehmigungsbedürftigen Bebauungsplänen wäre es dagegen vorstellbar, dass die Sonderaufsichtsbehörde ihre Mitwirkung am Bebauungsplan in der Weise zurückzieht, dass sie

- die Nichtigkeit der von ihr erteilten Genehmigung feststellt oder

- die rechtswidrig erteilte Genehmigung gemäß §48 VwVfG zurücknimmt.

Ein dahingehender Bescheid würde sich jedoch in beiden Fällen nur an die Gemeinde richten, er könnte gegenüber Dritten keine unmittelbare Außenwirkung erzeugen. Dem bereits vorliegenden Fehler des Bebauungsplans würde lediglich ein weiterer, nämlich das Fehlen der Genehmigung hinzugefügt. Es bliebe nach wie vor Aufgabe der Gemeinde, hieraus erforderlichenfalls im Wege eines förmlichen Aufhebungsverfahrens die notwendigen Folgerungen zu ziehen. Selbst wenn ein solcher Bescheid gegenüber der Gemeinde unanfechtbar würde, bliebe seine Wirkung auf die Gemeinde beschränkt. Eine prinzipale Verwerfung des Bebauungsplans im eigentlichen Sinne könnte durch ein solches Vorgehen der Sonderaufsicht keinesfalls erreicht werden. Nach Auffassung des BVerwG enden jedoch die Befugnisse der Sonderaufsichtsbehörde zeitlich mit Abschluss des Genehmigungsverfahrens; das Gericht hält daher die Aufsichtsbehörden von vornherein nicht für befugt, die erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder deren Nichtigkeit gegenüber der Gemeinde festzustellen, wenn der Bebauungsplan gemäß §12 bereits in Kraft gesetzt ist. Die Anwendung der § 48 und 49 VwVfG ist wegen des besonderen Charakters der Plangenehmigung als Bestandteil des Planverfahrens ausgeschlossen. Nur gegenüber der Gemeinde ist die Genehmigung ein Verwaltungsakt; nach außen ist sie dagegen Bestandteil des Planungsverfahrens. Sie kann daher - ist das Planungsverfahren abgeschlossen nicht mehr isoliert rückgängig gemacht werden. Die gleichen Gründe schließen es nach Auffassung des BVerwG aus, dass die für die Plangenehmigung zuständige Aufsichtsbehörde die Nichtigkeit einer Genehmigung nach §44 Abs. 5 VwVfG feststellt. Der Ausschluss von Maßnahmen der Sonderaufsicht gegenüber in Kraft gesetzten Bebauungsplänen ist in erster Linie kompetenzrechtlich begründet. Die Gründe liegen in der Beschränkung der Sonderaufsicht durch den Bundesgesetzgeber und der Abgrenzung zur Kommunalaufsicht. Ist die Bekanntmachung nach § 12 noch nicht erfolgt, ist eine Rücknahme der rechtswidrigen Plangenehmigung unter den Voraussetzungen des §48 VwVfG dagegen noch möglich. Das BVerwG lässt diese Frage ausdrücklich offen.

Kompetenz der Kommunalaufsicht - Die Gemeinden unterliegen allgemein der Kommunalaufsicht des Staates. Die Kommunalaufsicht stellt sicher, dass die Gemeinden im Rahmen ihres eigenen Wirkungskreises die Gesetze beachten. Sie erstreckt sich auch auf die Bauleitplanung der Gemeinden, soweit sie nicht durch die spezielle Sonderaufsicht nach dem BauGB verdrängt wird. Die Mittel der Kommunalaufsicht sind in den Gemeindeordnungen aufgezählt. Gegenüber rechtswidrigen Beschlüssen kommt das Mittel der Beanstandung in Betracht. Hiernach kann die Kommunalaufsichtsbehörde Satzungen sowie andere Beschlüsse und Maßnahmen der Gemeinde beanstanden, wenn sie das Gesetz verletzen. Beanstandete Maßnahmen dürfen nicht vollzogen werden. Erforderlichenfalls kann sogar die sofortige Vollziehung angeordnet werden, um die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen der Gemeinde auszuschließen. Die Beanstandung für sich wirkt aber nur im Verhältnis zwischen Aufsichtsbehörde und Gemeinde. Soll sie Außenwirkung erlangen, muss die Aufsichtsbehörde von der Gemeinde zusätzlich verlangen, dass bereits getroffene Maßnahmen rückgängig gemacht werden. Bei Satzungen kann demnach angeordnet werden, dass der rechtswidrige Satzungsbeschluss zur Vermeidung eines Rechtsscheins der Gültigkeit aufgehoben bzw. zurückgenommen wird und dies entsprechend bekannt gemacht wird. Bei Bebauungsplänen, die bereits in Kraft gesetzt worden sind, ist ein Aufhebungsverfahren nach §2 Abs. 4 durchzuführen. Wegen der fehlenden Außenwirkung ist die Beanstandung für sich kein echtes Verfahren der prinzipalen Verwerfung; diese wird vielmehr von der Gemeinde selbst vorgenommen, wenn auch aufgrund der kommunalaufsichtlichen Maßnahme. Sollte die Gemeinde die angeordnete Aufhebung des Bebauungsplans nicht vornehmen, so kann die Kommunalaufsichtsbehörde im Wege der Ersatzvornahme das Aufhebungsverfahren selbst durchführen. Dies wäre ein Fall einer echten prinzipalen Verwerfung.

Eine Beanstandung ist auch dann zulässig, wenn die Satzung inzwischen in Kraft gesetzt sein sollte. Dies gilt auch für Bebauungspläne. Die Beanstandung ist jedenfalls bundesrechtlich nicht ausgeschlossen. Ein solcher Ausschluss würde in unzulässiger Weise in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zum Kommunalverfassungsrecht eingreifen. Die Regelung der Staatsaufsicht obliegt nach der Kompetenzverteilung des GG dem Landesrecht. Das GG regelt die Staatsaufsicht über die Gemeinden zwar nicht, da dem Bund ein unmittelbares Recht zum Durchgriff auf die Gemeinden fehlt, sie ist jedoch in den Worten im Rahmen der Gesetze in Art.28 Abs. 2 GG mitgedacht. Ein Ausschluss der Aufsicht bei bereits in Kraft gesetzten Bebauungsplänen über die Bebauungspläne würde auch sonst gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstoßen. Die Aufsicht ist nämlich wesentliches Prinzip der gesamten Verwaltungsorganisation. Ihr unterstehen grundsätzlich alle Gliederungen der unmittelbaren und auch der mittelbaren Staatsverwaltung. Zu den Trägern der mittelbaren Staatsverwaltung gehören insbesondere die Gemeinden. Ihre Autonomie, zu der auch die Planungshoheit rechnet, ist abgeleitete Hoheitsmacht; die hoheitlichen Äußerungen der Gemeinden sind Ausfluß von Staatsgewalt im weiteren Sinne. Aus der Eingliederung der Gemeinden in den Staat folgt zwingend die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Staatsaufsicht. Die Aufsicht sichert das rechtsstaatlich gebotene Funktionieren der Verwaltung. Das Verfassungsrecht der Länder sieht dementsprechend eine Staatsaufsicht über die Gemeinden vor oder gebietet sie sogar. Der Umfang der Aufsicht kann dabei zwar unterschiedlich ausgestaltet sein, doch hat jede Aufsicht zumindest die Aufgabe, die Rechtmäßigkeit der Verwaltung sicherzustellen. Die nähere Ausgestaltung der Staatsaufsicht über die Gemeinden erfolgt in den jeweiligen Gemeindeordnungen. Eine Freistellung gemeindlicher Tätigkeiten von jeder Aufsicht ist verfassungsrechtlich nicht zulässig. Dies ergibt sich auch aus Art.84 GG. Der grundgesetzmäßige Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder setzt voraus, dass die Länder in der Lage sein müssen, dies durch Aufsichtsmaßnahmen sicherzustellen. Nach der Rspr. des BVerfG dürfen keine wesentlichen Bereiche der öffentlichen Ordnung der Verantwortung der Landesregierung entzogen sein. Mit diesen Grundsätzen wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Kommunalaufsichtsbehörde nach Bekanntmachung des Bebauungsplan gemäß 12 nicht mehr in der Lage wäre, mit verwaltungseigenen Mitteln die Rechtmäßigkeit der Planung sicherzustellen. Die Aufsicht muss auch dort eingreifen können, wo Fehler erst nachträglich entdeckt werden.